Star Trek X: Nemesis
von Malte Kirchner
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Tatsächlich ist die Familie eine Art Oberbegriff in "Star Trek: Nemesis". Picard trifft auf sein geklontes Ebenbild, der genauso gut sein Sohn sein könnte. Data findet B4, der sinnigerweise "Before" (engl.: Davor) ausgesprochen wird, also eine Art Vorfahre sein könnte. Und überhaupt geht es im vierten TNG-Film vor allem um Familienangelegenheiten, nämlich um die Besatzung der Enterprise, die künftig getrennter Wege geht. Und die längst wie eine Familie agiert.
Dass Nemesis – vor allem gemessen am Einspielergebnis - nicht so grandios wurde, wie es die zugrunde liegenden Ideen vermuten lassen, lag vor allem an der Umsetzung des Films. Im Vordergrund der Handlung steht Shinzon, das geklonte Ebenbild Picards. Von den Romulanern erschaffen, wurde er schnell uninteressant für sie und wurde auf den Zwillingsplaneten Remus verbannt.
Shinzon verbannt, Problem gebannt – doch weit gefehlt. Nach zehn Jahren übt Shinzon zusammen mit remanischen Verbündeten den Aufstand. Er putscht gegen die amtierende Regierung und wird tatsächlich Machthaber des romulanischen Imperiums. Unter dem Vorwand, Frieden zu schließen, lockt er Captain Jean-Luc Picard mit der Enterprise zur romulanischen Heimatwelt. Doch im Hinterkopf hat er einen ganz anderen Plan.
Shinzon will Picard töten und die Erde vernichten. Er will sich seiner Wurzeln entledigen, weil er sich dadurch eine eigene Identität erhofft. Er möchte nicht länger nur ein Klon sein. Ein geschaffenes Ebenbild, das – so meint er – stets im Schatten des Originals stehen wird.
Mit tollkühnen Manövern und entgegen seinen Überzeugungen vermag Picard am Ende Shinzon zu stoppen und seine teuflische Waffe außer Kraft zu setzen. Doch der Preis ist hoch: Data "stirbt" während dieses Einsatzes. An seine Stelle tritt der zu Anfang auf einem Planeten von Shinzon als Köder ausgesetzte B4, der jedoch den echten Data nicht ersetzen kann – das ist die Grundbotschaft des Films: Auch identische Kopien werden stets von ihrer Vergangenheit geprägt sein. Keiner ist wie der andere.
Die Special Edition steigert sich, indem sie den Anteil der Extras ein weiteres Mal erhöht. Gewiss: Quantität bedeutet nicht automatisch Qualität. Doch im Fall dieser Special Edition ist es ein Extra an Aufklärung.
Aufklärung vor allem darüber, wo die Schwierigkeiten des Films liegen. Eine kritische Auseinandersetzung darf der Betrachter natürlich nicht erwarten. Die Liebe zum eigenen Produkt und der vermutlich auch im Sinne des Produktes gewollte Grundtenor sind naturgemäß positiv.
Dennoch: Worf-Darsteller Michael Dorn sagt ganz richtig, dass die Figuren in diesem Film ganz anders agierten als vorher. Die Oberbegriffe, die John Logan und seine Mitstreiter beim Schreiben des Films faszinierten, scheinen über den Figuren zu dominieren. Und das ist eben nicht Star Trek, wie der geneigte Fan es zu Serienzeiten kannte.
Der Film scheiterte neben dem allgemeinen Science Fiction-Verdruß vor allem wohl auch daran, dass er die Figuren in einer Weise zeigte, wie sie die Zuschauer noch nie gesehen haben. Und wie sie sie wahrscheinlich auch nie sehen wollten. Mit der Hochzeit von Riker und Troi, der Beförderung Rikers zum Captain und dem Verstreuen der Besatzung über den gesamten Quadranten überschritten die Autoren eine magische Grenze und wagten das, was der TNG-Familie den Boden unter den Füßen wegreißt.
Und mehr noch: Das, was eigentlich einen eigenen Film verdient hätte, verkommt hier auch noch zur Nebensache. Im Vordergrund steht eine bisweilen langatmige Sequenz von Action-Szenen. Ein Kampf gegen das Böse, der zwar in Verbindung zum Grundthema steht, aber doch nicht weiterführt. Denn am Ende ist die Melancholie, das Traurige, noch größer als am Anfang. Es gibt kein glückliches Ende, keinen Hoffnungsschimmer, ja nicht mal einen Erklärungsansatz, der helfen könnte, über dieses final erscheinende Ende hinweg zu kommen.
Die entfernten Szenen auf der Extra-DVD zeigen, wie obendrein noch Material aus dem Film entfernt wurde, das diesen Eindruck hätte mildern können. "Es half der Story nicht", kommentiert Regisseur Stuart Baird den Rauswurf. Eine Fehleinschätzung.
Man mag geteilter Meinung sein. Als Star Trek-Fan kommt man jedoch um den letzten Film nicht herum. Die Special Edition versüßt einem zumindest den Filmgenuss, der bisweilen einen Kloß im Hals hervorruft. Es ist fast schon, als könne man den Film erweitern, ihn in Slow-Motion sehen – das Ende der TNG-Ära noch etwas strecken.
Neben einer allgemeinen Dokumentation über den Film, werden vor allem die Schritte der Produktion ausführlich dargestellt. Weiterhin erfährt der Betrachter einiges über die Romulaner, die bis dato sehr geheimnisvoll waren und sicher auch nach dem Film noch etwas an ihrer Rätselhaftigkeit behalten haben. Wer einmal Einblick in den Papierkram der Produktion haben möchte, wird sich sicher über die Storyboards und Zeichnungen der Requisiten freuen. Diese können in einer Art Diashow angesehen werden. Und zuguterletzt gibt es noch die Trailer zum Film.
Wer den Film noch nicht auf DVD hat und Wert auf Extras legt, sollte sich unbedingt für die Special Edition entscheiden. Alle anderen sollten ihre Bedürfnisse abwägen. Für Käufer der normalen DVD ist der Kauf sicher eine Überlegung wert, jedoch – durch die gute Vorarbeit bei der normalen Version – kein Muss, wie das noch bei Filmen wie "Generations" der Fall war.
Technisch ist die "Special Edition" wie gewohnt brilliant. Die animierten Menüs von den Planeten Romulus und Remus begeistern. Das DVD-Klavier wurde einmal mehr – oder besser gesagt: zum vorerst letzten Mal – in allen Tonlagen gespielt. Abschließend noch ein Kompliment für diese konsequent durchgehaltene sehenswerte Reihe.
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