Geordi LaForge nimmt auf dem Captain's Chair Platz
von Andrej Schwabe, 25.03.2015
Inhalt:
Der ganze Ingenieursverstand der Sternenflotte muss aufgewendet werden, als die
Intrepid, ein NX-Schiff aus der Zeit von Archers Enterprise, gefunden wird.
Offenbar ist sie mehrere Jahrtausende im All getrieben, ihre Mannschaft ist
verschwunden und die Systeme an Bord lassen sich nur mit Mühe reaktivieren.
Doch das wird nur das erste einer ganzen Reihe von seltsamen Rätsel sein, mit
denen LaForge und die Ingenieure der USS Challenger konfrontiert sind.
Kritik:
Der Roman ist aus zwei mehr oder weniger lose miteinander verbundenen Teilen
aufgebaut. McIntee steigt im ersten Teil direkt ein in die Geschichte um das
mysteriöse Verschwinden und Wiederauftauchen der Intrepid und es gelingt ihm
zunächst ganz gut, eine rätselhafte, mysteriöse Atmosphäre aufzubauen,
kombiniert mit netten Details wie Picards Schwäche für Archäologie. Leider
scheint das ohne Absicht passiert zu sein, denn schon die nachfolgenden
Passagen beginnen die Schwächen zu zeigen, die das ganze Buch prägen. So sind
die Dialoge oft extrem detailliert und teilweise unnötig wiederholend, fast als
ob zwei Autoren gleichzeitig an dem Buch gearbeitet hätten. McIntee fehlt das
Gespür, die Geschichte konsistent und mitreißend zu entwickeln. Lieber lässt er
sie in unwichtigen technischen und physikalischen Details versinken und beraubt
sie damit der Faszination, die sie am Anfang noch ausgelöst hat. Charaktere
wirken wie gefühlslose Puppen und Handlungswenden sind an den Haaren
herbeigezogen. So taucht sowohl der nervige Ferengi Bok
("Die Schlacht von Maxia",
"Boks Vergeltung") wieder einmal auf
wie der zeitreisende Betrüger Rasmussen
("Der zeitreisende Historiker"). Sie kapern
das alte Schiff, um mithilfe eines abstrusen kosmischen Phänomens in die
Vergangenheit zu reisen - was alles keinerlei Verbindung zu den nachfolgenden
Geschehnissen haben wird. Dieser seelenlos erzählte Schrott ist einer der
Gründe, warum man sich am Ende durch mehr als 500 Seiten gequält hat.
Der zweite Teil hebt sich vor allem in Bezug auf die Handlung ab. Die ist zwar
immer noch voller Technik-Geplapper und häufigen Wiederholungen, aber immerhin
fantasievoll erzählt. Jetzt geht es auch endlich darum, was mit der Intrepid
passiert ist (obwohl ihre Zeitreise nicht aufgeklärt wird): Sie wurde von einer
ominösen "Trans-Slipstream-Wellenfront" getroffen, der sie nicht standhalten
konnte. Diese Erkenntnis ist Auftakt für eine streckenweise durchaus spannende
Geschichte, die LaForge als Captain der USS Challenger später bis über die
Grenzen der Galaxis hinausträgt. Dort wird er nicht nur Bekanntschaft mit
fremdartigen Trans-Slipstream-Lebewesen schließen, sondern auch das vermisste
Schiff seiner geliebten Mutter, die USS Hera, finden. Das ist auf der einen
Seite ein schöner Brückenschlag zur TNG-Episode
"Das Interface", auf der anderen
Seite ist LaForges Mutter seit Jahren tot und McIntee scheint auch so kein
Kapital daraus schlagen zu können; alles bleibt leider sehr technisch wie das
gesamte Buch.
Begleitet wird Geordi auf dieser Reise von der wie immer scheinbar allwissenden
Guinan, wobei McIntee hier den Bogen in Hinblick auf glückliche Zufälle
eindeutig überspannt: Die dienstälteste Star Trek-Barkeeperin hat wirklich in
jeder brenzligen Situation "eine seltsame Vorahnung" oder "einen guten
Ratschlag" parat, die dann logischerweise direkt zur Lösung beitragen.
Ebenfalls unglaubwürdig kann man es nur finden, wie herzlos und desinteressiert
Picard (und die Besatzung der Enterprise) LaForge zur Challenger ziehen lässt,
nachdem er immerhin viele Jahre eng mit ihm zusammengearbeitet hat. Schwach
motiviert und ausgearbeitet ist auch die Anwesenheit von Scotty, der zunächst
Captain der Challenger ist. Auch sein weiterer Verlauf, um nicht zu viel zu
verraten, kann nicht wirklich überzeugen und ist eher enttäuschend unwürdig.
Wiederum gelungen ist, wie gut LaForge seine Kommandorolle ausfüllt. Außerdem
kommen sich der glücklose Langzeit-Single und die ebenfalls an Bord weilende
Leah Brahms endlich näher
("Die Energiefalle",
"Die Begegnung im Weltraum").
Insgesamt ist "Von Magie nicht zu unterscheiden" ein viel zu langer Roman mit
einer abgefahrenen (positiv gesehen), aber auch schwach erzählten und
unglaubwürdigen Story ohne Gefühl für Charaktere und nachvollziehbare
Storyentwicklung, die einem mehr als nur einmal die Haare zu Berge stehen lässt
angesichts von lauter Infiniten Löchern, Singularitäten und
Trans-Slipstream-irgendwas.
Infos:
Star Trek: The Next Generation
Band 7
Titel: Von Magie nicht zu unterscheiden (Indistinguishable from Magic)
Autor: David A. McIntee
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2013, USA: 2011
Deutsche Übersetzung von Kerstin Fricke
Preis: 14,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.