Der Krieg findet ein Ende
von Andrej Schwabe, 10.08.2015
Inhalt:
Die Menschheit steht mit dem Rücken zur Wand: Der Krieg gegen das
romulanische Reich verläuft schlecht und die Koalition ist
inzwischen nur noch ein Schatten ihrer selbst. Archer versucht, mit
der Enterprise auf die Suche nach neuen Freunden und potentiellen
Unterstützern der Erde zu gehen, indem er gestrandeten Schiffen
Hilfe anbietet. Währenddessen treibt sich sein ehemaliger
Chefingenieur Trip Tucker im Auftrag des vulkanischen
Geheimdienstes bei den Romulanern rum, um die Warp 7-Schiffe, die
Oppositionellen in die Hände gefallen sind, zu sabotieren.
Die streng pazifistische Haltung der Vulkanier kommt nach dem
kürzlichen Terroranschlag, bei dem Suraks Katra (ENT:
"Kir'Shara")
vernichtet wurde, ins Wanken. Letztendlich gelingt es dadurch, der
Menschheit zur lang ersehnten Trendwende zu verhelfen und die
Romulaner in die Schranken zu weisen.
Kritik:
Dies ist der Abschluss der Reihe zum Romulanischen Krieg, die
zwischen der Gründung der Föderation als feste Organisation und der
Bildung des losen Verteidigungszusammenschlusses in Form der
Koalition angesiedelt ist; eine mehrere Jahre überspannende
Zeitperiode, die danach geschrien hat, mit aufregenden Stories
gefüllt zu werden.
Im Gegensatz zu diesen anfangs recht hohen Erwartungen hat Michael
Martin ein unnötig langatmiges, recht technisches und dadurch mehr
oder weniger langweiliges Kriegsszenario entworfen, dessen
Detailgrad sich vorrangig durch die Dokumentation von Schlachten
und Politikmanöver bestimmt. Hinzu kommt, dass nichts, aber auch
wirklich gar nichts, an Archers Gegner mysteriös oder
furchteinflößend ist, wie mit steter Regelmäßigkeit vom Erzähler
behauptet. So ziemlich jeder nächste Schritt wird auf romulanischer
Seite mehrfach bis ins Detail diskutiert. Umgekehrt erfährt man nur
sehr wenig über den Hintergrund des Konflikts, der sich in seiner
Reichhaltigkeit deutlich besser erschließen würde, wenn man die
Motive der Romulaner abseits von der plumpen Eindimensionalität
profilierender Machtspielchen kennen würde. Um nur eine alternative
Handlungsebene für die Romanreihe zu nennen: Hier wandelte bereits
die Buchreihe zur originalen Star Trek-Serie auf deutlich
anspruchsvolleren Pfaden
("Die Romulaner").
Nachdem bei Martin zuletzt außerdem häufiger das Gefühl aufkam, man
lese immer wieder denselben Roman, nimmt er sich in "Die dem Sturm
trotzen" nun endlich das große, alles entscheidende
Aufeinandertreffen zwischen Menschen und Romulanern vor, das
allerdings auch wieder aus unzähligen Versatzstücken
zusammengezimmert ist. Schon bei der Vorbereitung darauf macht er
gerne Anleihen bei "Deep Space Nine" (wie überhaupt sich vieles bei
Martin an diesem anderen Kriegsepos orientiert), wenn er uns
miterleben lässt, wie die spitzohrigen Gegner bis ins Herz des
irdischen Sonnensystems vordringen und dabei Angst und Schrecken
verbreiten (DS9:
"In fahlem Mondlicht",
"Im Angesicht des Bösen").
Der den Menschen gelegen kommende Wendepunkt während des
entscheidenden Kampfes wird dann markiert durch das Eingreifen der
Vulkanier, die mit ihren Schiffen wie aus dem Nichts erscheinen,
was einen wiederum unwillkürlich an "Herr der Ringe" erinnert.
Viele Fragen bleiben zudem noch unbeantwortet: Was wird aus dem
vernichtenden Virus, das ursprünglich von der Enterprise gefunden
wurde (ENT: "Transformation")
und nun von den Romulanern auf Haakona freigesetzt wird, um dessen
Bevölkerung zu bekämpfen? Wie soll man dieses weitere Zeugnis sehr
enger Kontakte zwischen Erde bzw. Vulkan und den Romulanern vor dem
Hintergrund bewerten, dass auch in einem Jahrhundert noch nie ein
Mensch einen Romulaner gesehen haben soll (TOS:
"Spock unter Verdacht")? Warum
gelingt es den Romulanern, bis zur Erde zu gelangen und schwere
Schäden zu verursachen ohne endgültigen Sieg? Aus welchem Grund
wimmelt es auf romulanischen Schiffen nur so von vulkanischen
Agenten?
Ebenso unverständlich sind Martins Vorstellungen von
Charakterentwicklung: Archer macht auf gütigen Samariter, genau
während der Krieg in der heißen Phase steckt und es eigentlich an
allen Enden an Ressourcen fehlen sollte. Später kommt Travis
Mayweather weitgehend kommentarlos zurück an Bord der Enterprise,
was angesichts der vorangegangen, heftigen Konflikte mit Archer und
seiner umfänglichen Tour durch alle anderen Flottenschiffe schon
überraschend ist. Trip Tucker erscheint ein weiteres Mal in einem
wenig überzeugenden Licht, bekommt aber abschließend immerhin die
Gelegenheit, auf alle Agenten zu treffen, die sich so im Laufe der
Zeit auf romulanischer und vulkanischer Seite angesammelt haben,
was allerdings lediglich ermüdend ist. Dass er nach seiner Rettung
für mehrere Jahrzehnte unerkannt auf Vulkan untergetaucht sein
soll, kann man nur schwer glauben.
Rückblickend gesehen hätten die Vulkanier sich einfach ein paar
Jahre früher entscheiden sollen, aktiv zu werden und uns wären zwei
oder drei mittelmäßige bis enttäuschende Martin-Romane erspart
geblieben. Ganz symptomatisch für die Reihe gelingt ihm trotz
der Fülle an vollgeschriebenen Seiten weder eine spannende,
schlüssig durchdachte Handlung noch eine interessante Darstellung
von lebendigen, mehrdimensionalen Charakteren. Die ständigen
Wiederholungen mit leichten Variationen (man denke nur an den
völlig verkorksten Handlungsstrang um Tucker) und die extremen
Zeitsprünge über mehrere Jahre und Jahrzehnte verstärken diese
Eindrücke zusätzlich und machen es schwer, Anteil an der Geschichte
und ihren Protagonisten zu nehmen.
Infos:
Star Trek: Enterprise
Band 6
Titel: Der Romulanische Krieg - Die dem Sturm trotzen (The Romulan War - To Brave the Storm)
Autor: Michael A. Martin
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2015, USA: 2012
Deutsche Übersetzung von Bernd Perplies
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie an
Andrej Schwabe.