DSi

TNG 6.11 Geheime Mission auf Celtris III Teil II


Chain of Command Part II

von Yann-Patrick Schlame

Episodenbeschreibung

Sternzeit: 46360,8
Captain Picard wird nach wie vor von Gul Madred verhört, der von ihm die Verteidigungspläne der Föderation für Minos Korva erfahren möchte. Picard beteuert, die Pläne nicht zu kennen.

Jellico steckt ebenfalls in Schwierigkeiten, da er kaum eine Aussicht auf Erfolg bei den diplomatischen Verhandlungen sieht. Zudem wissen die Cardassianer von Picards Operation und berichten, dass er gefangen genommen wurde. Riker macht sich mit einem Shuttle auf den Weg zum Treffpunkt mit Picards Team, doch er kehrt nur mit Crusher und Worf zurück, die von der Falle berichten, so dass der Cardassianer die Wahrheit zu sagen scheint.

Picards Verhör geht indes weiter. Zunächst versucht Madred es auf sehr diplomatische Art und Weise, spricht mit Picard über die Geschichte seines Volkes und versucht, die Militärherrschaft und die Kriege zu rechtfertigen, die sein einstmals friedliches, aber armes Volk führt. Doch als das keinen Erfolg zeigt, beginnt er, Picard zu foltern. Er lässt Picard entkleiden und hängt ihn über Nacht an den Händen auf. Am nächsten Tag hat er eine neue Boshaftigkeit: Picard wurde ein Gerät implantiert, das an jeder Stelle seines Körpers Schmerzen auslösen kann. Madred benutzt es sogleich, um die Wirkung zu demonstrieren. Er beginnt mit einer seelischen Folter, indem er eine Lichterbatterie mit vier Lampen einschaltet, doch er will, dass Picard zugibt, es seien fünf Lichter. Picard weigert sich.

Jellico wird damit konfrontiert, entweder zugeben zu müssen, dass Picard auf Befehl der Föderation handelte, womit er als Kriegsgefangener behandelt würde, oder dies zu leugnen. In dem Fall würden die Cardassianer Picard wie einen Terroristen behandeln und hinrichten. Jellico leugnet einen offiziellen Auftrag. Nachdem die Cardassianer auf ihr Schiff zurückgekehrt sind, protestiert Riker heftigst; er sieht nicht ein, dass Picard für eine Verhandlungsstrategie geopfert werden soll. Jellico suspendiert ihn vom Dienst.
Zusammen mit Geordi und Data, der jetzt Erster Offizier ist, folgert Jellico, dass diese Situation nur herbeigeführt wurde, um Picard in die Finger zu bekommen, da Picard einer von nur drei Föderationscaptains ist, der Erfahrung mit Theta-Band-Emissionen hat, wie sie von Celtris III geortet wurden. Da die Enterprise bei einem Überfall der Cardassianer in diesem Sektor das Kommandoschiff wäre, kennt Picard die Verteidigungspläne der Föderation. Doch wo wollen die Cardassianer einen Angriff starten? Jellico lässt die Reklar, das Schiff der Cardassianischen Unterhändler, scannen, und man entdeckt ein molekulares Dispersionsfeld an der Hülle. Dieses könnte durch den McAllistair-Nebel verursacht worden sein, der sich in der Nähe des Minos Korva-Systems befindet und in dem man Schiffe nicht ohne Weiteres orten könnte. Jellico lässt Kurs setzen.

Madred hat sich etwas Neues einfallen lassen: Er sagt, dass er Picard nun gehen lässt; stattdessen wird er Dr. Crusher verhören. Picard ist bereit, sich weiter den Verhören auszusetzen, damit Beverly dies nicht erdulden muss.

Währenddessen ist die Enterprise bei dem Nebel eingetroffen, und Geordi hat ein Shuttle so modifiziert, dass es in der unwirtlichen Umgebung nicht beschädigt wird; allerdings bedarf es eines immens guten Piloten, um mit dem Shuttle in den Nebel zu fliegen und, wie es der Plan vorsieht, die vermuteten cardassianischen Schiffe mit Haftminen zu versehen. Riker kommt als einziger in Frage. Jellico und Riker sprechen sich aus: Keiner von beiden mag den anderen und hält ihn nicht für einen fähigen Offizier, aber Riker wird das Shuttle fliegen.

Picard wird nach längerer Zeit geweckt und bekommt endlich etwas zu essen. Doch nach wie vor weigert er sich, fünf Lichter zu sehen, es gelingt ihm stattdessen, Madred in Rage zu versetzen.

Als Riker fertig ist, kontaktiert Jellico die Cardassianer und lässt als Demonstration eine der kleineren Minen zünden. Er verlangt den sofortigen Rückzug der cardassianischen Schiffe aus diesem System und die Freilassung Picards. Zähneknirschend erfüllt man die Bedingungen, da den Cardassianern nichts anderes übrig bleibt.

Madred holt zu einer letzten Gemeinheit aus: Er sagt Picard, dass er für den Rest seines Lebens ein Gefangener der Cardassianer bleiben wird; die Enterprise sei zerstört, der Überfall erfolgreich gewesen. Nun läge es an Picard, ob er weiterhin gefoltert werden will, oder ob er ein Leben in relativem Luxus führt und sogar seine archäologischen Forschungen weiter führen darf. Alles, was er tun muss, ist zu sagen, dass er fünf Lichter sieht. Bevor Picard antwortet, betreten drei Wachen den Raum und erklären, dass Picard sofort zur Enterprise zurückgebracht wird. Picard brüllt mit letzter Kraft Madred an: "Es sind vier Lichter!"

Nachdem Jellico ihm das Kommando wieder übergeben und sich verabschiedet hat, übergibt Picard Riker die Brücke und zieht sich mit Troi in seinen Bereitschaftsraum zurück, wo er ihr berichtet, dass er in jenem letzten Moment bei Madred kurz davor war, die Existenz von fünf Lichtern zuzugeben; er glaubte bereits, dass es fünf seien...




Bewertung

Im Gegensatz zu den meisten anderen Doppelfolgen ist hier der zweite Teil bei Weitem wichtiger als der erste. Dies vor allem wegen der immens intensiven Verhörszenen zwischen Madred und Picard, erst in zweiter Linie dann wegen der eigentlichen Handlung, also der geplanten cardassianischen Invasion.

Das Verhör und die Folter erinnern an die gemeinsten Szenen des Romans "1984" von George Orwell, wo dem Helden zwei Finger hingehalten werden, er aber drei erkennen soll. Das Design des Raumes, in dem Picard verhört und gefoltert wird, ist schlicht und dunkel und lässt keinen Zweifel, dass es von hier kein Entkommen gibt: Nur ein einzelner Tisch, hinter dem Madred Platz nimmt, ein Stuhl für Picard und vier Scheinwerfer, sonst findet sich dort nichts.

Dieses Verhör ist eine filmische und schauspielerische Meisterleistung; zum einen David Warner, der als Gul Madred den Verhörführer mit allen Facetten verkörpert: Er nutzt jedes Mittel, um Picard kleinzukriegen, lässt sogar seine kleine Tochter hereinkommen und erklärt ihr vor Picards Augen, dass die Menschen ihre Kinder nicht so sehr lieben, wie es die Cardassianer tun. Er verweigert dem Captain Nahrung und Wasser, peinigt ihn mit Schmerzen und erniedrigt ihn durch das Entkleiden. Zwischendurch lässt er immer wieder einen Hoffnungsschimmer aufkeimen, so z.B. als er Picard das erste Mal sagt, er könne nun gehen, und vernichtet diese Hoffnung sogleich, indem er berichtet, dass er stattdessen Dr. Crusher verhören wird.
Auf der anderen Seite steht Patrick Stewart, dessen Darstellung Picard zunächst mutig und unbeugsam zeigt, doch als die Zeit vergeht und Hunger und Schmerz ihre Wirkung zeigen, ist er zunehmend schwächer, kann sich kaum noch auf den Beinen halten und nur mit letzter Kraft widerstehen.
Von allen Episoden und Filmen von TNG ist diese Leistung Stewarts wohl die höchste und zugleich schwierigste. Es gelingt ihm in allen Situationen, den verzweifelten Captain so intensiv und glaubwürdig zu vermitteln, dass man meint, er hätte sich tatsächlich einer Folter ausgesetzt, um diese Rolle zu spielen. Damit stellt er erneut unter Beweis, dass er von der schauspielerischen Seite Lichtjahre über den anderen Darstellern steht (ohne deren Leistung hier schmälern zu wollen).

Doch auch die weiteren Aspekte der Episode sind natürlich nicht unwesentlich. Da wäre zunächst Captain Jellico, verkörpert von Ronny Cox, einem beliebten Nebenrollendarsteller aus Hollywoods zweiter Riege. Seine Darstellung des Cpt. Jellico erinnert an Cpt. Queeg aus "Die Caine war ihr Schicksal". Er gibt sich stets selbstsicher und überlegen, gesteht Fehler nicht ein, und doch spielt er bei den Verhandlungen oder in Situationen, in denen er nicht die Oberhand hat, mit seinen Händen, so wie Humphrey Bogart mit seinen Silberkugeln spielte, um seine Nervosität und innere Unsicherheit zu verbergen. Als sich Jellico mit Riker ausspricht, da er Riker bittet, das Shuttle zu fliegen, wird er wieder etwas sympathischer, die Fronten sind geklärt, und er weiß das.
Sein Charakter bleibt trotzdem fragwürdig. Zwar erfuhr man im ersten Teil, dass er bei den Verhandlungen zum Waffenstillstand mit den Cardassianern dabei war, doch setzt er alles daran, den Konflikt mit Gewalt zu lösen. Daher ist es fragwürdig, weshalb die sonst so auf Frieden bedachte Sternenflotte ausgerechnet ihn in die vorderste Linie schickt, um mit den Cardassianern zu verhandeln. Vielleicht kann man ihn sogar mit dem verschwörerischen Adm. Cartwright in "Star Trek VI: Das unentdeckte Land" vergleichen; es scheint, ein Krieg mit den Cardassianern ist Jellico lieber als ein Frieden.

Wie unser Redakteur Burkhard Wallner anmerkt, ist der Name von Captain Jellico offenbar eine Anspielung auf Admiral Sir John Jellicoe, Kommandant der britischen Flotte in der Skagerrakschlacht im Ersten Weltkrieg (Wikipedia, Memory Alpha).

Von den übrigen Charakteren ist in erster Linie Riker erwähnenswert; er legt sich mit Jellico an, um sich für Picard einzusetzen und zieht den Kürzeren. Dafür kostet er seine überlegene Position mit größtem Genuss aus, als er gebeten wird, das Shuttle zu fliegen. Er lässt Jellico wie den Fisch an der Leine zappeln, da er weiß, dass Jellico ihm keine Befehle geben kann, solange er suspendiert ist. Er lässt es sich nicht nehmen, dass Jellico ihn bitten muss, den Auftrag durchzuführen, und setzt sein breitestes Grinsen auf. Damit macht er unmissverständlich klar, dass er in dieser Situation die Oberhand hat.

Troi bemüht sich trotz ihrer Abneigung gegen Jellico, zwischen ihm und Riker zu vermitteln, mit bescheidenem Erfolg. Am Ende der Episode ist es dann ihre Aufgabe, mit Picard über das Erlebte zu sprechen und zu versuchen, die seelischen Wunden zu heilen, die er erlitten hat.

Data und Geordi tun ihre Pflicht, Data gewohnt emotionslos, womit er der beste Erste Offizier sein dürfte, den sich Jellico unter den gegebenen Umständen wünschen kann, und Geordi erweckt als einziger den Eindruck, mit Jellico klarzukommen. Kurz bevor das Shuttle bereit ist, führen die beiden sogar ein wenig Small Talk miteinander (beide begannen ihre Karriere als Shuttlepiloten auf der Jovian-Strecke, der Verbindung zwischen Jupiter und Saturn).

Crusher und Worf wirken mehr oder weniger wie Statisten. Man kann Worf zwar keine Vorwürfe machen, da er offensichtlich keine Chance hatte Picard zu helfen, als man in den Hinterhalt geriet, doch sollte man eigentlich erwarten, dass Worf die Gefangennahme Picards persönlicher nimmt, als er es tut; immerhin hat Picard als Worfs cha'Dich ("Die Sünden des Vaters") sein Leben riskiert und Worf auch so gut er konnte in "Der Kampf um das klingonische Reich" beigestanden.

Von den üblichen Gästen ist keine Spur zu sehen; O'Brien fehlt, und Guinan, die im Zusammenhang mit Jellico sehr interessant hätte seien können, ist auch nicht dabei, genauso wie Schwester Ogawa, die die seltene Gelegenheit gehabt hätte, Dr. Crusher zu behandeln, anstatt ihr nur zu assistieren.

Auch die Story ist nicht ganz frei von Unklarheiten: Als sich die Enterprise auf den Weg zum McAllistair-Nebel macht, beschwert sich der cardassianische Unterhändler nicht, obwohl sein Schiff der Enterprise direkt gegenüber lag. Er hätte doch merken müssen, dass sich Jellico auf den Weg zum Nebel macht, in dem die gesamte Angriffsflotte versteckt liegt. Stattdessen meldet er sich erst, als Stunden später die Minen bereits gelegt sind, und aus irgendeinem Grund befinden sich Minen an seinem Schiff. Das heißt, er muss auf ähnlichem Kurs wie die Enterprise in den Nebel geflogen sein, ohne dabei entdeckt zu werden und ohne ihre Pläne zu erraten, um sich vollkommen überrumpeln zu lassen. Vollkommen unglaubwürdig.

Angenehm ist hingegen, dass man ein wenig über die cardassianische Geschichte erfährt. So zeigt sich, dass die Cardassianer einst eine friedliche und reiche Kultur waren, deren zunehmende Armut sie dazu brachte, Kriege zu führen und zum gegenwärtigen Status der Militärherrschaft zu gelangen.

Abschließend betrachtet sprechen aber wesentlich mehr Aspekte für diese Episode als dagegen. Vor allem in den Verhörszenen zwischen Picard und Madred bleibt einem nichts, als gebannt vor dem Fernseher zu sitzen und dem waffenlosen Duell dieser beiden Männer zuzuschauen. Insgesamt eine hervorragende, stellenweise grandiose Episode.

Interessant: Eine noch kompromisslosere Folter-Episode ist "Das Verhör/Intersections in Real Time" bei Babylon 5, gedreht etwa 4 Jahre nach "Geheime Mission auf Celtris III". Dort wird auf jede Nebenhandlung verzichtet, die Folter von Captain Sheridan füllt die gesamte Episode. Ebenfalls sehr empfehlenswert.

Bestes Zitat, von Madred an den gefesselten Picard:

"Für mich sind sie nur ein... Mensch!"

Spannung: 6 SFX: 6 Handlung: 5 Gesamt: 6
Zusammenhänge
  • Etwa zur Zeit dieser Episode muss der Beginn von DS9 spielen (Sternzeit vom Pilotfilm "Der Abgesandte": 46421,0, Sternzeit dieser Episode, Teil 2: 46360,8), was sich damit deckt, dass der Rückzug der Cardassianer von Bajor erwähnt wird; bei diesem Rückzug wurde auch die von der Föderation Deep Space Nine genannte Raumstation aufgegeben, auf der fortan Sisko und Crew stationiert werden. Das erklärt möglicherweise O'Briens Abwesenheit, da er ja auf DS9 Chefingenieur wird.
  • David Warner (Madred) war bereits in Star Trek V: Am Rande des Universums als Föderationsbotschafter Talbot und in Star Trek VI: Das unentdeckte Land als klingonischer Kanzler Gorkon dabei.
--------------------------------
Ausdruck vom: 22. 11. 2024
Stand des Reviews: 15. 11. 2024
URL: http://www.startrek-index.de/tv/tng6_11.htm