Episodenbeschreibung
Kiras cardassianischer "Vater" Tekeny Ghemor kommt auf die Station. Ghemor war lange Zeit der Anführer
der Dissidentenbewegung auf Cardassia. Nun hofft Kira darauf, dass Ghemor von DS9 aus die Führung
einer Opposition gegen die Dominion-Cardassia-Allianz übernimmt. Ihre Hoffnungen zerschlagen sich
jedoch schon bald, als sie erfährt, dass Ghemor am Yarim-Fel-Syndrom erkrankt ist. Dieses Syndrom ist
unheilbar und Ghemor befindet sich bereits im Endstadium. Er hat nur noch wenige Wochen zu leben.
Ghemor bittet Kira darum, an einem cardassianischen Ritual teilzunehmen. Dieses Ritual beinhaltet,
dass ein sterbender Cardassianer seine Geheimnisse an seine Familie weitergibt. Da Ghemor keine Familie
hat, will er sein Wissen über Dukat und andere Führer des cardassianischen Reiches an Kira weitergeben.
Da dies eine große Chance wäre, an Informationen über den Gegner der Föderation heranzukommen, willigt
Kira ein.
Kira sorgt nun für den immer schwächer werdenden Ghemor, was schmerzhafte Erinnerungen an den Tod ihres
Vaters wach werden lässt, den sie um weniger als eine Stunde verpasst hatte, da sie einen Stoßtrupp gegen
die Cardassianer führte.
Inzwischen nimmt Dukat Kontakt mit Sisko auf. Er möchte, dass Ghemor an Cardassia ausgeliefert wird.
Da es aber kein Auslieferungsabkommen zwischen der Föderation und Cardassia gibt, weigert sich Sisko.
Ghemor gibt Kira eine Menge Informationen über die cardassianische Regierung, doch für Kira selbst
wird die Belastung immer größer.
Dukat taucht zusammen mit dem Vorta Weyoun auf der Station auf. Er möchte Ghemor dazu überreden,
nach Cardassia zurückzukehren. Alle Anklagepunkte gegen ihn wurden fallen gelassen, doch Ghemor
durchschaut die Taktik von Dukat. Der Gul möchte Ghemor zum Schweigen bringen und bietet ihm deswegen
an, auf Cardassia beerdigt zu werden. Ghemor lehnt ab. Dukat und Weyoun bleiben trotzdem auf der
Station, falls Ghemor seine Meinung ändert.
Dukat gibt Kira die offizielle Dienstakte von Ghemor. Diese enthält den Beweis dafür, dass er in
jungen Jahren als Soldat an einem Massaker an bajoranischen Mönchen beteiligt war. Kira ist empört
darüber, dass Ghemor sie angelogen hat und bricht ihre Pflege für ihn ab.
Inzwischen bringt Sisko Dukat und Weyoun eine Flasche Kanar zurück, die bei Ghemors Quartier abgegeben
wurde. Der Kanar war vergiftet. Sisko kann Dukat natürlich nicht nachweisen, dass er die
Flasche geschickt hat.
Odo führt ein Gespräch mit Kira und als Bashir ihr mitteilt, dass Ghemor nicht mehr lange zu leben
hat und sich nur noch wünscht, dass Kira ihm vergibt, geht sie zu ihm und vergibt ihm. Ghemor stirbt
in Kiras Armen und sie beerdigt ihn auf Bajor. Der Major gesteht Bashir, dass sie Ghemor vermutlich gar
nicht wegen des Massakers verlassen hatte, sondern weil sie nicht noch einmal den Tod eines Vaters
erleben wollte.
Bewertung
Mit "Die Überwindung" wird uns in der 5. Staffel erneut eine späte Fortsetzung einer Episode der
dritten Staffel präsentiert. Hierbei handelt es sich um die Folge
3.05: Die zweite Haut, in der Tekeny Ghemor zum ersten Mal auftauchte und
Kira aufgrund einer geschickt eingefädelten Falle seiner politischen Gegner für seine Tochter hielt.
Nach 3.03: Das Haus des Quark und
3.20 + 3.21: Der geheimnisvolle Garak war das nun schon die dritte
Geschichte der 3. Staffel, die hier eine Fortsetzung erfuhr.
Ähnlich wie 3.05: Die zweite Haut weiß auch "Die Überwindung" als gute
Kira-Folge zu überzeugen. Man erhält nicht nur neue Einblicke in Kiras Charakter, die Veränderung
ihrer Person in den letzten 5 Jahren wird hier auch noch einmal rekapituliert. Dax bringt es dabei
gleich im Teaser der Folge auf den Punkt, als sie sagt, dass sie vor 5 Jahren nicht geglaubt hätte,
dass Kira mit irgendjemandem befreundet sein kann. So erging es vermutlich auch dem einen oder
anderen Zuschauer. Kira ist wohl ohne Frage eine der Hauptfiguren bei DS9, die die stärkste
Veränderung über die Jahre hinweg durchgemacht hat.
Tekeny Ghemor und Kira bilden, wie schon in 3.05: Die zweite Haut ein
tolles Gespann, was der Folge zugutekommt. Dabei wird die bajoranisch-cardassianische Vergangenheit
wieder einmal etwas aufgearbeitet und Kira muss erneut eine Lektion über Cardassianer lernen. In
1.19: Der undurchschaubare Marritza und
3.05: Die zweite Haut musste sie sich eingestehen, dass ihre Ansicht, dass
alle Cardassianer ohne Ansehen der Person schuldig sind, falsch ist. Hier muss sie nun lernen, dass
eben auch die "guten" Cardassianer Fehler begangen haben und nicht frei von Schuld sind.
Dabei wirkt Kira zunächst ungewöhnlich naiv. Ihre Verärgerung, nachdem sie erfahren hat, dass
Ghemor während der Besatzungszeit an einem Massaker beteiligt war, wirkt etwas übertrieben. Natürlich
sieht sie in Ghemor einen der besseren Cardassianer. Dass sie nun aber auf einmal nur noch an das
Gute im Cardassianer glaubt, wirkt übertrieben, schließlich war Kira lange Zeit davon überzeugt,
dass alle Cardassianer schuldig sind. Gerade Kira selbst müsste wissen, dass es zu Kriegszeiten kein
reines "Gut" oder "Böse" gibt. Selbst Odo (siehe 5.08: Die Schuld) oder sie
selbst (siehe 2.08: Die Ermittlung oder
5.11: Dunkelheit und Licht) sind nicht ganz frei von Schuld, somit kann sie
wohl auch nicht von Ghemor verlangen, dass dieser nie einen Fehler begangen hat. Kiras Reaktion
resultierte hier wohl weniger aus ihrer eigentlichen Wut auf Ghemor, sondern eher aus dem Wunsch
heraus, ähnlich wie bei ihrem Vater dem sterbenden Ghemor entfliehen zu können, um seinen Tod nicht
miterleben zu müssen. Odo bringt es in einem guten Dialog mit Kira auf den Punkt, wenn er sagt, dass
Ghemors Verfehlung recht unbedeutend ist und es Kira hier wohl weniger um die Tat selbst geht. Am
Ende der Episode wird dies dann auch noch einmal in einem Dialog mit Bashir deutlich, der etwas
über-erklärend wirkt und eigentlich nicht nötig gewesen wäre, da der Rest der Folge bereits für
sich sprach.
Eine sehr gute Idee war es, die Handlung so anzulegen, dass sich herausstellt, dass auch Tekeny in
seiner Vergangenheit Fehler begangen hat und beim Militär an der Tötung von 15 bajoranischen Mönchen
beteiligt war. Somit wird hier der Eindruck verstärkt, dass man in Kriegszeiten kein simples
Schwarz-Weiß-Schema anwenden kann und es eben keine einfache Einteilung in die "Guten" und die
"Bösen" gibt, und letztlich jeder seine Schuld auf sich geladen hat. Es war gut, Tekeny nicht als
Heiligen hinzustellen, der immer nur das Richtige getan hat, sondern auch ihn als mehrdimensionalen
Charakter mit Ecken und Kanten darzustellen.
Die Figur des Tekeny Ghemor ist allgemein sehr gut und vielschichtig gelungen. Deep Space Nine ist
ohne Frage bis heute die Science Fiction-Serie mit dem gelungensten, interessantesten und am besten
ausgearbeiteten Figurenpotenzial überhaupt. Dabei ist vor allem erstaunlich, in welcher Zahl diese gut
durchdachten Charaktere auftreten. Neben den Hauptpersonen, die wie bei allen Star Trek-Serien
sympathisch sind und zu überzeugen wissen, gibt es eine stattliche Anzahl an Nebenpersonen, wie
Kai Winn, Garak oder Dukat, die von Beginn an mehrdimensional angelegt sind, immer wieder für
Überraschungen sorgen und von ihren jeweiligen Darstellern perfekt gespielt werden. Aber auch bei den
Charakteren, die nicht ganz so zahlreich erscheinen, legt DS9 eine Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit
an den Tag, von der viele andere Serien weit entfernt sind. Tekeny Ghemor zählt ohne Frage zu diesen
Charakteren.
Eigentlich schade, dass Ghemor hier schon wieder sterben musste. Sein Charakter hätte in vielen
späteren Folgen auf interessante Weise einbezogen werden können, doch offensichtlich wollte man einen
weiteren wiederkehrenden Charakter vermeiden. Schade, die Serie betreibt hier leider etwas mutwillige
Zerstörung von gutem Nebenfigurenpotenzial.
Mit "Die Überwindung" schaffen die Autoren wieder einmal den Beweis dafür, dass sie inzwischen die
Gratwanderung zwischen Fortführung oder Einbeziehung der Rahmenhandlung und einer starken Einzelepisode
perfekt beherrschen. Auf geschickte Weise werden hier die neuen politischen Gegebenheiten in ein
Charakterdrama rund um Kira und Ghemor eingefügt. Zusätzlich gibt man Dukat und Weyoun die Gelegenheit,
einen Gastauftritt zu absolvieren.
In dieser Episode erfährt man auch mal wieder ein paar Details über Kiras Vergangenheit, zum Beispiel,
dass sie nicht bei ihrem Vater war, als dieser starb, weil sie zu dieser Zeit ein Kommandounternehmen
für den Widerstand mitmachte. Die Rückblenden, die uns diese Ereignisse näher bringen, fallen leider
alle etwas eintönig aus und lenken meist eher von der eigentlichen Handlung ab. Dass sie auch wieder
einmal in den üblichen Höhlenkulissen stattfinden, die die Produzenten von Star Trek offensichtlich
immer noch viel zu sehr mögen, macht das Ganze auch nicht besser. Auch die Äußerungen über die
Besatzungszeit kommen leider nicht über die üblichen "Wie schlimm war es doch damals"-Monologe hinweg.
Etwas merkwürdig war die Herleitung der Handlung. Von einem cardassianischen Ritual, nach dem
sterbende Cardassianer ihre Geheimnisse an die Familie weitergeben, hat man noch nie etwas gehört.
Das Ganze wirkte etwas arg aus dem Hut gezaubert. Warum dieses unglaubwürdige Ritual überhaupt
eingeführt wurde blieb unklar. Warum konnte Tekeny nicht einfach so seine Informationen weitergeben,
warum war dazu ein Ritual nötig?
Leider erwiesen sich auch die ach so wichtigen Informationen von Ghemor als Enttäuschung. Auf diese
wurde nie wieder zurückgegriffen, es wurde auch nie erwähnt, ob sie der Föderation nun
etwas genutzt haben oder nicht. Hier wäre es gut gewesen, wenn man die Informationen noch einmal
erwähnt hätte oder wenn Ghemor sogar für den Zuschauer interessante Dinge ausgeplaudert hätte. So
hat man irgendwie den Eindruck, dass das Ganze umsonst war.
Leider kam es auch zu keinem Treffen zwischen Garak und Ghemor, was besonders schade ist, da Ghemor
Kira in 3.05: Die zweite Haut ausdrücklich vor Garak gewarnt hat.
Besonders gelungen war die Nebenhandlung mit erstklassigen Auftritten von Dukat und Weyoun. Hier gab
es einmal mehr packende Dialoge zwischen Sisko und Dukat, die durch Weyouns ironische Kommentare
perfekt ergänzt wurden.
Dukat hatte auch in dieser Folge weiterhin den Titel des Gul, da die Autoren sich einig waren, dass
Legat Dukat nicht besonders gut klingt. Das Ganze wurde damit begründet, dass Dukat den Titel des
Guls freiwillig wählte, da er in diesem die größere Tradition und Ehre sah.
Ein erfreuliches Wiedersehen gab es mit Weyoun, der bei seinem letzten Auftritt in
4.23: Die Abtrünnigen eigentlich getötet worden war. Es war ein guter Einfall,
die Vorta zur geklonten Spezies zu machen, denn so können die Autoren die Vortas nach Belieben sterben
lassen, ohne einen Charakter dabei endgültig zu verlieren - ein Vorteil, von dem auch bei Weyoun kräftig
Gebrauch gemacht wird. Gerade bei seiner Auferstehung sollte sich schon bald zeigen, dass sich
dieser Schritt gelohnt hatte, da er schon bald zu einem sehr beliebten und wichtigen wiederkehrenden
Charakter werden sollte. Auch in dieser Folge war Jeffrey Combs' Darstellung des durchtriebenen Vorta
hervorragend und in jedem Moment ein Genuss. Jeder Auftritt von Weyoun ist allein schon das
Einschalten wert.
Es liegt mir ja fern, ewig auf den gleichen Kritikpunkten herumzureiten, aber erneut kommt die
Raumstation DS9 in dieser Folge in Bedrängnis, als Dukat und Weyoun mit nur einem einzigen
Jem'Hadar-Kriegsschiff vor ihr auftauchen. Dies verdeutlicht die Verteidigungslage der Station.
Wo ist überhaupt General Martoks Truppe, die sich doch seit
5.15: Im Lichte des Infernos in der Nähe der Station aufhalten sollte?
Autor Robert Hewitt Wolfe arbeitete kurz vor seinem Ausstieg aus der Serie an dieser Folge noch einmal
ohne seinen Dauerpartner Ira Steven Behr und lieferte damit erneut ein für ihn typisches Charakterstück
ab. Wolfe war wohl schon immer derjenige, der die vielen Charakterszenen in die Drehbücher von Behr
und Wolfe einbrachte und damit den DS9-typischen Erzählstil prägte, bei dem alle politischen Intrigen,
militärischen Schachzüge und Kriege eingebettet in packende Charakterszenen erzählt werden. Wolfe
setzte mit dieser Folge übrigens seinen von ihm selbst verfassten Beitrag
3.05: Die zweite Haut fort.
Die Regie stammt bei dieser Folge wieder einmal von Avery Brooks (Sisko), der ab der 5. Staffel nur
noch einmal pro Jahr auf dem Regiestuhl Platz nahm. Brooks' Leistung hinter der Kamera ist wieder
einmal exzellent.
Insgesamt ist "Die Überwindung" eine ergreifende Folge mit dem guten Gespann Kira-Ghemor und einer
tollen Nebenhandlung um Sisko, Dukat und Weyoun. Lediglich einige Schönheitsfehler und die einfallslos
umgesetzten Rückblenden trüben den Gesamteindruck.
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