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Episodenbeschreibung
Ein bärtiger O'Brien sitzt in einer Gefängniszelle. Es kommt eine Wärterin herein und verkündet,
dass er nun nach 20 Jahren seine Strafe abgesessen hat. Er wird aus der Zelle geworfen.
O'Brien erwacht in einem Behandlungsstuhl. Neben ihm steht Major Kira. O'Brien versteht nicht,
warum Kira nicht gealtert ist, als er die letzten 20 Jahre im Gefängnis saß. Kira erklärt ihm, dass
die Argrathi ihn zu 20 Jahren Haft verurteilt haben, sie diese 20 Jahre jedoch nicht auf herkömmliche
Weise vollstrecken, sondern nur als Erinnerungen in das Gedächtnis des Verurteilten implantieren.
O'Brien erinnert sich zwar an seine 20 Jahre Haft, hat sie jedoch nie wirklich real durchlebt. Die
Behandlung hat nur wenige Stunden gedauert. Kira und O'Brien kehren nach DS9 zurück.
Auf der Station erklärt Sisko Keiko die Situation. Ihr Mann habe sich für die Technologie der Argrathi
interessiert und einige Fragen gestellt, was diese als Spionage aufgefasst und ihn verurteilt hätten.
Dr. Bashir empfängt O'Brien an der Luftschleuse. Er hat Keiko, Molly und den anderen zunächst nicht
erlaubt ihn zu begleiten, da er O'Brien nicht überfordern wollte. Bashir untersucht den Chief und
stellt fest, dass die falschen Erinnerungen der Argrathi nicht gelöscht werden können, ohne dessen
restliches Gedächtnis auch komplett zu löschen. O'Brien soll nun dreimal in der Woche einen Counselor
aufsuchen, um seine Erlebnisse zu verarbeiten. Außerdem wird er sich erst ganz langsam in seine
Arbeit wieder eingewöhnen müssen.
Über seine Haftzeit redet O'Brien relativ wenig. Er behauptet, er sei die 20 Jahre alleine in seiner
Zelle gewesen, tatsächlich wird er auch auf der Station von der Erinnerung an seinen Zellengenossen
Ee'Char verfolgt.
Miles scheint inzwischen immer mehr an den Erinnerungen der Haft zu zerbrechen. Er kündigt die
Freundschaft zu Bashir, schreit seine Tochter an und hört auf, den Counselor aufzusuchen. Sisko bleibt
nichts anderes übrig, als O'Brien vom Dienst freizustellen und ihn dazu zu zwingen, täglich den
Counselor aufzusuchen.
Nachdem er seine Tochter Molly fast geschlagen hätte, geht Miles in den Frachtraum und nimmt einen Phaser aus
dem Waffenschrank. Als Bashir den Frachtraum betritt, hat der Chief die Waffe auf sich selbst gerichtet.
O'Brien erzählt Bashir, dass er während der Haft zum Monster wurde. Er hat seinen Zellengenossen
umgebracht, als die Wärter wieder einmal tagelang nichts zum Essen gebracht haben und er Ee'Char
dabei erwischt hatte, wie er heimlich etwas zu Essen aus ihrem Versteck holte. Bei dem Gerangel um
das Essen tötete er Ee'Char und nun hat er fast Molly geschlagen. O'Brien ist der Meinung, dass er
eine Gefahr darstellt und möchte sich umbringen. Bashir kann ihn davon überzeugen dies nicht zu tun.
Der Doktor behandelt O'Briens Depressionen und Angstzustände mit Medikamenten, doch die Erinnerungen
werden dadurch nicht weggehen. Miles darf seinen Dienst wieder aufnehmen, doch er muss weiterhin
zum Counselor gehen.
Bewertung
"Strafzyklen" ist eine beeindruckende Bottle-Show, die vor allem dadurch überzeugt und erstaunt,
dass es ihr in 45 Minuten gelingt, ein psychologisch tiefgründiges und packendes Charakterdrama zu
erzählen.
Die Folge beschäftigt sich mit psychologischer Folter, wie sie auch heute in totalitären Regimes
noch an der Tagesordnung ist. Sie schildert dabei eindringlich die Auswirkungen dieser
psychologischen Folter, die sogar den normalsten und ausgeglichensten Menschen in ein psychisches
Wrack verwandeln kann. Natürlich kann eine einzelne TV-Episode diese Art von seelischer Folter nicht
umfassend behandeln, trotzdem gelingt es den Machern der Serie fernab von Klischees auf bewegende
und für eine TV-Episode beeindruckend intensive Weise O'Briens Dilemma herauszuarbeiten. Die
Handlung zeichnet sich durch ein packendes Drehbuch und durch psychologische Glaubwürdigkeit aus,
was vor allem dem Umstand zu verdanken ist, dass die Ehefrau von Autor Robert Hewitt Wolfe gelernte
Psychotherapeutin ist und ihrem Ehemann bei seiner Arbeit behilflich war.
Besonders lobenswert ist auch Colm Meaneys exzellente Darstellerleistung. Er schafft es, O'Briens
seelische Abgründe auf mitreißende Weise darzustellen und die Folgen umzusetzen.
Hier handelt es sich vielleicht um Colm Meaneys beste Leistung in Star Trek.
Die Folge überzeugt auch durch ihre Konzentration auf eine einzige wichtige Handlung. Da gibt es
keinen B-Handlungsstrang, der vom eigentlichen Thema ablenkt, auch wurde komplett auf eine Science
Fiction-Hintergrundhandlung verzichtet, um sich voll und ganz auf O'Briens Rückkehr ins normale
Leben konzentrieren zu können. Der Spaßfaktor, der sonst eine Spezialität von DS9 ist, fehlt bei
dieser Episode völlig, sie ist sogar oft recht bedrückend.
Zum Schluss gerät die ganze Folge leider etwas rührselig und das unverständlich freudige Ende stößt
einem bitter auf, täuscht es doch auf unangenehme Weise über die wahre Bedeutung und die Auswirkungen
des für O'Brien sicher unheimlich einschneidenden Erlebnisses hinweg.
Geradezu unverzeihlich wird es allerdings erst nach dieser Episode, denn O'Briens 20-jährige Haft wird
nie wieder auch nur mit einem Wort erwähnt. Keine kurze Bemerkung, dass er weitere
Therapiesitzungen bei seinem Counselor hat, keine einzige Erwähnung, dass der Chief noch Schwierigkeiten
damit hat, sich auf DS9 wieder einzugewöhnen. Ab der nächsten Episode ist O'Brien wieder vollkommen
der alte, er spielt mit Bashir Dart, geht in die Holosuite und verhält sich auch sonst, als hätte er
diese 20 Jahre Haft nie durchleben müssen. Dies ist einfach völlig unverständlich. Die Serie fällt
hier in alte Zeiten zurück, die man eigentlich bei Star Trek inzwischen überwunden glaubte. Hier wird
einmal mehr der Reset-Knopf betätigt und alles ist wieder in bester Ordnung. Ein dickes Minus an das
Autorenteam, welches bei einem solch wichtigen und einschneidenden Erlebnis die Aufgabe gehabt hätte,
dieses wenigstens in einem Nebensatz noch einmal zu erwähnen.
An der Tatsache, dass hier wieder einmal das Hauptaugenmerk der Handlung auf O'Brien liegt, erkennt
man, dass "Star Trek - Deep Space Nine" mehr als jede andere Star Trek-Serie Wert darauf legt, dass
jede Hauptperson zu relativ gleichen Teilen im Mittelpunkt steht. Selbst Nebencharaktere, die im
Verhältnis zu Sisko, Kira oder Odo relativ unwichtig erscheinen (wie beispielsweise Quark oder Jake)
haben mehrmals pro Jahr die Chance, eine Folge völlig alleine zu tragen und sich dabei schauspielerisch
zu entfalten. Vor allem bei dermaßen vielen wiederkehrenden Nebencharakteren, wie Dukat oder Garak,
die ebenfalls einen Teil der Handlung für sich beanspruchen, ist diese Ausgeglichenheit unter den
Hauptpersonen bemerkenswert und führt natürlich dazu, dass die erste Hauptperson Sisko weniger oft
im Mittelpunkt steht, als dies bei Picard noch der Fall war. Auf der anderen Seite führt dies jedoch
dazu, dass sich jeder einzelne der 9 Hauptcharaktere besser entfalten kann, als dies beispielsweise
bei den 7 Hauptpersonen in TNG der Fall war.
Interessant ist, dass wieder einmal O'Brien ausgewählt wurde, um die Hauptrolle in dieser Episode zu
spielen. O'Brien scheint bei den Autoren immer dann beliebt zu sein wenn es darum geht, jemanden in
eine aussichtslose Situation zu bringen. Zum Beispiel wurde der Chief von den Paradanern gefangen
genommen und ein Doppelgänger von ihm erstellt (DS9-Episode
2.14: O'Briens Identität), kurze Zeit später wurde er auf Cardassia Prime
zum Angeklagten in einem Schauprozess (DS9-Episode 2.25: Das Tribunal). Aus
irgend einem Grund scheinen O'Brien immer die schlimmsten Dinge zu widerfahren.
Dabei scheint der Chefingenieur vor allem bei Missionen auf fremden Planeten nicht viel Glück zu haben, denn
immer wenn O'Brien eine Mission auf einem fremden Planeten erfüllen muss, wird er gekidnappt, fast getötet
(2.13: Das Harvester-Desaster) oder eingesperrt.
Wie so oft, ist auch bei dieser DS9-Episode der Ausgangsplot etwas an den Haaren herbeigezogen.
Zunächst bleibt völlig unklar, was O'Brien und Kira im Gammaquadranten auf dem Planeten Argratha
überhaupt zu suchen hatten. Die Paranoia der Argrathi, gleich einen Spion zu vermuten wenn jemand ein
paar technische Fragen stellt, wirkt ebenfalls etwas überzogen. Merkwürdig ist auch, dass die
Sternenflotte und vor allem Sisko, der doch ständig Rettungsmissionen für alles und jeden startet,
die Argrathi einfach so gewähren lassen.
Die Science Fiction-Grundidee eines zweiten Lebens, welches nur in den Erinnerungen eines Menschen
existiert, erinnert ein wenig an die Handlung der TNG-Episode
5.25: Das zweite Leben. Hatte sich diese jedoch vermehrt
um das zweite Leben selbst gekümmert, geht es in der vorliegenden DS9-Folge mehr um die Auswirkungen,
die die Erinnerungen auf ein solches Leben haben können.
Die Idee zu dieser Folge beschäftigte das Autorenteam bereits seit der ersten Staffel. Man verschob
die Folge jedoch immer wieder, da man der Meinung war, dass zu Beginn der Serie noch kein großer
Unterschied zwischen dem normalen O'Brien und dem durch die Gefangenschaft geprägten O'Brien zu
erkennen gewesen wäre.
Das Drehbuch zur Folge stammt von Robert Hewitt Wolfe, der die Folge ungewöhnlicherweise allein,
ohne seinen Autorenpartner Ira Steven Behr schrieb. Wolfe hatte zu Beginn der Serie viele Beiträge
allein geschrieben. Mitte der dritten Staffel wurde er zum ständigen Autorenpartner von Ira Steven
Behr, der aufgrund seiner größer werdenden Verantwortung als Ausführender Produzent ungern allein
arbeiten wollte. Nach über einem Jahr gemeinsamer Arbeit mit Behr wollte Wolfe mit diesem Drehbuch
noch einmal einen eigenständigen Beitrag abliefern.
Regisseur Alexander Singer arbeitete nach dieser Episode nicht mehr für DS9, sondern kümmerte sich
vermehrt um die Schwesterserie "Star Trek - Voyager".
In der deutschen Version fällt vor allem auf, dass Chief O'Brien eine neue Synchronstimme bekam, was
natürlich zu einem recht ungünstigen Zeitpunkt erfolgte, da hier gerade bei einer für O'Brien sehr wichtigen
Folge der Sprecher wechselte. Nachdem die englischen Titel der 4. Staffel bisher recht gut übersetzt
worden waren, fällt der deutsche Titel dieser Folge durch die übliche Einfallslosigkeit auf.
Alles in allem ist "Strafzyklen" eine der psychologisch überzeugendsten Star Trek-Episoden aller Zeiten,
die jedoch einige Schönheitsfehler hat.
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