Das Ende
von Andrej Schwabe, 15.04.2016
Inhalt:
Nachdem Julian Bashir und Sarina in
"Nullsummenspiel" den
Slipstream-Prototypen der Breen vernichten konnten, versucht dessen
Konstrukteur mit seinem verbliebenen Wissen ein neues Schiff zu
bauen. Eine Suche nach günstigen Bautypen führt zu
Jem'Hadar-Schiffen aus Überresten vom Dominion-Krieg.
Dabei trifft es sich gut, dass sich die Föderation und der
Typhon-Pakt als Zeichen der Entspannung auf Forschungs- und
Handelsmissionen im gegenseitigen Territorium einigen. Um an
weitere Jem'Hadar-Schiffe zu gelangen, arbeiten die Breen verdeckt
mit den Romulanern zusammen. Diese entsenden einen Warbird in den
Gamma-Quadranten, der von der Enterprise begleitet wird. Allerdings
endet die vorgebliche Forschungsmission fatal.
Auf Deep Space Nine werden währenddessen Bomben am Fusionsreaktor
gefunden ohne Hinweis auf den Saboteur.
Kritik:
David George setzt mit "Heimsuchung" den dritten Typhon-Pakt-Roman
"Bestien" fort, der sich vor
allem um das Schicksal der beiden romulanischen Reiche drehte und
ebenfalls aus seiner Feder stammt. Inzwischen hat die neue
Imperatorin Gell Kamemor ihr Amt für das vor kurzem
wiedervereinigte Romulanische Reich angetreten und verpasst mit
ihrem bescheidenen und zurückhaltenden Stil der Innen- und
Außenpolitik eine entscheidende Wende. Es ist schön zu sehen, dass
der Fokus weiterhin auf politischen Prozessen liegt, die
interessant in Szene gesetzt sind. Dazu zählen auch die Diskussionen
mit der Föderation als Gegenseite, repräsentiert durch Präsidentin
Bacco.
Dass die auf friedliche Koexistenz ausgelegte Strategie vielen
altgedienten Romulanern (allen voran dem wohl bekannten Prokonsul
Tomalak) als Schwäche angesehen wird und damit ein Dorn im Auge
ist, bildet den Ausgangspunkt dieses Buches. Nur mithilfe der
romulanischen Warbirds und ihrer weiterentwickelten
Tarnvorrichtungen können die Breen die Jem'Hadar-Schiffsteile
unbeobachtet aus dem Gamma-Quadranten durch das bajoranische
Wurmloch bringen. Andererseits muss dies als Geheimmission ohne
Kenntnis der Imperatorin Kamemor ablaufen, die mit dem Vorhaben
nicht einverstanden wäre. Diese Konstellation wird bald zu schweren
Verwerfungen zwischen den beiden verbliebenen Großmächten führen.
In die vielschichtige Handlung streut David George viele
Charakterpassagen ein. Während Commander Elias Vaughn sich immer
noch im Koma zwischen Leben und Tod befindet, erhalten wir weitere
Einblicke in das Leben von Kira, die nun als Vedek Ratschläge
gibt.
Die Sorgen, die Sisko seit "Bestien"
umtreiben, werden erneut thematisiert. Diesmal wird endlich klar,
weshalb er sich von Kasidy und seiner Tochter distanzieren möchte:
Er sieht sich in der Rolle des Unglücksbringers, seitdem er von den
Propheten zurückgekehrt ist, und versucht alle ihm Nahestehenden
vor schwerem Unheil zu bewahren.
Leider gelingt es George nicht, den Leser dabei mitzunehmen. Im
Gegenteil: Das Hin und Her mit Kasidy ist auf Dauer ermüdend - wenn
auch stellenweise gefühlvoll erzählt. Hinzu kommt die übertriebene
(Pseudo-) Religiosität, die alle Romane seit
"Einheit" durchzieht.
Man hat das Gefühl, dass jede noch so belanglose Wendung mit dem
Willen der Propheten erklärt wird.
George versucht, dem Ganzen immerhin einen attraktiven Rahmen zu
geben, indem er den Handlungsstrang mit Siskos Visionen in
"Jenseits der Sterne" fortsetzt.
Doch auch das geht schief, denn während die Visionen ursprünglich
kraftvolle Metaphern auf den Rassismus unserer Realität waren,
verkommen sie in "Heimsuchung" zu effekthascherischen,
nichtssagenden Nacherzählungen der Begebenheiten von ein paar
Seiten vorher. Sie tragen dazu bei, dass das Buch viel zu lang
geworden ist.
Ein ärgerliches Missverhältnis besteht zwischen den intensiv
betrachteten DS9-Charakteren und denen von TNG, die teilweise
ungerechtfertigt im Hintergrund bleiben. So werden die Ereignisse
nach dem TNG-Roman
"Von Magie nicht zu unterscheiden",
der direkt vor "Heimsuchung" spielt, auf nur zwei Seiten
abgehandelt. Geordi LaForge beispielsweise, der danach eigentlich das
Kommado über die USS Challenger haben sollte, wird kommentarlos
wieder zum Chefingenieur der Enterprise. Allerdings ergeht es Worf,
dem früheren Botschafter, bereits seit dem Beginn der Typhon
Pact-Reihe genauso.
Was wirklich für "Heimsuchung" spricht, ist hingegen die packende
Handlung, nachdem sich die Enterprise mit dem romulanischen Warbird
Eletrix durch das bajoranische Wurmloch auf eine Forschungsreise
begibt. Irgendwie müssen die Romulaner die Enterprise abschütteln,
ohne Aufsehen zu erregen, was natürlich nicht nach Plan verläuft.
Dieser Umstand führt wiederum zu einer spannenden Hetzjagd, an der
auch die zufällig im Gamma-Quadranten weilende USS Robinson mit
Captain Sisko an Bord teilnimmt.
Gleichzeitig gewährt "Heimsuchung" einen sehnsüchtig erwarteten
Einblick in das isolierte Dominion, das sich seit dem Kriegsende
und besonders nach den Geschehnissen in
"Dominion - Fall der Götter"
viel mit sich selbst beschäftigt und durch diese Abgeschiedenheit
von einer mysteriösen Aura umgeben ist. Es ist eine Freude den
Formwandler Laas wiederzutreffen (DS9:
"Hirngespinst"), der eine wichtige
Rolle bei der Spaltung der Formwandler-Gesellschaft spielte.
Auf Deep Space Nine nimmt ein Wettlauf ganz anderer Art Gestalt an.
Es werden Bomben am Fusionsreaktor gefunden, die der Station
gefährlich werden könnten. Die fieberhafte Suche nach dem Saboteur
bringt so einiges auf den Prüfstand: Bashirs neuerwachte Liebe zu
Sarina, die nun dem Geheimdienst angehört, der neue
Sicherheitsoffizier Blackmer, dem Captain Ro (unverständlich viel)
Misstrauen entgegen bringt, und die Andorianer auf DS9, die nach
dem Austritt Andors aus der Föderation
("Zwietracht") schnell ins
Fadenkreuz der Ermittlungen geraten. Dass bei all dem auch noch
Sektion 31 mitmischt, gibt dem Ganzen wiederum eine unnötige
zusätzliche Ebene.
David George hebt sich den großen Knall für das Ende auf, der einen
spektakulären Schlussstrich setzt unter viele Jahre Deep Space
Nine.
Obwohl sich "Heimsuchung" ganz sicher mit zu vielen Themen
beschäftigt und dadurch hin und wieder den Fokus verliert, setzt
der Roman viele Handlungsstränge gelungen fort, die seit dem
vorzeitigen Ende der Deep Space Nine-Romane brachliegen, und kann
mit einer guten Mischung aus Action und Gefühl glänzen. Der Schluss
bietet einen geradezu perfekt inszenierten Cliffhanger und lässt
einen ungeduldig auf die Fortsetzung "Schatten" warten.
Infos:
Star Trek: Typhon Pact
Band 5
Titel: Heimsuchung (Plagues of Night)
Autor: David R. George III
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2014, USA: 2012
Deutsche Übersetzung von Christian Humberg
Preis: 14,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.