Rikers Kampf mit den Gorn
von Andrej Schwabe, 06.10.2015
Inhalt:
Während die ganze Galaxis gegen die Borg kämpft, geschieht auf
Sazssgrerrn, der Brutstätten-Welt der Gorn-Kriegerkaste, ein großes
Unglück: Sein Stern sendet einen tödlichen Strahlungsstoß zu dem
Planeten und macht ihn unbewohnbar. Die Gorn-Krieger sehen sich
gezwungen, eine neue Welt für ihre Eier zu finden, was sich wegen
Sazssgrerrns Einzigartigkeit als schwieriges Unterfangen
herausstellt. Das Glück spielt ihnen in die Hände, als sie einen
Transformer finden, der ähnlich wie das Genesis-Gerät
(Star Trek II: Der Zorn des Khan)
Welten lebensfreundlicher werden lässt. Auch die von Riker
geführte USS Titan trifft auf das Gerät, just in dem Moment, als
die Gorn planen, eine belebte Welt für ihre Zwecke umzuwandeln.
Kritik:
Nach dem vielversprechenden Auftakt wird die Typhon Pact-Reihe mit
einem ruhigeren Roman fortgesetzt, der sich wieder mehr den Star
Trek-Idealen widmet und den Nutzen von Verständnis von und
Zusammenarbeit mit anfangs noch fremden Kulturen bewusst macht.
Während in "Nullsummenspiel"
die wie aus Star Wars entliehen scheinenden Breen im Fokus standen,
werden in "Feuer" die angriffslustigen Gorn näher beleuchtet, die
ihr Debut in TOS "Ganz neue Dimensionen"
(beziehungsweise in ENT "Im finsteren Spiegel")
hatten und ebenfalls Mitglied des neu gebildeten Typhon Pakts sind.
Die Geschichte tastet sich gemächlich an den zentralen Konflikt
heran: Alles beginnt mit der schrittweisen Entdeckung der von den
Gorn umgestalteten Welten, die der Besatzung der Titan zunächst
große Rätsel aufgeben. Gleichzeitig wird enthüllt, was mit den
Gorn-Kriegern passiert ist, die den Vorfall auf Sazssgrerrn schwer
verstrahlt überlebt haben. Dann rückt der friedliche Ausgleich
zwischen den verschiedenen Interessen in den Vordergrund: auf der
einen Seite die Gorn, die verzweifelt mithilfe des Transformers
eine Brutstätte für ihre Krieger erschaffen wollen, und auf der
anderen die ahnungslose Bevölkerung auf dem Planeten Hranrar, die
dafür geopfert werden soll. Dem Eingreifen Rikers steht
offensichtlich die oberste Direktive entgegen, was den Roman in
eine allzu bekannte und uninspirierte Richtung lenkt. Nicht ganz
überraschend ist wohl, dass den Sazssgrerrn-Gorn eine entscheidende
Rolle bei der Auflösung zukommt.
Die detaillierte Beschreibung der Erlebnisse des
Gorn-Wissenschaftlers S'syrixx, eines weiteren Überlebenden von
Sazssgrerrn, der angesichts der millionenfachen Vernichtung
zunehmend ins Zögern gerät und auf der Titan Asyl sucht, mag auch
nicht wirklich begeistern. An sich ist es keine schlechte Idee, an
seinem Beispiel die Ideale der Sternenflotte durchzudeklinieren
(für beide Seiten), aber Martin gesteht S'syrixx nicht viel
Freiraum zu, sodass er seine Abneigung gegenüber Säugetieren nicht
wirklich überwinden kann. Außerdem sorgt sein ständiges Hin und Her
zwischen Gorn und Föderation für wenig Sympathie und
Glaubwürdigkeit.
Nicht von der Hand zu weisen sind zudem gewisse Ähnlichkeiten in
der Handlungsstruktur zu dem zeitlich benachbarten Titan-Roman
"Gefallene Götter".
Und insgesamt läuft die Handlung recht konstruiert ab: Riker agiert
anfangs ziemlich zögerlich und traut dem übergelaufenen Gorn nicht,
lässt ihn geradezu in der Luft hängen. Eine unsinnige Auswälzung
des Konflikts, denn es ist zu diesem Zeitpunkt bereits klar, was
die Gorn planen und dass S'syrixx' Informationen ausgesprochen
wichtig sein werden. So verfahren ziehen sich weite Teile des
Romans ohne große Ereignisse hin, bis Martin am Ende mit dem
Erwachen des Transformers mehr oder weniger plump eine
unbefriedigende Lösung präsentiert.
Interessant ist die Ausgestaltung der Gorn mitsamt ihres
vielfältigen Kastensystems. Die Konzentration auf bestimmte
Brutstätten lässt einen unwillkürlich an irdische Reptilien denken,
obwohl das Konzept für eine raumfahrende Spezies etwas zu riskant
erscheint. Genauso kommen die vokalen Fertigkeiten der Gorn
mehrmals zur Sprache und zum Einsatz.
Gerade wenn man sich den medizinischen Offizier Ree vor Augen führt
und wie vielseitig und durchaus unkonventionell er in der
Titan-Reihe charakterisiert wird, relativiert sich jedoch Martins
Originalität in Bezug auf die Gorn. Sie sind stereotyp in zwei
Klassen einsortiert: aggressive, hirnlose Krieger und bedächtige,
ängstliche Techniker. Wesentlich mehr Charaktereigenschaften
scheinen sie darüber hinaus nicht zu besitzen.
Ein bekanntes Problem von Martins Romanen sind die länglichen und
nicht immer ganz schlüssigen Erklärungen und auffällig vielen
Wiederholungen schon bekannter Tatsachen (hier sei nur dezent auf
seine Beiträge zu Enterprise verwiesen). Ein weiteres ist sein
eigenwilliges Verständnis der Charaktere (siehe beispielsweise
"Der Romulanische Krieg I"):
Sicherheitsoffizier Keru ist hier abonniert auf die untypische
Rolle des testosterongeladenen Draufgängers. Und während die Erste
Offizierin Vale sonst in den Titan-Romanen für erfrischenden
Schwung gesorgt hat, ist sie hier zu einer unnötig flapsig
kommentierenden, sprunghaften Statistenrolle verdammt.
War "Nullsummenspiel"
kein echter DS9-Roman, so kann "Feuer" ganz gut in die Titan-Reihe
eingeordnet werden. Leider bleibt nach seiner Lektüre ein ähnliches
Gefühl zurück wie nach dem Studium von Martins Danksagungen: eine
scheinbar endlose Aufzählung - ohne eigene Ideen und viel Fantasie.
Die Charaktere sind schlecht getroffen und leblos, das Buch wartet
mit einer lieblos zusammengeschriebenen Standardhandlung auf.
Infos:
Star Trek: Typhon Pact
Band 2
Titel: Feuer (Seize the Fire)
Autor: Michael A. Martin
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2013, USA: 2010
Deutsche Übersetzung von Sabine Elbers und Andrea Bottlinger
Preis: 14,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.