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Episodenbeschreibung
Sternzeit: Unbekannt
Die Enterprise ist unterwegs im Delos-System, um die
von der dortigen Sonne ausgehenden
Magnetfeldstörungen näher zu beobachten.
Die Systeme der Enterprise werden geringfügig in
Mitleidenschaft gezogen, insgesamt läuft aber alles
gut. Dann erhält man einen Notruf vom
Ornara-Raumfrachter Sanction. Dessen Captain, ein
Mann namens T'Jon, meldet, dass sein Schiff
irgendeine Störung habe und in die Atmosphäre des
4. Planeten in diesem System zu stürzen drohe. Da
er, genau wie die anderen auf dem Schiff, keine
Ahnung von Technik hat, hilft es ihm wenig, dass die
Enterprise ein Ersatzteil herüberbeamen könnte;
wegen der Magnetstürme erscheint es aber wenig
ratsam, Personal von der Enterprise auf die Sanction
zu beamen, um selbst Hand anzulegen. Der
Traktorstrahl versagt ebenfalls, und als die Zeit
davonläuft, beschließt man, die Transportersysteme
der beiden Schiffe zu koppeln, um wenigstens die Crew
der Sanction zu retten. Jene ist zumindest in der
Lage, beim Koppeln der Transporter zu helfen, beamt
aber zunächst einmal einen Teil ihrer Ladung, drei
große Zylinder, auf die Enterprise. Im letzten
Moment versucht Tasha, T'Jon und seine Crew
herüberzubeamen, doch von den sechs Personen kommen
nur vier an, für die anderen beiden kann man nichts
mehr tun, als die Sanction in der Atmosphäre des
Planeten verglüht.
T'Jon stellt sich und seinen Begleiter Romas vor;
beide Ornaraner tragen alte, ungepflegte Kleidung und
wirken ziemlich nervös - ganz im Gegensatz zu den
beiden anderen Geretteten: Sobi und seine Begleiterin
Langor vom Planeten Brekka tragen feinste Stoffe und
machen insgesamt einen sehr gepflegten Eindruck.
Riker und Tasha staunen nicht schlecht, als alle vier
Gäste erst einmal die Ladung sehen wollen, ohne
einen Gedanken an die Getöteten zu verschwenden. Als
sich die Besucher überzeugt haben, dass die Ladung
in Ordnung ist, entbrennt sofort ein Streit zwischen
ihnen: T'Jon und Romas bestehen darauf, dass ihnen
die Ladung gehöre, immerhin hätten sie dafür
bezahlt. Sobi und Langor hingegen meinen, dass die
Ladung ihnen gehöre, da die Bezahlung mit der
Sanction verglüht ist, sie also nicht entlohnt
wurden. Die Fronten heizen sich auf, und schließlich
gehen sich T'Jon und Sobi gegenseitig an den Kragen,
wobei sich zeigt, dass ihre Körper elektrisch
geladen sind. Tasha unterbricht die Streitenden mit
einem schwachen Phaserschuss und bittet um
Mäßigung; anschließend lässt sie die Gäste in
die Beobachtungslounge eskortieren.
Picard,
bereits über die Vorfälle informiert, lässt sich
von Data berichten, dass nur vor 200 Jahren ein
Föderationsschiff einmal Kontakt mit den Ornaranern
hatte; jene waren damals kurz davor, die Raumfahrt zu
entwickeln - haben es aber in den letzten zwei
Jahrhunderten offenbar nicht sehr weit gebracht.
In der Beobachtungslounge wird Picard dann auch
persönlich Zeuge der Streitigkeiten zwischen den
beiden Parteien. Gleich bei seinem Eintreten bittet
T'Jon ihn, die Ladung den Ornaranern zu überlassen,
da es um Leben und Tod gehe. Wie sich zeigt, leiden
die Ornaraner seit knapp 200 Jahren an einer Seuche,
die sich nicht heilen lässt. Allerdings wächst auf
Brekka eine Pflanze, aus der man das Mittel Felicium
gewinnen kann, das bei regelmäßiger Einnahme die
Krankheitssymptome zu 100% bekämpft und den
Ornaranern somit ein vollkommen normales Leben
ermöglicht.
Was dies anbelangt, kann Picard nicht viel
unternehmen, denn gemäß den Gesetzen der
Sternenflotte darf er sich nicht einmischen,
stattdessen müssen die beiden Parteien ihren Streit
untereinander klären. Wo Picard jedoch helfen kann,
ist der Bereich der Technik: Die wenigen
verbleibenden Frachter der Ornara sind, ähnlich wie
die Sanction, kaum noch einsatzbereit. Picard willigt
ein, ihnen die nötigen Ersatzteile zur Verfügung zu
stellen, damit die Ornaraner ihre Schiffe wieder in
Betrieb nehmen können.
Bezüglich des Mittels bleiben Sobi und Langor hart:
Sie haben ihre Bezahlung nicht erhalten, also können
sie die Ladung, die wegen der überaus komplizierten
Produktion des Feliciums immens wertvoll ist, den
Ornaranern nicht überlassen, obgleich sie deswegen
wie Monster erscheinen müssen.
Die Streitigkeiten werden zunächst einmal
unterbrochen, als Picard erfährt, dass T'Jon und
Romas selbst infiziert sind und folgert, dass die
Seuche nun möglicherweise auch auf der Enterprise um
sich greifen könnte - wegen der Sonnenaktivitäten
sind beim Beamen die Biofilter möglicherweise nicht
ausreichend arbeitsfähig gewesen.
Beverly
macht sich an eine Untersuchung der Ornaraner, kann
bei ihnen aber keine Krankheitserreger finden, und
auch die Crew der Enterprise scheint nicht infiziert
zu sein. Die Seuche gibt ihr einige Rätsel auf, aber
sie ist sich sicher, dass T'Jon und Romas dringend
das Mittel benötigen, da sie schwer krank wirken,
sich kaum konzentrieren können und ziemlich schwach
auf den Beinen sind.
Von
Beverly und T'Jon gedrängt, redet Picard mit den
Brekkianern, und schließlich willigt Langor ein,
zumindest T'Jon und Romas eine Dosis geben zu lassen.
Als man aus den Frachtbehältern eine Dosis entnimmt,
erläutert Sobi, dass die Brekkianer das
Destillationsverfahren für die Herstellung des
Feliciums in den letzten Jahrhunderten deutlich
weiterentwickelt hätten; die in den drei Zylindern
enthaltene Menge hätte zu Zeiten seines Großvaters
noch fünf Frachträume eingenommen. Auch erfährt
man, dass die Ornaraner etwa alle 72 Stunden eine
Dosis benötigen, da sich spätestens dann die
Krankheitserscheinungen einstellen. Wie Sobi zudem
erläutert, verfügt Brekka über keine andere
Industrie als jene zur Gewinnung dieses Mittels:
Alles, was sie zum Leben benötigen, erhalten sie von
den Ornaranern im Austausch gegen das Mittel.
T'Jon
und Romas sind extrem erleichtert, als sie sich eine
Injektion verabreichen dürfen - und Beverly teilt
Jean-Luc kurz darauf mit, was sie beobachtet hat: Das
Mittel wirkt bei den beiden wie ein Rauschgift.
Wenige Sekunden nach der Injektion waren sie wie
ausgetauscht, es ging ihnen plötzlich großartig.
Sie folgert, dass alle Ornaraner offenbar vom
Felicium abhängig sind...
Indes
hat Data einige Nachforschungen angestellt: Die
Ornaraner hatten eine blühende Kultur und waren
technisch sehr weit entwickelt, als die Seuche
ausbrach. Die weniger weit entwickelten Brekkianer
waren die einzigen, die ihnen helfen konnten, denn
nur auf ihrem Planeten wuchs die kurzzeitige Heilung
versprechende Pflanze, und alle Versuche, diese auf
Ornara zu kultivieren, schlugen fehl. Wie Beverley
meint, ist die Seuche längst ausgerottet, das
"Heilmittel" fungiert nur noch als Droge -
ohne, dass die Ornaraner dies wissen.
Dann kommt ein Ruf von der Ornara-Heimatwelt: Man
will T'Jon sprechen, um ihm zu sagen, dass die
Bevölkerung leidet. Noch nie sei es so schlimm
gewesen. Es wäre absolut dringend erforderlich, dass
T'Jon das Heilmittel nach Ornara bringt, von den
Problemen, die sich ergeben haben, will man nichts
wissen.
Indes
wendet sich Wesley an Data: Er kann nicht verstehen,
warum jemand freiwillig drogensüchtig werden will.
Data und Tasha erklären ihm, dass niemand das will,
es passiert jedoch jenen, die eine Droge nehmen, um
mit deren Hilfe scheinbar ihren Problemen zu
entfliehen. Nimmt man Drogen anfangs, um sich gut zu
fühlen, so wird man sie bald nur noch nehmen, um
sich nicht schlecht zu fühlen. Als Wes meint, dass
er es immer noch nicht versteht, meint Tasha
lächelnd, sie hoffe, dass er das auch nie wird.
Nach
dem Gespräch mit seiner Heimatwelt sieht T'Jon
keinen Ausweg mehr: Er schnappt sich Riker, setzt ihn
unter Strom und droht, ihn zu töten, sollte Picard
ihm nicht das Heilmittel ausliefern. Picard gelingt
es, die Situation zu retten: Er erkennt, dass T'Jon
kein Killer ist und Riker nicht töten wird. T'Jon
lässt von Riker ab und bettelt förmlich, Picard
solle sich für ihn einsetzen. Jener hat das auch
vor: Zusammen mit Beverly stattet er den Brekkianern
in ihrem Gästequartier einen Besuch ab.
Die zeigen sich plötzlich ungewohnt diplomatisch:
Sie stimmen zu, den Ornaranern das Heilmittel zu
überlassen, die Bezahlung könne man auch später
noch erhalten. Picard hatte das bereits erwartet: Ihm
ist klargeworden, dass die Brekkianer über alles
Bescheid wissen. Sie nutzen die Sucht der Ornaraner
aus, um von deren Lebensmittellieferungen zu
profitieren. Die Oberste Direktive verbietet Picard,
sich einzumischen. Folglich darf er den Ornaranern
nicht sagen, dass sie längst von der Seuche geheilt
sind und nur noch an den Entzugserscheinungen leiden,
nicht jedoch an einer tödlichen Krankheit. Langor
stimmt ihm hämisch grinsend zu:
"Sie haben es richtig erkannt, Captain: Das
Ganze geht Sie überhaupt nichts an."
Trotz
Beverlys vehementer Einwände bleibt Picard keine
Wahl. Als man im Orbit von Ornara angekommen ist,
ruft er die Gäste in den Frachtraum, wo T'Jon und
Romas überglücklich sind, dass man ihnen das
Heilmittel nun doch überlässt. Sie bedanken sich
bei Picard und den Brekkianern für die Rettung ihres
Volkes. Doch Picard hat eine unangenehme Botschaft
für die beiden: Leider kann er ihnen die
Ersatzteile, die sie für die Reparatur ihrer Schiffe
benötigen, nicht zur Verfügung stellen.
Bestürzt mischen sich Sobi und Langor ein und
verweisen auf die Oberste Direktive, auf die
Nicht-Einmischung. Genau dies, so Picard, sei der
Grund, aus dem er die Ersatzteile nicht herausgeben
kann. T'Jon erklärt, dass sein Volk sterben wird,
wenn man die Schiffe nicht wieder flott bekommt, doch
Beverly meint, die Ornaraner sollten etwas mehr
Selbstvertrauen haben, dann würden sie ihre Probleme
schon lösen. T'Jon erwidert:
"Captain...
ich hoffe, Ihnen ist klar, was sie uns da
antun!"
"Da können Sie ganz sicher sein - alles
Gute."
Dann
werden alle Gäste, und natürlich ihre wertvolle
Fracht, nach Ornara gebeamt, und Jean-Luc erklärt
Beverly im Turbolift, dass es keine andere
Entscheidung geben konnte: Wann immer der Mensch in
der Vergangenheit versuchte, sich in die Belange
weniger weit entwickelter Kulturen einzumischen,
waren die Ergebnisse ausnahmslos verheerend, selbst
wenn die Eingriffe noch so gut gemeint gewesen waren.
Beverly, der am ehesten klar ist, welche Qualen die
Ornaraner bei dem wohl bevorstehenden Entzug zu
erleiden haben werden, ist nicht besonders glücklich
mit der Art, wie dieses Problem gelöst wurde,
versteht aber auch, warum Picard so handeln musste.
Auf der Brücke angekommen überlässt der Captain
Geordi die Wahl des nächsten Zieles, Hauptsache, man
würde dieses System schnell verlassen. Geordi wählt
Kurs 970,318, das Opralan-System, und erläutert
diese Wahl mit folgenden Worten:
"Neugierde - wir waren noch nie da."
Bewertung
Und mit jenen Worten geht es dann auf in neue
Abenteuer. Dabei ist diese Flucht eigentlich gar
nicht nötig: "Die Seuche" ist eine
durchaus ansehnliche Episode, die sich auf zunächst
hintergründige Weise mit der Thematik von
Drogenabhängigkeit auseinandersetzt. Dabei stören
die mitunter sehr plumpen Anspielungen auf heutige
Probleme, aber im Großen und Ganzen kann man der
Episode ein gutes Urteil ausstellen. Das Ganze im
Detail:
Die
Story entwickelt sich sehr gut. Das eigentliche
Kernthema wird erst recht spät enthüllt, die sonst
häufig gegebene Vorhersehbarkeit hält sich dadurch
in Grenzen. Aufgrund der recht eindeutig
dargestellten Sympathieverteilung zu Gunsten der
Ornaraner T'Jon und Romas ist schnell klar, wer gut
und wer böse ist, aber zumindest die Gründe
hierfür bleiben einige Zeit verborgen. Auch wird
teilweise ein Verwirrspiel mit dem Zuschauer
getrieben. Durch ihre Art wirken die Brekkianer ab
Beginn unsympathisch. Als sie jedoch ihre Gründe
erläutern, ist man geneigt, ihnen zu glauben und sie
für Geschäftsleute zu halten, die zwar nicht
unbedingt sonderlich mitleidig sind, die aber
durchaus ein Gewissen haben. Als sie sich dann
entscheiden, T'Jon und Romas je eine Dosis des
Feliciums zu überlassen, meint man fast, sie
könnten vielleicht doch gar nicht so schlecht sein,
wie es zunächst schien. An dieser Stelle greifen
aber dann leider wieder die Gesetze Hollywoods, denn
natürlich zeigt sich bald darauf, dass das gesamte
Handeln der Brekkianer nur dem Eigennutz dient -
gäben sie den Ornaranern das Heilmittel nicht,
würde ihr 200 Jahre dauernder Schwindel auffliegen,
und ihr angenehmes Leben wäre vorbei; plötzlich
wären sie gezwungen, sich selbst um ihre Versorgung
zu kümmern. Auf der einen Seite werden ihre Gründe
dadurch zwar erläutert, aber letztlich stellt die
Episode sie doch als skrupellose Egoisten dar, denen
das von ihnen tolerierte Leid vollkommen egal ist,
die noch nicht einmal Schuldgefühle empfinden.
Auf
ähnliche Weise werden auch die beiden Ornaraner
abwechselnd gut und schlecht bewertet. Ihre etwas
ungehobelte Art und ihre schlechten Manieren
prädestinieren sie nicht gerade zu bedingungslos
positiv zu bewertenden Personen, doch auch wenn T'Jon
mitunter die Beherrschung verliert, sieht er doch
seine Fehler jeweils ein und entschuldigt sich
dafür: So geschehen, als er Picard vorwirft, am
Völkermord beteiligt zu sein, und auch, als er
droht, Riker zu töten. Zwar entschuldigt er sich
dafür nicht, doch sieht man ihm an, dass es ihm leid
tut. Dass er von Riker ablässt, ist sein
Eingeständnis, dass er kein skrupelloser,
kaltblütiger Mörder ist, sondern vielmehr ein in
die Ecke gedrängter und vollkommen verzweifelter
Mann, der fast alles tun würde, um sein Volk zu
retten - aber eben nur fast alles, denn töten kann
er für diesen Zweck nicht. Spätestens in jener
Szene ist klar, dass die Ornaraner die Unschuldigen
sind, und dass tatsächlich sie es sind, denen
geholfen werden muss. Wie sich zeigt, haben sie ihre
Misere nicht selbst verschuldet, sondern tun alles,
um einfach nur am Leben zu bleiben. Der Zustand ihrer
Schiffe, die abgetragene Kleidung, alles deutet
darauf hin, dass ihr Volk hart schuften muss, um den
Brekkianern das Heilmittel zu bezahlen.
Die
folgende Aufklärung der Gesamtlage ist dann
gewissermaßen nur noch eine Formalität. Dass die
Episode, wie oben erwähnt, trotzdessen nicht als
vorhersehbar zu bezeichnen ist, liegt daran, dass
diese endgültige Auflösung erst weit gegen Ende
geliefert wird.
Soviel
erst einmal zur Vordergrundhandlung. Es ist wohl
klar, welche Aussage mit dieser Episode
hintergründig transportiert werden soll: Nämlich,
dass Drogen und Sucht schlecht sind. Da die Ornaraner
nichts von ihrem Schicksal ahnen, können sie
natürlich auch nichts dagegen unternehmen, das
Schicksal, wie auch die Brekkianer, spielen ihnen
übel mit. Folglich soll sich jeder vernünftig
denkende Mensch fragen, wie jemand ernsthaft
drogenabhängig sein kann, wenn er sich über diese
Abhängigkeit im Klaren ist. Es wird kein Hehl daraus
gemacht, dass der Entzug schwierig wird, insbesondere
in diesem Fall, wo keine Ersatzdroge zur Verfügung
gestellt werden kann. Ein dezenter Hinweis, dass
beispielsweise Heroinsüchtigen Methadon zur
Verfügung steht, es ihnen also eigentlich leichter
fallen sollte als den Ornaranern, sich von ihrer
Sucht zu befreien? Oder einfach nur eine generelle
Abrechnung mit Drogensucht?
Die Ornaraner sind die unschuldigen Süchtigen,
während die Brekkianer die skrupellosen Dealer
verkörpern. In jedem Fall ist es der Episode sehr
positiv anzurechnen, dass das Thema auf recht
hintergründige Art aufgegriffen wurde.
Jedoch
gibt es dann auch einige Aspekte, die dieser
Hintergründigkeit im Weg stehen. Da wäre an
allererster Stelle die Szene mit Wesley zu nennen,
der einmal mehr vor Naivität übersprudelt, als er
fragt, warum jemand eigentlich freiwillig süchtig
wird. Tashas Erklärung ist so plump, dass kein
Sozialarbeiter je auf die Idee kommen dürfte, auf
diese Weise jemandem zu erklären, weshalb Leute
Drogen nehmen. Man kann sagen, dass diese Szene die
Naivität der Serie, welche gerade während der
ersten ein, zwei Staffeln besonders vorherrschte,
sehr deutlich widerspiegelt. Star Trek versucht sich
des Themas anzunehmen, was ja auch sehr lobenswert
ist, tritt aber dabei ins Fettnäpfchen, da die
Hintergründigkeit einer für Erwachsene
interessanten Episode durch die Vordergründigkeit
einer höchstens für kleine Kinder interessanten
Szene kaputt gemacht wird. Auf ähnliche Weise wird
auch das Thema Alkohol bei der Next Generation
behandelt, und auch Beziehungsprobleme wirken bei TNG
selten gut inszeniert.
Dies mag aber auch mit dem Herstellungszeitpunkt zu
tun haben; in den seit der Erstausstrahlung
vergangenen mehr als 10 Jahren hat sich Hollywood bei
der Behandlung insbesondere des Themas Drogen
deutlich gewandelt und ist weg von der
stiefmütterlichen Art und hin zu einer mehr am Kern
der Sache liegenden Betrachtung übergegangen, und
auch das britische Kino zeigt beispielsweise mit
"Trainspotting", dass ein Film über
Drogensucht am ehesten glaubwürdig ist, wenn man ihn
aus der Perspektive eines Süchtigen zeigt.
Genug
jedoch davon, ein wenig sollte noch auf die
Charaktere eingegangen werden: Am meisten zu tun
haben Beverly und Jean-Luc. Beide Charaktere sind,
obwohl die Sternenflotte sich eigentlich
herauszuhalten hat, eng in die Streitigkeiten
zwischen den beiden Parteien eingebunden, und an
ihrem Beispiel wird gezeigt, wie unterschiedlich die
vorliegende Situation bewertet werden kann. Während
Beverly in erster Linie das Wohlergehen der Ornaraner
im Sinn hat, muss Picard wie immer etwas weiter
denken; ganz weit vorne in seinen Gedanken dürfte
hier die Oberste Direktive stehen, denn sie verbietet
ihm eine Einmischung. Man merkt, dass es ihm
Unbehagen bereitet, nichts tun zu können, aber
zugleich scheint es ihm auch Rückhalt und Sicherheit
zu geben. Er wirkt zunächst unentschlossen, weigert
sich, zu handeln; Beverly drängt ihn, etwas zu
unternehmen, doch er wartet erst einmal ab. Es zeigt
sich, dass dieses Vorgehen goldrichtig war. Jedes
voreilige Handeln hätte wohl unüberschaubare Folgen
nach sich gezogen, denn, wie Picard auch schnell
erkannte, es fehlten ihm in dem Puzzle noch einige
Teile. Entsprechend tat er nichts, bevor er nicht das
Puzzle zusammengesetzt hatte. Als ihm klar war, dass
die Brekkianer von der Wirkung des Feliciums wissen
und den Ornaranern mit Absicht das Wissen über deren
längst eingetretene Heilung vorenthielten, war es
schließlich ein leichtes, eine vernünftige
Entscheidung zu treffen: Indem er sich an die Oberste
Direktive hält, macht er alles richtig, ohne gegen ein
einziges Gesetz zu verstoßen: Er überlässt die
Ornaraner ihrer angeblichen Misere und hofft, dass
sie mehr oder weniger zwangsläufig von ihrer
Gesundung erfahren. Zugleich ist damit aber die
Existenz der Brekkianer bedroht: Sollten die
Ornaraner mit Unverständnis und Wut reagieren,
stünden die Brekkianer von heute auf morgen ohne
Lebensmittel und Verbrauchsgüter da. Hier kann man
nur hoffen, dass sich die beiden Kulturen auf einer
gesünderen geschäftlichen Basis einigen werden. Es
erfreut in jedem Fall, dass die Episode nicht mit
einem eindeutigen Happy-End beschlossen wird. In
dieser Hinsicht erinnert sie stark an
2.18 Der Planet der Klone
in der zweiten Staffel.
Bleiben
bezüglich der Logik einige offene Fragen: Es wird
zwar nichts gesagt über die Lebensspanne der
Ornaraner, aber da sie im wesentlichen den Menschen
stark ähneln, ist die Theorie, dass sie etwa gleich
alt werden, wohl nicht ganz unbegründet. Daraus
lässt sich ableiten, dass seit Ausbruch der Seuche
mehrere Generationen geboren worden sein dürften -
und hier wird es interessant: Wird den Neugeborenen
bereits das Felicium gegeben? Da sie de facto nicht
krank sind, ist es möglich, dass sie keine
Krankheits- (also eigentlich Entzugs-) -erscheinungen
zeigen. Auf der anderen Seite wäre es möglich, dass
sie aufgrund des Konsums ihrer Eltern bereits
süchtig geboren werden und dadurch schon kurz nach
der Geburt mit der Droge versorgt werden müssen.
Stellt sich dennoch die Frage, ob in 200 Jahren nicht
ein einziger Fall aufgetreten ist, wo Personen, die,
aus welchen Gründen auch immer, unter Dauerentzug
litten, von ihrer Sucht geheilt waren; den Ornaranern
hätte dann klar werden müssen, dass diese Leute
auch ohne Einnahme des Heilmittels die Seuche
überleben. Es wäre natürlich auch denkbar, dass so
etwas als Wunderheilung, himmlische Intervention oder
ganz einfach als nicht erklärbar abgetan würde,
dennoch wäre es nett gewesen, in ein oder zwei
Sätzen auf solche nicht unwahrscheinlichen
Situationen einzugehen.
Noch
kurz zu den Gaststars: Mit Merritt Butrick (T'Jon)
und Judson Scott (Sobi) sind zwei Star Trek-Veteranen
vor Ort.
Ersterer war im zweiten und
dritten Kinofilm als
Kirks Sohn David Marcus zu sehen. Judson Scott war
ebenfalls in
"Star Trek II: Der Zorn des Khan"
mit von der Partie, allerdings als
Gegenspieler Kirks: In der Rolle des Joachim war er
Khans Erster Offizier. Zwar gab es in jenem Film
keine direkten Duelle zwischen den von Scott und
Butrick dargestellten Charakteren, aber es ist sicher
kein Zufall, dass sie in dieser TNG-Episode erneut
als Kontrahenten zu sehen sind, denn zumindest
Butrick hatte ansonsten recht wenige Auftritte
vorzuweisen; er verstarb im Jahr 1989 an AIDS. Scott
andererseits war in ziemlich vielen Produktionen als
Killer bzw. Bösewicht bzw. Handlanger der Woche zu
sehen; zwar ist die Rolle des Sobi hier ebenfalls
eindeutig negativ geprägt, aber zumindest dürfte es
doch einer seiner ausgeglicheneren Auftritte im TV
gewesen sein. Schade ist dennoch, dass man nicht den
Mut aufbringt, Schauspieler wie ihn bei Star Trek
einmal gegen den Strich zu besetzen, also ihm die
Rolle eines Guten zu geben (obwohl an dieser Stelle
anzumerken ist, dass so etwas beisielsweise mit
Andrew Robinson alias Garak bei DS9 durchaus
vorgekommen ist, denn dessen erster populärer
Auftritt war der des Killers in "Dirty
Harry" (Teil 1)). Anzumerken ist noch Scotts
Auftritt als Cmdr. Rekar in der VOY-Episode
4.14 Flaschenpost.
Bleibt noch der vorgezogene Abschiedsgruß zu erwähnen: Als Picard
und Crusher am Ende der Episode den Frachtraum verlassen, sieht
man im Hintergrund Tasha winken - in
1.23 Die schwarze Seele wird sie
bekanntlich getötet. Die beiden Episoden wurden aber in umgekehrter
Reihenfolge produziert, so dass dies in Wirklichkeit eine von Denise
Crosbys letzten Szenen war. Vielen Dank an unseren Leser Michael
Otto für diesen Hinweis.
Viel
mehr bleibt nicht über "Die Seuche" zu
erwähnen. Vielleicht noch ein Wort zu den Effekten:
Für die erste Staffel nicht schlecht, aber den
Begriff "überragend" verdienen sie ganz
sicher ebenfalls nicht. Die Musik nutzt die
üblichen, nicht sehr atmosphärischen Synthesizer
und ist daher auch nicht hitverdächtig. Durch das
Verwirrspiel, das lange Zeit aufrecht erhalten
bleibt, ist durchaus eine unterschwellige Spannung
vorhanden, vordergründig ist diese jedoch nicht so
groß, da die Ausrottung der Ornaraner durch eine
falsche Entscheidung Picards zu keinem Zeitpunkt als
Möglichkeit plausibel ist.
Insgesamt handelt es sich um eine interessante Episode, die die
üblichen Schwächen der ersten Staffel aufweist.
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