DSi

TNG 1.22 Die Seuche


Symbiosis

von Yann-Patrick Schlame

Episodenbeschreibung

Sternzeit: Unbekannt
Die Enterprise ist unterwegs im Delos-System, um die von der dortigen Sonne ausgehenden Magnetfeldstörungen näher zu beobachten.
Die Systeme der Enterprise werden geringfügig in Mitleidenschaft gezogen, insgesamt läuft aber alles gut. Dann erhält man einen Notruf vom Ornara-Raumfrachter Sanction. Dessen Captain, ein Mann namens T'Jon, meldet, dass sein Schiff irgendeine Störung habe und in die Atmosphäre des 4. Planeten in diesem System zu stürzen drohe. Da er, genau wie die anderen auf dem Schiff, keine Ahnung von Technik hat, hilft es ihm wenig, dass die Enterprise ein Ersatzteil herüberbeamen könnte; wegen der Magnetstürme erscheint es aber wenig ratsam, Personal von der Enterprise auf die Sanction zu beamen, um selbst Hand anzulegen. Der Traktorstrahl versagt ebenfalls, und als die Zeit davonläuft, beschließt man, die Transportersysteme der beiden Schiffe zu koppeln, um wenigstens die Crew der Sanction zu retten. Jene ist zumindest in der Lage, beim Koppeln der Transporter zu helfen, beamt aber zunächst einmal einen Teil ihrer Ladung, drei große Zylinder, auf die Enterprise. Im letzten Moment versucht Tasha, T'Jon und seine Crew herüberzubeamen, doch von den sechs Personen kommen nur vier an, für die anderen beiden kann man nichts mehr tun, als die Sanction in der Atmosphäre des Planeten verglüht.
T'Jon stellt sich und seinen Begleiter Romas vor; beide Ornaraner tragen alte, ungepflegte Kleidung und wirken ziemlich nervös - ganz im Gegensatz zu den beiden anderen Geretteten: Sobi und seine Begleiterin Langor vom Planeten Brekka tragen feinste Stoffe und machen insgesamt einen sehr gepflegten Eindruck. Riker und Tasha staunen nicht schlecht, als alle vier Gäste erst einmal die Ladung sehen wollen, ohne einen Gedanken an die Getöteten zu verschwenden. Als sich die Besucher überzeugt haben, dass die Ladung in Ordnung ist, entbrennt sofort ein Streit zwischen ihnen: T'Jon und Romas bestehen darauf, dass ihnen die Ladung gehöre, immerhin hätten sie dafür bezahlt. Sobi und Langor hingegen meinen, dass die Ladung ihnen gehöre, da die Bezahlung mit der Sanction verglüht ist, sie also nicht entlohnt wurden. Die Fronten heizen sich auf, und schließlich gehen sich T'Jon und Sobi gegenseitig an den Kragen, wobei sich zeigt, dass ihre Körper elektrisch geladen sind. Tasha unterbricht die Streitenden mit einem schwachen Phaserschuss und bittet um Mäßigung; anschließend lässt sie die Gäste in die Beobachtungslounge eskortieren.

Picard, bereits über die Vorfälle informiert, lässt sich von Data berichten, dass nur vor 200 Jahren ein Föderationsschiff einmal Kontakt mit den Ornaranern hatte; jene waren damals kurz davor, die Raumfahrt zu entwickeln - haben es aber in den letzten zwei Jahrhunderten offenbar nicht sehr weit gebracht.
In der Beobachtungslounge wird Picard dann auch persönlich Zeuge der Streitigkeiten zwischen den beiden Parteien. Gleich bei seinem Eintreten bittet T'Jon ihn, die Ladung den Ornaranern zu überlassen, da es um Leben und Tod gehe. Wie sich zeigt, leiden die Ornaraner seit knapp 200 Jahren an einer Seuche, die sich nicht heilen lässt. Allerdings wächst auf Brekka eine Pflanze, aus der man das Mittel Felicium gewinnen kann, das bei regelmäßiger Einnahme die Krankheitssymptome zu 100% bekämpft und den Ornaranern somit ein vollkommen normales Leben ermöglicht.
Was dies anbelangt, kann Picard nicht viel unternehmen, denn gemäß den Gesetzen der Sternenflotte darf er sich nicht einmischen, stattdessen müssen die beiden Parteien ihren Streit untereinander klären. Wo Picard jedoch helfen kann, ist der Bereich der Technik: Die wenigen verbleibenden Frachter der Ornara sind, ähnlich wie die Sanction, kaum noch einsatzbereit. Picard willigt ein, ihnen die nötigen Ersatzteile zur Verfügung zu stellen, damit die Ornaraner ihre Schiffe wieder in Betrieb nehmen können.
Bezüglich des Mittels bleiben Sobi und Langor hart: Sie haben ihre Bezahlung nicht erhalten, also können sie die Ladung, die wegen der überaus komplizierten Produktion des Feliciums immens wertvoll ist, den Ornaranern nicht überlassen, obgleich sie deswegen wie Monster erscheinen müssen.
Die Streitigkeiten werden zunächst einmal unterbrochen, als Picard erfährt, dass T'Jon und Romas selbst infiziert sind und folgert, dass die Seuche nun möglicherweise auch auf der Enterprise um sich greifen könnte - wegen der Sonnenaktivitäten sind beim Beamen die Biofilter möglicherweise nicht ausreichend arbeitsfähig gewesen.

Beverly macht sich an eine Untersuchung der Ornaraner, kann bei ihnen aber keine Krankheitserreger finden, und auch die Crew der Enterprise scheint nicht infiziert zu sein. Die Seuche gibt ihr einige Rätsel auf, aber sie ist sich sicher, dass T'Jon und Romas dringend das Mittel benötigen, da sie schwer krank wirken, sich kaum konzentrieren können und ziemlich schwach auf den Beinen sind.

Von Beverly und T'Jon gedrängt, redet Picard mit den Brekkianern, und schließlich willigt Langor ein, zumindest T'Jon und Romas eine Dosis geben zu lassen. Als man aus den Frachtbehältern eine Dosis entnimmt, erläutert Sobi, dass die Brekkianer das Destillationsverfahren für die Herstellung des Feliciums in den letzten Jahrhunderten deutlich weiterentwickelt hätten; die in den drei Zylindern enthaltene Menge hätte zu Zeiten seines Großvaters noch fünf Frachträume eingenommen. Auch erfährt man, dass die Ornaraner etwa alle 72 Stunden eine Dosis benötigen, da sich spätestens dann die Krankheitserscheinungen einstellen. Wie Sobi zudem erläutert, verfügt Brekka über keine andere Industrie als jene zur Gewinnung dieses Mittels: Alles, was sie zum Leben benötigen, erhalten sie von den Ornaranern im Austausch gegen das Mittel.

T'Jon und Romas sind extrem erleichtert, als sie sich eine Injektion verabreichen dürfen - und Beverly teilt Jean-Luc kurz darauf mit, was sie beobachtet hat: Das Mittel wirkt bei den beiden wie ein Rauschgift. Wenige Sekunden nach der Injektion waren sie wie ausgetauscht, es ging ihnen plötzlich großartig. Sie folgert, dass alle Ornaraner offenbar vom Felicium abhängig sind...

Indes hat Data einige Nachforschungen angestellt: Die Ornaraner hatten eine blühende Kultur und waren technisch sehr weit entwickelt, als die Seuche ausbrach. Die weniger weit entwickelten Brekkianer waren die einzigen, die ihnen helfen konnten, denn nur auf ihrem Planeten wuchs die kurzzeitige Heilung versprechende Pflanze, und alle Versuche, diese auf Ornara zu kultivieren, schlugen fehl. Wie Beverley meint, ist die Seuche längst ausgerottet, das "Heilmittel" fungiert nur noch als Droge - ohne, dass die Ornaraner dies wissen.
Dann kommt ein Ruf von der Ornara-Heimatwelt: Man will T'Jon sprechen, um ihm zu sagen, dass die Bevölkerung leidet. Noch nie sei es so schlimm gewesen. Es wäre absolut dringend erforderlich, dass T'Jon das Heilmittel nach Ornara bringt, von den Problemen, die sich ergeben haben, will man nichts wissen.

Indes wendet sich Wesley an Data: Er kann nicht verstehen, warum jemand freiwillig drogensüchtig werden will. Data und Tasha erklären ihm, dass niemand das will, es passiert jedoch jenen, die eine Droge nehmen, um mit deren Hilfe scheinbar ihren Problemen zu entfliehen. Nimmt man Drogen anfangs, um sich gut zu fühlen, so wird man sie bald nur noch nehmen, um sich nicht schlecht zu fühlen. Als Wes meint, dass er es immer noch nicht versteht, meint Tasha lächelnd, sie hoffe, dass er das auch nie wird.

Nach dem Gespräch mit seiner Heimatwelt sieht T'Jon keinen Ausweg mehr: Er schnappt sich Riker, setzt ihn unter Strom und droht, ihn zu töten, sollte Picard ihm nicht das Heilmittel ausliefern. Picard gelingt es, die Situation zu retten: Er erkennt, dass T'Jon kein Killer ist und Riker nicht töten wird. T'Jon lässt von Riker ab und bettelt förmlich, Picard solle sich für ihn einsetzen. Jener hat das auch vor: Zusammen mit Beverly stattet er den Brekkianern in ihrem Gästequartier einen Besuch ab.
Die zeigen sich plötzlich ungewohnt diplomatisch: Sie stimmen zu, den Ornaranern das Heilmittel zu überlassen, die Bezahlung könne man auch später noch erhalten. Picard hatte das bereits erwartet: Ihm ist klargeworden, dass die Brekkianer über alles Bescheid wissen. Sie nutzen die Sucht der Ornaraner aus, um von deren Lebensmittellieferungen zu profitieren. Die Oberste Direktive verbietet Picard, sich einzumischen. Folglich darf er den Ornaranern nicht sagen, dass sie längst von der Seuche geheilt sind und nur noch an den Entzugserscheinungen leiden, nicht jedoch an einer tödlichen Krankheit. Langor stimmt ihm hämisch grinsend zu:

"Sie haben es richtig erkannt, Captain: Das Ganze geht Sie überhaupt nichts an."

Trotz Beverlys vehementer Einwände bleibt Picard keine Wahl. Als man im Orbit von Ornara angekommen ist, ruft er die Gäste in den Frachtraum, wo T'Jon und Romas überglücklich sind, dass man ihnen das Heilmittel nun doch überlässt. Sie bedanken sich bei Picard und den Brekkianern für die Rettung ihres Volkes. Doch Picard hat eine unangenehme Botschaft für die beiden: Leider kann er ihnen die Ersatzteile, die sie für die Reparatur ihrer Schiffe benötigen, nicht zur Verfügung stellen.
Bestürzt mischen sich Sobi und Langor ein und verweisen auf die Oberste Direktive, auf die Nicht-Einmischung. Genau dies, so Picard, sei der Grund, aus dem er die Ersatzteile nicht herausgeben kann. T'Jon erklärt, dass sein Volk sterben wird, wenn man die Schiffe nicht wieder flott bekommt, doch Beverly meint, die Ornaraner sollten etwas mehr Selbstvertrauen haben, dann würden sie ihre Probleme schon lösen. T'Jon erwidert:

"Captain... ich hoffe, Ihnen ist klar, was sie uns da antun!"
"Da können Sie ganz sicher sein - alles Gute."

Dann werden alle Gäste, und natürlich ihre wertvolle Fracht, nach Ornara gebeamt, und Jean-Luc erklärt Beverly im Turbolift, dass es keine andere Entscheidung geben konnte: Wann immer der Mensch in der Vergangenheit versuchte, sich in die Belange weniger weit entwickelter Kulturen einzumischen, waren die Ergebnisse ausnahmslos verheerend, selbst wenn die Eingriffe noch so gut gemeint gewesen waren. Beverly, der am ehesten klar ist, welche Qualen die Ornaraner bei dem wohl bevorstehenden Entzug zu erleiden haben werden, ist nicht besonders glücklich mit der Art, wie dieses Problem gelöst wurde, versteht aber auch, warum Picard so handeln musste.
Auf der Brücke angekommen überlässt der Captain Geordi die Wahl des nächsten Zieles, Hauptsache, man würde dieses System schnell verlassen. Geordi wählt Kurs 970,318, das Opralan-System, und erläutert diese Wahl mit folgenden Worten:

"Neugierde - wir waren noch nie da."




Bewertung

Und mit jenen Worten geht es dann auf in neue Abenteuer. Dabei ist diese Flucht eigentlich gar nicht nötig: "Die Seuche" ist eine durchaus ansehnliche Episode, die sich auf zunächst hintergründige Weise mit der Thematik von Drogenabhängigkeit auseinandersetzt. Dabei stören die mitunter sehr plumpen Anspielungen auf heutige Probleme, aber im Großen und Ganzen kann man der Episode ein gutes Urteil ausstellen. Das Ganze im Detail:

Die Story entwickelt sich sehr gut. Das eigentliche Kernthema wird erst recht spät enthüllt, die sonst häufig gegebene Vorhersehbarkeit hält sich dadurch in Grenzen. Aufgrund der recht eindeutig dargestellten Sympathieverteilung zu Gunsten der Ornaraner T'Jon und Romas ist schnell klar, wer gut und wer böse ist, aber zumindest die Gründe hierfür bleiben einige Zeit verborgen. Auch wird teilweise ein Verwirrspiel mit dem Zuschauer getrieben. Durch ihre Art wirken die Brekkianer ab Beginn unsympathisch. Als sie jedoch ihre Gründe erläutern, ist man geneigt, ihnen zu glauben und sie für Geschäftsleute zu halten, die zwar nicht unbedingt sonderlich mitleidig sind, die aber durchaus ein Gewissen haben. Als sie sich dann entscheiden, T'Jon und Romas je eine Dosis des Feliciums zu überlassen, meint man fast, sie könnten vielleicht doch gar nicht so schlecht sein, wie es zunächst schien. An dieser Stelle greifen aber dann leider wieder die Gesetze Hollywoods, denn natürlich zeigt sich bald darauf, dass das gesamte Handeln der Brekkianer nur dem Eigennutz dient - gäben sie den Ornaranern das Heilmittel nicht, würde ihr 200 Jahre dauernder Schwindel auffliegen, und ihr angenehmes Leben wäre vorbei; plötzlich wären sie gezwungen, sich selbst um ihre Versorgung zu kümmern. Auf der einen Seite werden ihre Gründe dadurch zwar erläutert, aber letztlich stellt die Episode sie doch als skrupellose Egoisten dar, denen das von ihnen tolerierte Leid vollkommen egal ist, die noch nicht einmal Schuldgefühle empfinden.

Auf ähnliche Weise werden auch die beiden Ornaraner abwechselnd gut und schlecht bewertet. Ihre etwas ungehobelte Art und ihre schlechten Manieren prädestinieren sie nicht gerade zu bedingungslos positiv zu bewertenden Personen, doch auch wenn T'Jon mitunter die Beherrschung verliert, sieht er doch seine Fehler jeweils ein und entschuldigt sich dafür: So geschehen, als er Picard vorwirft, am Völkermord beteiligt zu sein, und auch, als er droht, Riker zu töten. Zwar entschuldigt er sich dafür nicht, doch sieht man ihm an, dass es ihm leid tut. Dass er von Riker ablässt, ist sein Eingeständnis, dass er kein skrupelloser, kaltblütiger Mörder ist, sondern vielmehr ein in die Ecke gedrängter und vollkommen verzweifelter Mann, der fast alles tun würde, um sein Volk zu retten - aber eben nur fast alles, denn töten kann er für diesen Zweck nicht. Spätestens in jener Szene ist klar, dass die Ornaraner die Unschuldigen sind, und dass tatsächlich sie es sind, denen geholfen werden muss. Wie sich zeigt, haben sie ihre Misere nicht selbst verschuldet, sondern tun alles, um einfach nur am Leben zu bleiben. Der Zustand ihrer Schiffe, die abgetragene Kleidung, alles deutet darauf hin, dass ihr Volk hart schuften muss, um den Brekkianern das Heilmittel zu bezahlen.

Die folgende Aufklärung der Gesamtlage ist dann gewissermaßen nur noch eine Formalität. Dass die Episode, wie oben erwähnt, trotzdessen nicht als vorhersehbar zu bezeichnen ist, liegt daran, dass diese endgültige Auflösung erst weit gegen Ende geliefert wird.

Soviel erst einmal zur Vordergrundhandlung. Es ist wohl klar, welche Aussage mit dieser Episode hintergründig transportiert werden soll: Nämlich, dass Drogen und Sucht schlecht sind. Da die Ornaraner nichts von ihrem Schicksal ahnen, können sie natürlich auch nichts dagegen unternehmen, das Schicksal, wie auch die Brekkianer, spielen ihnen übel mit. Folglich soll sich jeder vernünftig denkende Mensch fragen, wie jemand ernsthaft drogenabhängig sein kann, wenn er sich über diese Abhängigkeit im Klaren ist. Es wird kein Hehl daraus gemacht, dass der Entzug schwierig wird, insbesondere in diesem Fall, wo keine Ersatzdroge zur Verfügung gestellt werden kann. Ein dezenter Hinweis, dass beispielsweise Heroinsüchtigen Methadon zur Verfügung steht, es ihnen also eigentlich leichter fallen sollte als den Ornaranern, sich von ihrer Sucht zu befreien? Oder einfach nur eine generelle Abrechnung mit Drogensucht?
Die Ornaraner sind die unschuldigen Süchtigen, während die Brekkianer die skrupellosen Dealer verkörpern. In jedem Fall ist es der Episode sehr positiv anzurechnen, dass das Thema auf recht hintergründige Art aufgegriffen wurde.

Jedoch gibt es dann auch einige Aspekte, die dieser Hintergründigkeit im Weg stehen. Da wäre an allererster Stelle die Szene mit Wesley zu nennen, der einmal mehr vor Naivität übersprudelt, als er fragt, warum jemand eigentlich freiwillig süchtig wird. Tashas Erklärung ist so plump, dass kein Sozialarbeiter je auf die Idee kommen dürfte, auf diese Weise jemandem zu erklären, weshalb Leute Drogen nehmen. Man kann sagen, dass diese Szene die Naivität der Serie, welche gerade während der ersten ein, zwei Staffeln besonders vorherrschte, sehr deutlich widerspiegelt. Star Trek versucht sich des Themas anzunehmen, was ja auch sehr lobenswert ist, tritt aber dabei ins Fettnäpfchen, da die Hintergründigkeit einer für Erwachsene interessanten Episode durch die Vordergründigkeit einer höchstens für kleine Kinder interessanten Szene kaputt gemacht wird. Auf ähnliche Weise wird auch das Thema Alkohol bei der Next Generation behandelt, und auch Beziehungsprobleme wirken bei TNG selten gut inszeniert.
Dies mag aber auch mit dem Herstellungszeitpunkt zu tun haben; in den seit der Erstausstrahlung vergangenen mehr als 10 Jahren hat sich Hollywood bei der Behandlung insbesondere des Themas Drogen deutlich gewandelt und ist weg von der stiefmütterlichen Art und hin zu einer mehr am Kern der Sache liegenden Betrachtung übergegangen, und auch das britische Kino zeigt beispielsweise mit "Trainspotting", dass ein Film über Drogensucht am ehesten glaubwürdig ist, wenn man ihn aus der Perspektive eines Süchtigen zeigt.

Genug jedoch davon, ein wenig sollte noch auf die Charaktere eingegangen werden: Am meisten zu tun haben Beverly und Jean-Luc. Beide Charaktere sind, obwohl die Sternenflotte sich eigentlich herauszuhalten hat, eng in die Streitigkeiten zwischen den beiden Parteien eingebunden, und an ihrem Beispiel wird gezeigt, wie unterschiedlich die vorliegende Situation bewertet werden kann. Während Beverly in erster Linie das Wohlergehen der Ornaraner im Sinn hat, muss Picard wie immer etwas weiter denken; ganz weit vorne in seinen Gedanken dürfte hier die Oberste Direktive stehen, denn sie verbietet ihm eine Einmischung. Man merkt, dass es ihm Unbehagen bereitet, nichts tun zu können, aber zugleich scheint es ihm auch Rückhalt und Sicherheit zu geben. Er wirkt zunächst unentschlossen, weigert sich, zu handeln; Beverly drängt ihn, etwas zu unternehmen, doch er wartet erst einmal ab. Es zeigt sich, dass dieses Vorgehen goldrichtig war. Jedes voreilige Handeln hätte wohl unüberschaubare Folgen nach sich gezogen, denn, wie Picard auch schnell erkannte, es fehlten ihm in dem Puzzle noch einige Teile. Entsprechend tat er nichts, bevor er nicht das Puzzle zusammengesetzt hatte. Als ihm klar war, dass die Brekkianer von der Wirkung des Feliciums wissen und den Ornaranern mit Absicht das Wissen über deren längst eingetretene Heilung vorenthielten, war es schließlich ein leichtes, eine vernünftige Entscheidung zu treffen: Indem er sich an die Oberste Direktive hält, macht er alles richtig, ohne gegen ein einziges Gesetz zu verstoßen: Er überlässt die Ornaraner ihrer angeblichen Misere und hofft, dass sie mehr oder weniger zwangsläufig von ihrer Gesundung erfahren. Zugleich ist damit aber die Existenz der Brekkianer bedroht: Sollten die Ornaraner mit Unverständnis und Wut reagieren, stünden die Brekkianer von heute auf morgen ohne Lebensmittel und Verbrauchsgüter da. Hier kann man nur hoffen, dass sich die beiden Kulturen auf einer gesünderen geschäftlichen Basis einigen werden. Es erfreut in jedem Fall, dass die Episode nicht mit einem eindeutigen Happy-End beschlossen wird. In dieser Hinsicht erinnert sie stark an 2.18 Der Planet der Klone in der zweiten Staffel.

Bleiben bezüglich der Logik einige offene Fragen: Es wird zwar nichts gesagt über die Lebensspanne der Ornaraner, aber da sie im wesentlichen den Menschen stark ähneln, ist die Theorie, dass sie etwa gleich alt werden, wohl nicht ganz unbegründet. Daraus lässt sich ableiten, dass seit Ausbruch der Seuche mehrere Generationen geboren worden sein dürften - und hier wird es interessant: Wird den Neugeborenen bereits das Felicium gegeben? Da sie de facto nicht krank sind, ist es möglich, dass sie keine Krankheits- (also eigentlich Entzugs-) -erscheinungen zeigen. Auf der anderen Seite wäre es möglich, dass sie aufgrund des Konsums ihrer Eltern bereits süchtig geboren werden und dadurch schon kurz nach der Geburt mit der Droge versorgt werden müssen.
Stellt sich dennoch die Frage, ob in 200 Jahren nicht ein einziger Fall aufgetreten ist, wo Personen, die, aus welchen Gründen auch immer, unter Dauerentzug litten, von ihrer Sucht geheilt waren; den Ornaranern hätte dann klar werden müssen, dass diese Leute auch ohne Einnahme des Heilmittels die Seuche überleben. Es wäre natürlich auch denkbar, dass so etwas als Wunderheilung, himmlische Intervention oder ganz einfach als nicht erklärbar abgetan würde, dennoch wäre es nett gewesen, in ein oder zwei Sätzen auf solche nicht unwahrscheinlichen Situationen einzugehen.

Noch kurz zu den Gaststars: Mit Merritt Butrick (T'Jon) und Judson Scott (Sobi) sind zwei Star Trek-Veteranen vor Ort.
Ersterer war im zweiten und dritten Kinofilm als Kirks Sohn David Marcus zu sehen. Judson Scott war ebenfalls in "Star Trek II: Der Zorn des Khan" mit von der Partie, allerdings als Gegenspieler Kirks: In der Rolle des Joachim war er Khans Erster Offizier. Zwar gab es in jenem Film keine direkten Duelle zwischen den von Scott und Butrick dargestellten Charakteren, aber es ist sicher kein Zufall, dass sie in dieser TNG-Episode erneut als Kontrahenten zu sehen sind, denn zumindest Butrick hatte ansonsten recht wenige Auftritte vorzuweisen; er verstarb im Jahr 1989 an AIDS. Scott andererseits war in ziemlich vielen Produktionen als Killer bzw. Bösewicht bzw. Handlanger der Woche zu sehen; zwar ist die Rolle des Sobi hier ebenfalls eindeutig negativ geprägt, aber zumindest dürfte es doch einer seiner ausgeglicheneren Auftritte im TV gewesen sein. Schade ist dennoch, dass man nicht den Mut aufbringt, Schauspieler wie ihn bei Star Trek einmal gegen den Strich zu besetzen, also ihm die Rolle eines Guten zu geben (obwohl an dieser Stelle anzumerken ist, dass so etwas beisielsweise mit Andrew Robinson alias Garak bei DS9 durchaus vorgekommen ist, denn dessen erster populärer Auftritt war der des Killers in "Dirty Harry" (Teil 1)). Anzumerken ist noch Scotts Auftritt als Cmdr. Rekar in der VOY-Episode 4.14 Flaschenpost.

Bleibt noch der vorgezogene Abschiedsgruß zu erwähnen: Als Picard und Crusher am Ende der Episode den Frachtraum verlassen, sieht man im Hintergrund Tasha winken - in 1.23 Die schwarze Seele wird sie bekanntlich getötet. Die beiden Episoden wurden aber in umgekehrter Reihenfolge produziert, so dass dies in Wirklichkeit eine von Denise Crosbys letzten Szenen war. Vielen Dank an unseren Leser Michael Otto für diesen Hinweis.

Viel mehr bleibt nicht über "Die Seuche" zu erwähnen. Vielleicht noch ein Wort zu den Effekten: Für die erste Staffel nicht schlecht, aber den Begriff "überragend" verdienen sie ganz sicher ebenfalls nicht. Die Musik nutzt die üblichen, nicht sehr atmosphärischen Synthesizer und ist daher auch nicht hitverdächtig. Durch das Verwirrspiel, das lange Zeit aufrecht erhalten bleibt, ist durchaus eine unterschwellige Spannung vorhanden, vordergründig ist diese jedoch nicht so groß, da die Ausrottung der Ornaraner durch eine falsche Entscheidung Picards zu keinem Zeitpunkt als Möglichkeit plausibel ist.

Insgesamt handelt es sich um eine interessante Episode, die die üblichen Schwächen der ersten Staffel aufweist.

Spannung: 3 SFX: 2 Handlung: 4 Gesamt: 3
Zusammenhänge

Leider werden die Ereignisse nie mehr aufgegriffen.

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Ausdruck vom: 22. 11. 2024
Stand des Reviews: 15. 11. 2024
URL: http://www.startrek-index.de/tv/tng1_22.htm