Episodenbeschreibung
Kurz nachdem Sisko in seinem Amt als bajoranischer Abgesandter ein frisch verheiratetes Ehepaar
gesegnet hat, öffnet sich das Wurmloch. Wie sich herausstellt, kommt durch das Wurmloch ein altes
bajoranisches Schiff. An Bord befindet sich ein Bajoraner, welcher leicht verletzt wurde und von
Dr. Bashir behandelt wird. Der Besucher stellt sich als Akorem Laan vor, welcher als einer der
größten Poeten Bajors gilt und vor 200 Jahren gelebt hat. Akorem erinnert sich, dass er mit
seinem beschädigten Schiff das Wurmloch fand und dort hineingezogen wurde. Im Wurmloch traf er
die Propheten, die seine Wunden heilten und ihn zurück nach Bajor schickten. Akorem Laan glaubt
nun, er sei der Abgesandte der Propheten.
Sisko geht die alten Texte über den Abgesandten durch und erkennt, dass viele der Andeutungen
in den Texten erst jetzt mit Akorems Ankunft einen Sinn ergeben. Sisko will vom Amt des Abgesandten
zurücktreten, da ihm die Rolle nie behagt hat und die Sternenflotte davon auch nicht sonderlich
begeistert war.
Inzwischen taucht Keiko O'Brien mit Molly auf der Station wieder auf. Ihre Forschungsmission auf Bajor ist
beendet und sie wird von nun an wieder auf der Station leben. Außerdem überraschen die beiden
Chief O'Brien mit der Nachricht, dass er zum zweiten Mal Vater werden wird.
Akorem Laan hält eine erste Ansprache als Abgesandter. Er verkündet, dass er nun verstanden habe,
warum er von den Propheten erst 200 Jahre nach seiner Ankunft wieder zurückgeschickt wurde. Er
ist der Meinung, dass die Bajoraner ihn jetzt brauchen würden, da sie nach der 50jährigen cardassianischen
Besatzung vom rechten Weg abgekommen seien. Akorem möchte sie wieder auf diesen Weg führen, indem er
die "D'jarras" wieder einführt. Die D'jarras sind eine Art Kastensystem, welches den Bajoranern,
je nachdem in welcher D'jarra sie geboren werden, vorschreibt, welchen Beruf sie ergreifen sollen.
So gehört Kira zum Beispiel der Künstler-D'jarra an. Die Bajoraner scheinen Akorems Forderungen zu
erfüllen, wenn auch die Wiedereinführung der D'jarras, die während der Besatzungszeit abgeschafft
wurden, viele Schwierigkeiten verursacht.
Sisko unterhält sich mit Akorem und macht ihm klar, dass die Diskriminierung mancher
Bevölkerungsgruppen aufgund ihrer D'jarras gegen die Verfassung der Föderation verstößt, womit
eine Aufnahme Bajors in die Föderation in weite Ferne rückt. Akorem teilt Sisko mit, dass er und
Kai Winn beschlossen haben, dass sie dieses Risiko eingehen, um Bajor wieder auf den rechten Weg zu
bringen. Major Kira schlägt Sisko inzwischen einige Kandidaten für ihre Nachfolge vor. Sie wird sich
bald in die Dakur-Provinz begeben, um dort ihrer Künstler-D'jarra gerecht zu werden.
Inzwischen verbringt Miles O'Brien wieder mehr Zeit mit seiner Familie, wodurch er sich nur noch
selten mit Dr. Bashir treffen kann. Die beiden vermissen ihre gemeinsamen Dartspiele und ihre Ausflüge
in die Holosuite. O'Brien gesteht seinem Freund, dass er sich zwar über das kommende Baby freut, jedoch
gehofft hat, wieder etwas mehr Zeit mit Keiko verbringen zu können, jetzt wo Molly etwas älter ist.
Auf dem Promenadendeck geschieht unterdessen ein Mord. Vedek Porta gibt zu, einen anderen Vedek von
der zweiten Ebene des Promenadendecks heruntergestoßen zu haben, weil dieser seine D'jarra nicht
erfüllt hat. Sisko zweifelt, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte, als er Akorem Laan so
einfach seinen Titel überließ. Er fordert ihn nun zurück. Akorem Laan und Sisko sind sich einig,
dass es zu einem Bürgerkrieg kommen würde, wenn sie beide den Titel für sich beanspruchen. Deswegen
wollen sie ihre Ansprüche auf andere Weise klären, indem sie die Propheten selbst aufsuchen. Sisko
und Akorem fliegen mit einem Runabout in das Wurmloch und stoppen dort. Sie gelangen zu den
Wurmlochwesen.
Diese erkennen Sisko und Akorem wieder und teilen den beiden mit, dass Sisko der Abgesandte
ist und sie Akorem Laan nur zu ihm geschickt haben, damit er seine Aufgaben als Abgesandter nicht mehr
so negativ wie bisher sieht. Die Wurmlochwesen lassen Akorem Laan in seine eigene Zeit zurückkehren
und teilen Sisko noch mit, dass sie von Bajor sind. Dann kehrt auch dieser nach DS9 zurück. Sisko
schafft das Kastenwesen wieder ab und alles geht wieder seinen geregelten Gang.
Keiko erkennt inzwischen, dass sich ihr Mann ohne die Stunden mit Bashir einsam fühlt und arrangiert
ein Treffen in der Holosuite zwischen den beiden.
Bewertung
"Die Übernahme" ist eine recht gelungene Folge über die Gefahren religiösen Glaubens und stellt
gleichzeitig eine Schlüsselepisode in der wiederkehrenden Handlung um Siskos Rolle als Abgesandter dar.
Die Folge zeigt sich dem Glauben der Bajoraner und der Religion im Allgemeinen gegenüber recht
kritisch. Man beschäftigt sich auf gekonnte Weise mit den Gefahren, die einem Volk drohen, wenn es vom
blinden Gehorsam gegenüber seinen religiösen Führern getrieben wird. Am Beispiel von Akorem
Laan wird deutlich, dass es schwerwiegende Konsquenzen haben kann, wenn ein Volk seinem religiösen
Führer einfach alles abkauft, da dieser genausowenig wie jeder andere den richtigen Weg für sein Volk
im Voraus kennt. Auch der Abgesandte der Propheten kann seine Weisheit nur aus seiner eigenen
Interpretation von alten Prophezeiungen und Texten beziehen, die vermutlich von einer anderen Person
völlig anders interpretiert werden würden. Ansonsten weiß auch der religiöse Führer eines Volkes wenig
darüber, was die Götter von ihm und seinem Volk erwarten. Dabei deckt die Folge auf, dass es besonders
dann gefährlich wird, wenn die Religion sich dazu berufen fühlt, in die Politik einzugreifen, wie hier
bei der Wiedereinführung der "D'jarras" geschehen. Der religiöse Führer mag dabei sogar gute Absichten
haben, doch vertraut sein Volk ihm blind, wie im Falle der Bajoraner, kann es trotz dieser guten
Absichten zur Unterdrückung ganzer Bevölkerungsgruppen kommen.
Viel schlimmer wird es natürlich, wenn die religiösen Führer auch noch bewusst aus dem Willen heraus
handeln, ihre eigene Macht zu festigen oder zu vergrößern und die eigenen Gegenspieler auszuschalten,
wie beispielsweise im Falle von Kai Winn (die leider in dieser Episode nicht mitspielt), die sich
selten mehr Sorgen um das Wohl ihres Volkes, als um ihr eigenes macht.
Die Religionskritik dieser Episode hätte ruhig ein wenig deutlicher ausfallen können. Zwar deckt die
Handlung auf typische Star Trek-Weise Gefahren der Religiosität auf, trotzdem gewinnt man den
Eindruck, dass es am ausreichenden Mut der Autoren fehlte, diese Kritik etwas deutlicher hervorzuheben.
Gleichzeitig macht die Serie mit dieser Folge eine Wandlung in ihrer Haltung der Religion gegenüber
durch, doch dazu später mehr.
Die Handlung rund um den bajoranischen Glauben und um Siskos Rolle als Abgesandter der Propheten taucht
relativ selten in DS9 auf, angeblich weil die Zuschauer wenig Interesse an dieser Handlung gezeigt
haben. In dieser Folge wird Sisko nun noch einmal geschickt mit seiner Rolle als religöse Ikone
konfrontiert. Dabei erscheint es recht verständlich, dass sich Sisko dabei unbehaglich fühlt
und er froh ist diese Rolle an Akorem abtreten zu können. Sein Ansehen als Abgesandter hat ihm
schließlich nicht immer nur Vorteile gebracht, sondern auch manches Mal zu einem Zwiespalt zwischen
seiner Rolle als religiöser Führer und seinen Pflichten als Sternenflottenoffizier, wie beispielsweise
in 3.15: Trekors Prophezeiung geführt. Trotzdem lernt Sisko in dieser Folge
seine Stellung als Abgesandter zu akzeptieren und mit ihr umzugehen.
Doch erstaunlicherweise ändert sich nach dieser Episode nicht nur Siskos Haltung gegenüber seiner
religiösen Rolle auf Bajor, sondern auch seine allgemeine Haltung gegenüber dem bajoranischen Glauben.
In den kommenden 3 Staffeln der Serie wird Sisko nicht nur seine Rolle als Abgesandter voll und ganz
erfüllen, man gewinnt auch immer wieder den Eindruck, dass Sisko selbst beginnt, den bajoranischen
Glauben anzunehmen.
Siskos Wandel symbolisiert gleichzeitig auch den neuen Kurs der ganzen Serie. Hatte man zu Zeiten von
TNG bei stark religionskritischen Folgen, wie beispielsweise
3.04: Der Gott der Mintakaner noch angenommen, die Föderation würde
Religion inzwischen als naiven Aberglauben ansehen, den die aufgeklärte Menschheit des 24. Jahrhunderts
nicht mehr nötig hat, sollten sich gerade die letzten 3 DS9-Jahre deutlich aufgeschlossener gegenüber
der Religion zeigen. DS9 entwickelte sich damit immer mehr weg von der wissenschaftlich orientierten
Science Fiction, die Star Trek bis dahin war, hin zu einer Pro-Religion eingestellten Serie, in der
die Wissenschaft an Bedeutung verliert.
Natürlich steht es jedem offen das zu glauben was er möchte und auch den Autoren muss es erlaubt sein,
zu ihrer Religiösität zu stehen und diese in ihre Drehbücher einfließen zu lassen. Bedenkt man jedoch,
dass Star Trek gerade in den religionskritischen Momenten zu hervorragenden Leistungen fähig war,
andere Serien in den Schatten stellte und allgemein seinesgleichen in der TV-Landschaft suchte, ist
die neue Richtung der Serie leider zu bedauern.
Die Serie neigte damit in den letzten 3 Jahren leider auch dazu, den bisher oft recht naiv
erscheinenden Glauben der Bajoraner zu glorifizieren und dabei die Gefahren von blindem religiösem
Glauben, die gerade DS9 in den ersten Jahren immer aufgezeigt hatte, völlig zu vergessen.
Doch nicht nur Sisko und seine Haltung dem bajoranischen Glauben gegenüber, auch die Wurmlochwesen
machten ab dieser Episode eine recht merkwürdige Wandlung durch. Bisher sind sie immer
nur Aliens gewesen, die von den Bajoranern aufgrund ihrer höheren Entwicklungsstufe als Götter verehrt
wurden (im Prinzip ein typisches Science Fiction-Handlungskonzept). Die Drehkörper der Propheten waren
dabei die Sonden, mit denen die fremden Aliens ihre Umgebung scannten und die von den weniger
weit entwickelten Bajoranern als heilige Reliquien verehrt wurden. Bisher hatte man auch immer den
Eindruck, dass die Wurmlochaliens recht wenig Interesse an den Bajoranern haben. Sisko musste ihnen im
Pilotfilm überhaupt erst erklären, was eine lineare Zeitlinie ist. Ab dieser Episode treten die Aliens
im Wurmloch jedoch auf einmal aus ihrer passiven Rolle heraus und zeigen von nun an ein erhebliches
Interesse an den Bajoranern. Nun schicken sie kurzerhand einen alten Bajoraner nach DS9, um Sisko von
seiner Abgesandten-Rolle zu überzeugen und behaupten, dass sie selbst von Bajor sind.
Man mag von der neuen Richtung der Serie halten, was man will, mit den ursprünglichen Wurmlochaliens
aus den ersten Staffeln hat dies jedoch nicht mehr viel zu tun.
Der bajoranische Glauben macht in dieser Folge keinen allzu guten Eindruck. Da tritt Sisko kurzerhand
von seinem Amt als Abgesandter der Propheten zurück, als ob es ein politischer Posten wäre, dann kommt
ein neuer Abgesandter, der verschwindet auf einmal in der Vergangenheit, woraufhin Sisko wieder der
Abgesandte ist. Dann wird kurzerhand das seit über 50 Jahren nicht mehr bestehende Kastensystem
eingeführt, nur um es kurze Zeit später wieder abzuschaffen und die Bajoraner machen dies alles mit,
ohne ihren Glauben auch nur einmal zu hinterfragen, das erscheint alles etwas arg naiv. Hier hätte
man eigentlich etwas mehr Aufgeklärtheit von einem Volk erwartet, welches in die Föderation aufgenommen
werden will.
Etwas genauer erklärt wurde die Verfahrensweise bei der Aufnahme eines neuen Planeten in die Föderation.
Offenbar gibt es eine einheitliche Föderationsverfassung, die alle Planeten erfüllen müssen, bevor sie
aufgenommen werden können.
Siskos Vorgehensweise ist in dieser Folge nicht unbedingt astrein. Zum einen greift er etwas
leichtfertig in die Zeitlinie ein, als er den Wurmlochaliens vorschlägt, Akorem Laan in seine eigene
Zeit zurückzubringen.
Zum anderen verstößt er ganz offensichtlich gegen die Hauptdirektive, als er sich in die bajoranischen
Angelegenheiten einmischt und mit Akorem ganz offen um den Titel des Abgesandten konkurriert. Da es für
Sisko keinerlei Konsequenzen zu geben scheint, verstärkt sich der Eindruck, dass in der Sternenflotte
manchmal offensichtlich der Zweck die Mittel heiligt. Diesen Eindruck hatte man beispielsweise auch
schon in 3.21: Der geheimnisvolle Garak Teil 2, als Sisko mit der Defiant zwar
Odo und Garak retten konnte, dabei jedoch gegen den direkten Befehl eines Admirals verstoßen hatte und
ebenfalls nicht bestraft wurde.
Neben Siskos Rolle als Abgesandter widmet sich die Folge auch in der B-Handlung einem in letzter Zeit
vernachlässigten Thema, nämlich O'Briens Familienleben. Nachdem Keiko eine lange Mission auf Bajor
hatte, kehrt sie nun wieder dauerhaft auf die Station zurück. Dabei wird gleich ihre zweite
Schwangerschaft als neues Thema eingebracht. Es sollte sich jedoch erst am Ende der Staffel für die
Produzenten herausstellen, wie gut ihr Timing mit Keikos Schwangerschaft wirklich war, gab ihnen diese
Drehbuch-Schwangerschaft doch später einen Grund, Nana Visitors (Major Kira) echte Schwangerschaft ins
Drehbuch einzubauen.
Die B-Handlung stellt dabei die Bashir-O'Brien-Freundschaft zunächst auf eine harte Probe, da Miles nun
nicht mehr soviel Zeit für seinen Freund Julian hat. Hier zeigt sich auch, dass Bashir für O'Brien lange
Zeit quasi die Ersatzfamilie war. Ausgesprochen gelungen ist das Ende, als Keiko es geschickt einfädelt,
dass Miles und Julian wieder einmal ein Abenteuer in der Holosuite erleben können.
Die beste Szene der ganzen Folge ist die, in der Worf erfährt, dass Keiko ein Kind bekommt und er
entsetzt fragt: "Jetzt?" Genial auch seine kurze Zeit später folgende Ankündigung er werde in 7
Monaten, wenn die Geburt ansteht, ganz sicher weit weg bei seinen Eltern auf der Erde sein.
Einen überraschenden Gastauftritt absolvierte Camille Saviola als Kai Opaka in dieser Episode. Ihren
Charakter hatte man bereits in der 1. Staffel aus der Serie herausgeschrieben und nach einem weiteren
Aufritt in Staffel 2 war sie seither nicht mehr gesehen worden. Es sollte jedoch ihr endgültig letzter
Auftritt sein.
Autorin Jane Espenson arbeitete nur dieses eine Mal für Star Trek.
Regie führte Les Landau, der nach Winrich Kolbe und David Livingston inzwischen der drittwichtigste
Regisseur bei Star Trek ist.
Alles in allem ist "Die Übernahme" eine gelungene Episode, die zwar ihre Religionskritik an manchen
Stellen etwas deutlicher herausarbeiten hätte können, allerdings trotzdem überzeugen kann und für Siskos
Charakter einen wichtigen Wendepunkt darstellt.
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