Schatten über der Typhon Pact-Buchreihe
von Andrej Schwabe, 24.05.2016
Inhalt:
Der romulanische Warbird Eletrix kehrt unerwartet von seiner
Forschungsmission aus dem Gamma-Quadranten zurück und löst einen
beispiellosen Kampf aus, in dessen Folge die Raumstation Deep Space
Nine zerstört wird. Denn plötzlich enttarnen sich auch noch Breen-
und Tzenkethi-Schiffe und geben der Station, deren Fusionsreaktor
mit Bomben versehen ist, den Rest. Unzählige Opfer sind zu
beklagen.
Zur gleichen Zeit wollen Tzenkethi-Wissenschaftler dafür sorgen,
dass der Typhon-Pakt einen schnellen Weg zum Gamma-Quadranten
findet. Würden dortige Jem'Hadar-Schiffe geborgen werden können,
käme die Entwicklung eines Slipstream-Antriebs sehr viel schneller
voran ("Heimsuchung").
Die Forscher arbeiten an der Erzeugung eines künstlichen Wurmloches
(DS9: "Wiedervereinigt").
Tatsächlich gelingt ihnen der Versuch, ein kurzfristig stabiles
Wurmloch zu erschaffen, das sich mit dem bajoranischen Wurmloch
verbinden lässt.
Die Aktivitäten des Typhon-Pakts bleiben Sisko nicht verborgen, und
so versucht er, Odo im Gamma-Quadranten zu kontaktieren, um das
Dominion zu warnen.
Kritik:
"Schatten" startet nach dem dramatischen Cliffhanger in
"Heimsuchung" sehr stark:
Deep Space Nine wird angegriffen und der anschließende Kampf mit
den Typhon-Pakt-Schiffen wird über fünfzig Seiten mitreißend
erzählt. David George gewährt den Blick auf das Geschehen aus
vielen unterschiedlichen Perspektiven: DS9, aus der des
romulanischen Warbirds Eletrix, der USS Robinson mit Sisko an Bord
und schließlich auch der später eintreffenden Enterprise. Einer
der ergreifendsten Momente ist sicherlich der, als Sisko von der
Zerstörung der Xhosa erfährt, Kasidys Schiff, das in der Nähe der
Station weilt. Seine regungslose Schockreaktion ist mehr als
verständlich, nachdem bereits seine erste Frau bei einem Gefecht
ums Leben gekommen ist (DS9: "Der Abgesandte").
Zum Glück üben die Propheten Gnade Sisko gegenüber, denn die
Enterprise findet Kira und Kasidy schließlich lebend in den
Trümmern von DS9.
Nach diesem starken Einstieg beginnt auf beiden Seiten, Föderation
und Typhon-Pakt bzw. Romulus, die mühsame Aufarbeitung. Leider
beginnt damit auch der langweiligere Teil des Buches.
Während Föderationspräsidentin Bacco geschockt ist und dafür sorgen
will, dass die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden, muss die
romulanische Imperatorin Kamemor feststellen, dass sie ihr Militär
und den Geheimdienst Tal'shiar nicht im Griff hat. Denn der Angriff
auf DS9 ging offenbar von einem abtrünnigen romulanischen
Kampfschiff aus. Nach einem einschüchternden Auftritt der
Geheimdienstchefin Sela erwartet sie sogar einen Putsch gegen sich.
Das ist nur einer der vielen Handlungsstränge, die George
fortführen muss - und das gelingt ihm nicht besonders glaubwürdig.
Prokonsul Tomalak, der die ganze Aktion auf Seiten der Romulaner
eingerührt hat, um den Slipstream-Antrieb für den Typhon-Pakt zu
ermöglichen, lässt sich unverständlicherweise von der Sternenflotte
gefangennehmen. Überhaupt ist das fanatische Streben nach dem
Slipstream-Antrieb einigermaßen lächerlich, da es wohl auch andere
Möglichkeiten gibt, seine militärische Überlegenheit zu
demonstrieren. Währenddessen setzt sich Kamemor unerkannt zur
Föderation ab - ein unerhörter Vorgang für einen romulanischen
Imperator. Und es ist trotz ihrer Sympathien für die Föderation
nicht realistisch.
Die Tzenkethi-Handlung ist dabei die größte Enttäuschung, denn viel
mehr als eine Wiederholung der Story aus "Heimsuchung" ist nicht
drin. Eine kleine Entschädigung stellt immerhin das Wiedersehen mit
Odo dar, was man eigentlich schon in "Heimsuchung" erwartet hatte
und das weiteren Einblick in den Zustand des Dominion nach
"Der Fall der Götter" gibt.
Die Kombination aus viel Füllmaterial und unglaubwürdiger Handlung
zieht sich durch den ganzen Roman.
Als Ersatz für die ursprüngliche Raumstation entsteht eine
temporäre Station auf Bajor, die den Raumsektor um das Wurmloch
kontrollieren soll. Neben Unmengen von mehr oder weniger
interessantem Alltagsleben in der neuen Anlage muss eine neue
Raumstation konstruiert werden. Deren Leitung sollen O'Brien und
Nog übernehmen, was mit den Geschehnissen in der achten DS9-Staffel
bricht, als viele liebgewonnene Seriencharaktere in alle
Himmelsrichtungen zerstreut wurden.
Dann muss natürlich noch der bombenlegende Saboteur dingfest
gemacht werden. Damit das überhaupt gelingt, ist man nach quälend
langsamen Ermittlungen auf Tipps von Sektion 31 angewiesen. Daraus
ergeben sich immerhin einige spannende Momente: Es ist nie ganz
klar, ob Bashirs Freundin Sarina Douglas mit offen Karten spielt
oder genauso zur Geheimorganisation gehört.
Auf schwammige, mehrdeutige Propehetenvisionen muss auch diesmal
nicht verzichtet werden, sie sind ein Paradebeispiel für die
teilweise nichtssagende Handlung in "Schatten".
Ein wichtiger Abschluss, der seit dem ersten Band "Nullsummenspiel" in der
Luft liegt, findet in einem bajoranischen Kloster statt: Der seit
der Borgkrise im Koma liegende Elias Vaughn verscheidet, nachdem
sich seine Tochter, seine Kollegen und Freunde von ihm sehr
gefühlvoll verabschiedet haben.
Viele Fragen, die sich am Ende von "Schatten" stellen, werden erst
im zwei Jahre später angesiedelten Roman "Erkenntnisse aus Ruinen"
der "The Fall"-Reihe wieder aufgegriffen: So schließt sich das
Wurmloch (wieder einmal) und nimmt Kira mit sich.
Mit "Schatten" gelingt George weder der große Wurf noch ist das
Buch eine totale Enttäuschung. Der Roman pendelt zwischen gut
geschriebenen, spannenden und emotionalen Szenen und abstrus
wirkenden oder langweiligen Handlungsstücken.
Infos:
Star Trek: Typhon Pact
Band 6
Titel: Schatten (Raise the Dawn)
Autor: David R. George III
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2014, USA: 2012
Deutsche Übersetzung von Christian Humberg
Preis: 14,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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