Der Weg zur Großmacht
von Andrej Schwabe, 29.02.2016
Inhalt:
Das Romulanische Reich ist nach Shinzons Putsch geteilt: Das
Romulanische Sternenreich unter Praetor Tal'Aura tritt dem
neugegründeten Typhon-Pakt bei, während Imperatorin Donatra den
ressourcenreichen Imperialen Romulanischen Staat regiert, der die
Nähe zur Föderation sucht. Der schwelende spannungsreiche Konflikt
bietet Botschafter Spock die Möglichkeit, seine
Wiedervereinigungsbewegung mit Vulkan aus dem Untergrund zu holen.
Aber auch die anderen Mitglieder des Typhon-Pakts möchten ihre
Vorteile aus der verfahrenen Situation ziehen, die gefährlich nahe
an einer militärischen Auseinandersetzung ist.
Währenddessen gerät Captain Benjamin Sisko immer tiefer in eine
persönliche Krise und vermutet, dass die Propheten ihm neue
Probleme bereiten.
Kritik:
Auf knapp 300 Seiten versammelt David R. George hier drei prall
gefüllte, locker ineinander verwobene Handlungsstränge, die viele
Überraschungen bereithalten.
"Bestien" wird dominiert von weitschweifigen politischen
Betrachtungen und Manövern, deren Darstellung einen angenehmen
Kontrast bildet zum plumpen Politiker-Bashing in den jüngsten Star
Trek-Romanen, wie es beispielsweise Michael Martins Romane
durchzieht ("Feuer").
Dabei haben die Tzenkethi, die bisher nur indirekt in Erscheinung
getreten sind, ihr gelungenes Debüt: Bei ihnen würde Aldous Huxleys
Dystopie einer
"Schönen neuen Welt"
kein Unbehagen auslösen, denn sie haben die Züchtung genetischer
Kasten zur Zufriedenheit aller perfektioniert. Sie können ihre
Körperform sehr flexibel verändern und sind von einer unter
Umständen sehr gefährlichen Aura umgeben. Ihre Schiffe erinnern
ein wenig an die der Vorlonen aus Babylon 5, da sie eine (zumindest
zeitweise) flüssige Oberfläche zu besitzen scheinen. Der letzte
Typhon-Pakt-Roman "Risiko" lässt uns dann auch eintauchen in die
einzigartige Gesellschaft der Tzenkethi.
Letztendlich sind sie trotz der faszinierenden Ausgestaltung aber
vor allem eines: ein undurchsichtiger Teil des Typhon-Pakts, der
ein gesteigertes Interesse an der romulanischen Innnenpolitik zu
besitzen scheint. Die Romulaner steuern nach den unruhigen Zeiten
von und nach Shinzons gewaltvoller Machtergreifung
("Nemesis") nämlich auf eine
ungewisse Zukunft zu. Das stolze und immer noch sehr mächtige
Sternenreich wird hier am Rande eines drohenden Bürgerkrieges
präsentiert. Aber im Gegensatz zum klingonischen Bürgerkrieg
("Redemption") bricht sich kein
blutiger Konflikt Bahn, trotz der jeweiligen Verbindungen zu den
beiden Großmächten Typhon-Pakt und Föderation sowie unzähliger
Demonstrationen auf den romulanischen Welten.
Tal'Auras Imperium, das das frühere Romulanische Reich fortführt,
hat sich dem Typhon-Pakt angeschlossen, um die wirtschaftlichen und
militärischen Verluste nach der Abspaltung von Donatras Teil
auszugleichen. "Bestien" zeichnet nicht nur das Wechselspiel
zwischen den beiden konkurrierenden Imperatorinnen nach, sondern
auch die Schritte, die Tal'Auras Reich beschreitet auf dem Weg in
den Typhon-Pakt. Wir erleben die Diskussionen um den Beitritt der
Romulaner, die Vertragsunterzeichnungen und sogar den Bau einer
gemeinsamen Raumstation. Der Pakt bringt eine immer stärkere
Verflechtung seiner Mitglieder vor allem auf militärischer Ebene
mit sich, was der Lage noch mehr Spannung verleiht.
Im Spannungsfeld dieses Konflikts kommt Botschafter Spocks im
Untergrund schlummernde Wiedereinigungsbewegung ins Spiel, die sich
seit TNGs "Wiedervereinigung?"
das scheinbar widersprüchliche Ziel setzt, für eine Annäherung zu
den physisch so ähnlichen und gesellschaftlich doch so
verschiedenen Vulkaniern zu werben. Imperatorin Tal'Aura plant die
Bewegung als Katalysator für eine romulanische Wiedervereinigung
einzusetzen, freilich unter ihrer Vorherrschaft. Ein interessanter
Zug, der sowohl die Konsistenz als auch die Lebendigkeit des
derzeitigen Star Trek-Roman-Universums unterstreicht.
Angesichts des knappen Platzes rast George förmlich durch die
Ereignisse um die aufstrebende junge Bewegung und kann sich leider
kaum Zeit leisten, um Spocks Motive und Gedanken oder die seiner
Anhänger eingehender zu beleuchten.
Umso intensiver widmet sich der Roman Captain Siskos Gefühlswelt,
was gleichzeitig auch ein Signal für die Entwicklungen in den
folgenden Romanen der Typhon-Pakt-Reihe ist. Die Brücke zur
Einbindung der unbestrittenen Hauptfigur aus Deep Space Nine ist
zwar mit einer Mission im romulanischen Reich recht dünn, aber das
vergisst man schnell angesichts des emotional packenden Porträts,
das George hier zeichnet.
Nach seiner Rückkehr Ende der "achten Staffel"
("Einheit") sah alles nach
einem glücklichem Ende für Sisko aus. Mit dem fünf Jahre später
angesiedeltem "Bestien" wird alles auf den Kopf gestellt: Siskos
Lage wirkt zutiefst hoffnungslos. Der Roman leitet sogar mit den
dramatischen Ereignissen während der Verteidigung gegen die Borg
("Destiny") ein, die im Übrigen
exzellent und packend inszeniert sind und mit Commander Elias
Vaughn für Sisko anscheinend ein sehr persönliches Opfer gebracht
haben. In diesem Roman eher unpassend platziert, dafür jedoch
spannend erzählte Rückblicke zum Tzenkethi-Krieg verstärken den
Eindruck. Nachdem schließlich noch sein eigenwilliger, geliebter
Vater verstirbt scheinen die Zeichen gegen den Abgesandten zu
stehen.
Durch die vielen Unglücke beschleicht ihn das Gefühl, dass er von
den Propheten verlassen wurde, und er überlegt sogar, sich von
Kasidy zu trennen. Das ist mit Sicherheit der am schwierigsten zu
verdauende Brocken, der sich nur mit Mühe in Verbindung mit dem
früheren Sisko bringen lässt. Insgesamt betrachtet ist Siskos
Entwicklung damit sehr interessant und aufwühlend, auf der anderen
Seite aber ebenso unverständlich. Außerdem verdeutlicht es ein
weiteres Mal, dass Sternenflotten-Offiziere Probleme scheinbar
gerne alleine bewältigen wollen (siehe Chakotay in "Projekt Full
Circle").
Trotz seiner geringen Seitenzahl ist "Bestien" angefüllt mit
Informationen zu weiteren DS9-Charakteren, nach denen man als Leser
inzwischen giert. Den beachtlichsten Weg hat vielleicht Kira
zurückgelegt, die inzwischen Vedek ist und (auch ungefragt) weise
Ratschläge ausgibt. Der Informationsrückstand wird im kommenden
Zweiteiler von George ("Heimsuchung" und "Schatten") noch viel
weiter aufgearbeitet.
"Bestien" überspannt zwar einen langen Zeitraum, der vom
Tzenkethi-Krieg über die Borg-Bedrohung bis zur Wiedervereinigung
der Romulanischen Reiche reicht. Gerade durch die Dynamik, die
durchaus Platz für viele eindrückliche Charaktermomente neben der
Actionpassagen bietet, kommt jedoch keine Langweile auf, was
definitiv Lust auf mehr macht.
Infos:
Star Trek: Typhon Pact
Band 3
Titel: Bestien (Rough Beasts of Empire)
Autor: David R. George III
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2013, USA: 2010
Deutsche Übersetzung von Christian Humberg
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.