DSi

DS9 3.11 Gefangen in der Vergangenheit Teil I


Past Tense Part I

von Matthias Weber

Episodenbeschreibung

Die Defiant ist mit Sisko, Kira, Odo, Dax, Bashir und O'Brien an Bord auf dem Weg zur Erde, um dort an einer Besprechung über das Dominion teilzunehmen. Sisko, Dax und Bashir wollen gerade auf die Erde beamen, als es zu einer Transporterfehlfunktion kommt. O'Brien kann zunächst nicht sagen, wo die drei gelandet sind.

Sisko und Bashir werden von zwei Polizisten geweckt, die die beiden für Penner halten. Sie können sich zunächst nicht erklären, wo sie gelandet sind, doch Sisko kann aus der Kleidung der Menschen schließen, dass sie sich im frühen 21. Jahrhundert der Erde befinden. Die beiden werden von den Polizisten in eine sogenannte Schutzzone gebracht, in die alle Obdachlosen, Arbeitslosen und Geisteskranken gesteckt werden. Die Kommunikatoren von Sisko und Bashir sind gestohlen worden, als sie ohnmächtig waren. Sie können deswegen keinen Kontakt zu Dax aufnehmen.

Dax erwacht in einem U-Bahn-Schacht, nicht weit weg von Siskos und Bashirs Landeplatz. Dort trifft sie auf Christopher Brynner, einen netten Mann, der ihr hilft, da er glaubt, sie sei überfallen worden. Er nimmt sie mit in sein Büro. Dort findet Dax auch heraus, in welcher Zeit sie sich befindet. Sie versucht nun mit Hilfe von Brynners Computern Sisko und Bashir zu finden.

Da Sisko und Bashir keine Arbeit vorweisen können, müssen sie vorläufig in der Schutzzone bleiben. Sisko entdeckt mit Hilfe eines Kalenders, dass es nur noch wenige Tage sind bis in der Schutzzone, in der sie sich aufhalten, der historische Bell-Aufstand stattfindet. Bei diesem Aufstand nehmen einige Bewohner der Schutzzone die Wachen als Geiseln und rücken sich damit wieder in das öffentliche Bewusstsein. Der Anführer des Aufstandes, Gabriel Bell, hat dafür gesorgt, dass die Geiseln nicht getötet wurden. Nur ihm ist es zu verdanken, dass nach dem Aufstand die Schutzzonen aufgelöst wurden und die Menschheit damit begonnen hat, ihre sozialen Probleme wirklich zu lösen und nicht nur zu verdrängen. Der Bell-Aufstand ist somit ein Wendepunkt in der Geschichte des Planeten und bestimmt somit auch die Zukunft der Föderation.

Während Sisko und Bashir einen Weg suchen, aus der Schutzzone auszubrechen, treffen sie auf einige unangenehme Zeitgenossen, die das Hab und Gut ihrer Mitbewohner aus der Schutzzone stehlen. Als Bashir und Sisko in einen Kampf mit diesen verwickelt werden, kommt ihnen Gabriel Bell zu Hilfe und wird dabei getötet.

O'Brien hat inzwischen herausgefunden, dass Sisko, Dax und Bashir irgendwo in der Vergangenheit gelandet sind. Es gibt allerdings 12 verschiedene Zeitepochen, in denen sie gelandet sein könnten und mit den Transportern der Defiant kann man die Situation, die zum Zeitsprung geführt hat, nur 6 Mal nachstellen. Kira sucht deswegen die 6 wahrscheinlichsten Zeitepochen aus, um mit einem Team in die Vergangenheit zu reisen und dort nach Sisko und den anderen zu suchen. Doch die Föderation lehnt eine Reise in die Vergangenheit als zu riskant ab. Als Kira nochmal mit einem Admiral der Sternenflotte über diese Entscheidung sprechen will, ist die Föderation plötzlich verschwunden. Durch den Tod von Bell wurde die Vergangenheit der Erde verändert. Die Menschheit hat sich selbst vernichtet. Die Defiant war offensichtlich immun gegen die Veränderung der Geschichte. O'Brien bereitet alles für die 6 Trips in die Vergangenheit vor.

Dax hat inzwischen herausgefunden, dass Sisko und Bashir in einer der Schutzzonen gelandet sind. Sie kann allerdings nichts machen, um sie da rauszuholen.

Sisko und Bashir haben sich dafür entschieden in den Konflikt einzugreifen, um das Leben der Geiseln zu schützen. Als die Unruhen losgehen, nehmen Sisko und Bashir daran teil und Sisko gibt sich als Gabriel Bell aus.




Bewertung

In "Gefangen in der Vergangenheit" gibt es zum ersten Mal in Deep Space Nine eine Zeitreise. Bei Zeitreise-Geschichten kann eigentlich wenig schief gehen. Sie sind bei den Zuschauern äußerst beliebt und gehören meistens zu den besten Star Trek-Folgen überhaupt. Auch dieses Mal kann die Folge mit der richtigen Mischung aus Action, Föderationsgeschichte und ernsthafter Botschaft überzeugen. Der sonst bei Zeitreisen übliche Humor kommt dieses Mal beim relativ ernsthaften Thema etwas kurz, was der Folge aber nicht unbedingt schadet, sondern im Gegenteil ihr dabei hilft, sich von anderen Zeitreisegeschichten zu unterscheiden.

Die Folge dreht sich um soziale Probleme und ist damit im Prinzip eine Parabel für unser Jahrhundert. Sie bedient sich bei ihrer Erzählung einer großen Stärke des Science Fiction-Genres, indem sie die sozialen Probleme unserer Zeit aufgreift, diese weiterführt und überlegt, wo diese in 20 oder 30 Jahren enden könnten. Mit solchen Geschichten hatte Science Fiction im Allgemeinen und Star Trek im Speziellen schon immer große Erfolge. Man denke nur an die TOS-Folge 2.19: Der erste Krieg, welche den Kalten Krieg scharf verurteilte, oder die TNG-Folge 3.12: Terror auf Rutia IV, welche eine Parabel für den Terror der IRA in Irland war.

Dieser Episode gelingt es geschickt, die sozialen Abgründe in den Schutzzonen der gesellschaftlichen Oberklasse, in der sich Christopher Brynner aufhält, gegenüber zu stellen. Bei den Schutzzonen handelt es sich im Prinzip um Konzentrationslager für Obdachlose und Arbeitslose. Sie funktionieren nach dem Sinn "Aus den Augen, aus dem Sinn" und sind dazu da, die sozialen Probleme von der gesellschaftlichen Oberschicht fernzuhalten. Mit den Schutzzonen gelingt es, die Obdachlosen, die Arbeitslosen, die Geisteskranken und alle anderen, die man nicht auf der Straße sehen möchte, einfach zu verstecken. Damit sind sie erstmal aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Und wenn das geschafft ist, muss man sich auch nicht mehr um sie kümmern. Falls einen das schlechte Gewissen plagt, sagt man sich selbst einfach, dass alle Bewohner der Schutzzonen Verbrecher oder faule Taugenichtse sind und zu Recht dorthin gehören.

Die Schutzzonen gehen noch über die Ghettos hinaus, die es in fast allen amerikanischen Großstädten schon gibt, trotzdem ist die Folge auch als Metapher für diese Ghettos gedacht. Sie warnt vor den Gefahren, die sich ergeben, wenn man diese Ghettos abschreibt und sich nicht mehr um die Bewohner kümmert.

Die Folge stellt die Frage, wohin es uns führen wird, wenn sich niemand für sozial schwächere Menschen interessiert. Werden wir früher oder später wirklich solche Schutzzonen haben?

Die Episode überzeugt durch eine vielseitige und differenzierte Auseinandersetzung mit den sozialen Problemen unserer Zeit. Sisko gibt zu, dass die Gründer der Schutzzonen es eigentlich nicht soweit kommen lassen wollten, doch die sozialen Probleme wuchsen ihnen über den Kopf und irgendwann haben sie einfach aufgegeben. Die Folge sagt aus, dass man vor den sozialen Problemen, egal wie groß sie sind, nie kapitulieren darf. Sobald man etwas ähnliches wie die Schutzzonen einrichtet, hat man aufgegeben und damit auch verloren, denn auf diese Weise lassen sich soziale Probleme nicht lösen.

Bashir stellt in dieser trostlosen Umgebung der Schutzzonen die Frage, ob die Föderation wirklich besser ist, als beispielsweise die Cardassianer. Die Cardassianer, das wissen wir aus früheren Folgen, haben Kriege geführt, um durch Eroberungen die Hungersnot auf ihrem Planeten zu beenden. Bashir fragt sich, was die Föderation tun würde, wenn eine große Katastrophe über die Erde hereinbricht. Würden die Menschen an ihren Idealen festhalten, oder würden sie um des Überlebens willen diese aufgeben und zu ebenso unmenschlichen Methoden greifen, wie die Menschen in diesem Jahrhundert. Bashir stellt damit eine interessante und berechtigte Frage, die hier aber leider nicht weiter erörtert wird.

Star Trek wird oft deswegen belächelt, weil sich die Menschheit in nur wenigen Jahrhunderten dermaßen zum Guten entwickelt hat. Diese Folge stellt sich nun die Frage, was der Auslöser für diese Entwicklung war und gibt mit dem Bell-Aufstand auch gleich die Anwtort darauf.

Die Folge fasst ein für eine amerikanische Serie sehr heißes Eisen an, denn gerade im Land der unbegrenzten Möglichkeiten (allerdings natürlich nicht nur da) mehren sich die sozialen Probleme und es entwickelt sich immer mehr eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, welche die Folge ja gerade anprangert. Während der Dreharbeiten zu dieser Folge meldete sich der Oberbürgermeister von Los Angeles als Befürworter der Einrichtung von sogenannten "Häfen" für Obdachlose, in denen diese ein besseres Leben führen könnten.

In dieser Folge erfahren wir einiges über die Vergangenheit der Föderation, vor allem über das 21. Jahrhundert, welches in dieser Episode zum ersten Mal besucht wird (wenn man mal von Q's Illusion eines postatomaren Gerichts des 21. Jahrhunderts in TNG 1.01: Der Mächtige absieht). Wir erfahren, dass der Gabriel Bell-Aufstand in der Schutzzone in San Francisco im Jahr 2024 ein Wendepunkt in der Geschichte der Erde ist. In Star Trek wimmelt es von Erwähnungen von Ereignissen aus dem späten 20. Jahrhundert und frühen 21. Jahrhundert. Die Eugenischen Kriege (1992 - 1996), der dritte Weltkrieg (2039 - 2043) oder die sogenannte postatomare Schreckenszeit (in einem Großteil des 21. Jahrhunderts) sind nur einige der vorkommenden Ereignisse.
Jedesmal wenn es um eine solche Begebenheit in dieser Zeit geht, wird von einem Wendepunkt der Erdgeschichte gesprochen und die spätere Gründung der Föderation letztendlich diesem Ereignis zugesprochen. Dass sich diese vielen historischen Wendeunkte gegenseitig widersprechen wird oft kritisiert, allerdings bleiben die Erwähnungen der geschichtlichen Ereignisse meistens wenig detailliert und eher vage. Zum Beispiel wurde niemals erwähnt, welche Staaten an den Eugenischen Kriegen oder am dritten Weltkrieg beteiligt waren. Auch wird die postatomare Schreckenszeit im 21. Jahrhundert in TNG 1.01: Der Mächtige zwar erwähnt, der Zuschauer erfährt dabei aber nicht wirklich, um was es sich dabei genau handelt. Deswegen ist es durchaus möglich, alle erwähnten geschichtlichen Begebenheiten unter einen Hut zu bringen. Es kann ja durchaus mehrere Wendepunkte in der Geschichte der Föderation gegeben haben. Zum Beispiel kann der Bell-Aufstand dazu geführt haben, dass die sozialen Probleme gelöst wurden und damit dafür gesorgt haben, dass der in TNG mehrfach erwähnte Zustand eingetreten ist, wonach es auf der Erde keine sozialen Probleme wie Armut, Obdachlosigkeit oder Hungersnot mehr gibt. Nach dem dritten Weltkrieg kann die Menschheit zum Beispiel gelernt haben, ihre Probleme auf friedliche Art zu lösen. Natürlich ist es nicht ganz leicht, alle geschichtlichen Erwähnungen zu vereinen, allerdings ist ein Jahrhundert ziemlich lang und mit etwas Phantasie können durchaus alle Begebenheiten dort untegebracht werden.

Die Folge wurde ursprünglich für TNG entworfen, dort jedoch nicht verwirklicht. Ira Steven Behr hatte dann während eines Spaziergangs in Santa Monica, als er viele Obdachlose sah, die Idee für das Drehbuch. Robert Hewitt Wolfe schrieb das Drehbuch zum ersten Teil.

Der Ausgangsplot der Folge ist etwas unglaubwürdig. Wieso sollte Sisko mit seiner gesamten Führungscrew zu einer Sitzung der Sternenflotte über das Dominion fliegen? Hätte er alleine, oder zumindest eine deutlich kleinere Gruppe an Offizieren nicht gereicht? Schließlich muss sich ja auch jemand um die Station kümmern.

Die deutsche Version des ersten Teils ist an manchen Stellen recht unsinnig. Die Redewendung "People in your debt" wird falsch mit Gläubigern statt mit Schuldnern übersetzt, außerdem sagt Sisko irgendetwas davon, dass sie 100 Jahre in die Vergangenheit gereist sind, obwohl es in Wirklichkeit fast 350 Jahre sind. Gerade bei solchen Fehlern muss man sich fragen, was die Synchronisationsstudios sich manchmal bei ihrer Arbeit eigentlich denken. Man sollte doch zumindest wissen, in welcher Zeit die Serie spielt, die man synchronisiert. Auch der deutsche Titel ist unglücklich gewählt, da die Folge somit den identischen Titel hat, wie die TNG Folge 4.20: Gefangen in der Vergangenheit.

Alles in allem ist "Gefangen in der Vergangenheit I" ein sehr gelungener Auftakt zu dieser Doppelfolge, mit einer sehr überzeugenden Aussage, welche gut zu Star Trek passt, zum Teil sehr ausdrucksstarken Bildern und einer gelungenen Handlung, welche gekonnt soziale Missstände in unserem Jahrhundert ankreidet und uns vor Augen führt, wohin diese führen können, wenn wir uns nicht um ihre Lösung bemühen.

Spannung und Handlung erhalten somit die Höchstwertung von 6 Punkten. Effekte im klassischen Sinne gibt es zwar eher wenige zu sehen, allerdings wurden die Kulissen der Schutzzonen sehr aufwendig gestaltet, womit die Folge in dieser Kategorie immer noch 4 Punkte verdient hat.

Spannung: 6 SFX: 4 Handlung: 6 Gesamt: 6
Zusammenhänge

Aufgrund der schlechten deutschen Synchronisation hat diese Folge den gleichen deutschen Titel wie die TNG-Folge 4.20: Gefangen in der Vergangenheit.

Dick Miller, hier als Vin dabei, sahen wir bereits in der TNG Folge 1.12: Der große Abschied als Verkäufer.

John Lendale Bennett verkörpert hier Gabriel Bell. Er war bereits in 3.03: Das Haus der Quark als Kozak zu sehen. In 5.02: Die Apokalypse droht spielt er einen großen Klingonen.

--------------------------------
Ausdruck vom: 24. 11. 2024
Stand des Reviews: 15. 11. 2024
URL: http://www.startrek-index.de/tv/ds3_11.htm