Geheimmission auf Salavat
von Andrej Schwabe, 09.03.2015
Inhalt:
Basierend auf den Borg-Modifikationen der zurückgekehrten USS
Voyager entwickelt die Sternenflotte eigene Slipstream-Schiffe, die
Transwarp-Geschwindigkeiten ermöglichen. Die streng geheimen
Konstruktionspläne werden jedoch von Agenten des Typhon-Pakts
entwendet. Die Befürchtungen auf Seiten der Sternenflotte sind
groß, dass die Mitglieder des Paktes nun in kurzer Zeit selbst
eigene superschnelle Raumschiffe bauen könnten. Deshalb wird der in
Spionage-Angelegenheiten bewanderte Dr. Julian Bashir zusammen mit
einer alten Bekannten (Sarina aus dem "Jack-Pack", DS9:
"Statistische Wahrscheinlichkeiten")
losgeschickt, um die Pläne und mögliche Schiffe unbrauchbar zu
machen. Dabei tauchen sie als Geheimagenten tief in die fremde
Lebenswelt der Breen ein, in deren geheimen Schiffswerften ein
Prototyp vermutet wird.
Kritik:
Ungefähr ein Jahr nach dem letzten Borg-Konflikt, der für die
Föderation fast in einem Desaster geendet hätte, ist auch die
politische Landschaft in der Galaxis komplett über den Haufen
geworfen (Destiny-Trilogie,
"Einzelschicksale").
Die Reihe "Typhon Pact" widmet sich dem Verhältnis zum neu
entstandenen Gegenspieler, zu dem sich unter anderem Romulaner,
Gorn und Breen zusammengeschlossenen haben. Angesichts der schweren
Schäden, die die Föderation und die Sternenflotte erlitten haben,
schält sich dieser heterogene Machtverbund schnell als
ernstzunehmende, schwer einzuschätzende Bedrohung heraus. Bisher
wird das empfindliche Machtgefüge nur durch das Monopol der
Sternenflotte auf den Slipstream-Antrieb gesichert, was schließlich
den Ausgangspunkt für "Nullsummenspiel" darstellt.
Der Fokus liegt dabei definitiv auf der Erkundung der Breen, einem
verschlossenen Volk, über das nur Widersprüchliches bekannt ist
(wie beispielsweise über ihren Heimatplaneten, siehe DS9:
"Eine sonderbare Kombination").
Gekleidet in unnahbare Ganzkörperanzüge und ausgestattet mit für
Außenstehende unverständlichen Vokodern, wuchsen sie in der siebten
DS9-Staffel zu gefürchteten Verbündeten des nicht weit von der
Niederlage entfernten Dominions heran. David Mack gelingt mit
diesem Buch eine faszinierende und fantasievolle Erweiterung des
bereits sehr vielfältigen Star Trek Alien-Universums, indem er die
Breen mit einer besonderen Form von Paranoia ausstattet, die zu
einer starken Maskierung der Individuen auf der einen Seite und
zur völligen Überwachung des sozialen Lebens auf der anderen führt.
Ähnlich wie jede andere Star Trek-Spezies spiegeln die Breen damit
eine sehr zeitgenössische Situation wider, was gerade durch die
expliziten Bezüge zu Geheimdiensten und personalisierter Werbung
deutlich gemacht wird. Kurioserweise führt der große Wert von
Privatsphäre soweit, dass in den Breen-Anzügen wohl ungefähr
zwölf körperlich sehr unterschiedliche Spezies stecken.
Die Handlung beginnt mit der packend erzählten Entwendung der
Baupläne für den Slipstream-Antrieb sowie der schnellen
Entscheidung der Sternenflotte, dass eine entsprechende geheime
Gegenmission die Fähigkeiten der genetisch aufgewerteten Menschen
Julian Bashir und Sarina erfordert. Zügig lässt David Mack dann
beide in ihr Abenteuer mit ungewissem Ausgang starten. Parallel
dazu entwickelt sich eine mäßig spannende Nebenhandlung auf dem
Slipstream-Schiff Aventine, das auf die Rückkehr der beiden Agenten
an der Breen-Grenze wartet und dabei Versteckspiele mit den
feindlichen Breen- und Romulaner-Schiffen absolviert.
Die Haupthandlung geht derweil abwechslungsreich und ohne viel
Schnickschnack voran und spielt immer wieder gekonnt mit der
Neugier des Lesers, wie wohl die Breen aussehen und die beiden
Agenten ihre Aufgabe bewältigen. Natürlich läuft die Operation
nicht reibungslos ab (das wäre auch seltsam für DS9-Verhältnisse) -
aus gutem Grund: Weder haben die beiden eine Ahnung, wo sie genau
nach den Plänen suchen müssen, noch bleiben sie unerkannt. Um diese
verfahrenen Situationen zu lösen, muss Mack dann doch etwas dick
auftragen: Die zufällige und ganz günstig kommende Hilfe einer
Dissidentenorganisation im Untergrund, die ungewöhnlich simple
Flucht von Sarina aus der Breen-Folterkammer oder Bashirs
Weltallflug in einem Breen-Anzug. Insgesamt löst Mack aber sein
mehrfach gehaltenes Versprechen auf eine unterhaltsame und
mitreißende Geschichte ein.
Nur kurz widmet sich der Roman den Veränderungen, die auf der
Raumstation Deep Space Nine in den vergangenen fünf Jahren seit dem
letzten Roman "Der
Seelenschlüssel" stattgefunden haben. Der in
"Einheit" von den Propheten
zurückgekehrte Sisko und selbst Kira sind nicht mehr auf der
Station. Ezri Dax befehligt inzwischen die schnittige Aventine, und
Worf, O'Brien, Odo und Garak gehen ihren eigenen Aufgaben und
Missionen nach ("Die Welten von Deep Space Nine"). Nur Ro Laren ist
unerwarteterweise zum Captain der erlebnisreichen Station
aufgestiegen, während Quark wie eh und je in seiner Bar die
Stellung hält. Umso mehr schmerzt es, dass Typhon Pact als
Crossover-Romanreihe konzipiert ist, denn man würde nur allzu gern
mehr darüber erfahren, was in den letzten Jahren seit dem
unrühmlichen Finale der neunten Staffel auf DS9 geschehen ist.
So ist von der ursprünglichen TV-Stammbesatzung neben Quark lediglich
der Doktor geblieben, der sich dank trübseliger Gedanken kurz vor
seinem 40. Geburtstag in den anschließenden Geheimauftrag stürzt.
Bemerkenswert ist am Ende der Kontrast zum jüngeren Bashir in
"Unter den Waffen schweigen die Gesetze",
der noch flammende Reden gegen "der Zweck heiligt die Mittel"
hielt, während er hier vergleichsweise gelassen mit den Morden im
Rahmen der Mission umgeht. Das lässt sich auch stellvertretend als
Veränderung der Föderation verstehen, deren Werte unter dem
Eindruck der vielen lebensbedrohlichen Kriege offenbar stark in
Mitleidenschaft gezogen wurden.
Sarinas Auftauchen führt die TV-Episode
"Sarina" fort, in der ihre
durch die genetische Manipulation ausgelöste Isolation geheilt
wird. So wird beispielsweise an die kleine Liebesgeschichte
zwischen ihr und Bashir angeknüpft und diese mehr oder weniger
plakativ weiterentwickelt. Viel kann David Mack angesichts der
stereotypen Ausgangslage dabei nicht herausholen; allein die
Gegenüberstellung zu Julians früherer Beziehung zu Ezri bringt ein
bisschen Leben in die Konstellation. Ganz am Ende eröffnet sich dem
Leser aber noch, dass die Romanze einen doppelten Boden hat:
Sektion 31 hat die Hand auf Sarina, um den rebellischen Doktor
endlich kontrollieren zu können. Während die skrupellose
Geheimorganistaion zum Beispiel in "Abgrund"
noch eine elementare Triebfeder für eine aufregende Geschichte ist,
wirkt ihr Auftreten hier mehr als unnötig und zieht die Romanze in
eine noch klischeehaftere Richtung.
Der Titel "Nullsummenspiel" deutet die vielen Leichen an, über die
Bashir und Sarina für den Erfolg der Mission gehen. Typhon Pact
schiebt Star Trek damit wieder in Richtung militärischer Konflikt,
was angesichts der vielen Auseinandersetzungen in der jüngsten Star
Trek-Geschichte durchaus diskussionswürdig ist. Aber immerhin
bietet sich damit auch die Aussicht auf viele neue unbekannte oder
wenig bekannte Völker und spannende Geschichten. Außerdem führt der
Roman vor Augen, dass eine Fortsetzung von DS9, mitsamt aller
Charaktere, sehr wünschenswert ist.
Infos:
Star Trek: Typhon Pact
Band 1
Titel: Nullsummenspiel (Zero Sum Game)
Autor: David Mack
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2013, USA: 2010
Deutsche Übersetzung von Kerstin Fricke
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.