Deutscher StarTrek-Index  

Chakotay und der Massenmörder

von Andrej Schwabe, 06.01.2015

Inhalt:
Das Außenteam der Voyager ist auf Loran II angegriffen worden, Chakotay und Sekaya sind offenbar entführt worden. Ersetzt wird Chakotay durch einen Formwandler, der mit dem sadistischen cardassianischen Wissenschaftler Crell Moset (VOY: "Inhumane Praktiken") zusammen arbeitet. Dieser hilft ihm seine Wandlungsfähigkeit wieder zurückzubekommen, die ihm von den Gründern offensichtlich genommen wurde. Nun ist es an Kim und Dr. Jarem Kaz, das seltsame Verhalten des falschen Captains aufzudecken und die Wahrheit herauszufinden.
Währenddessen bringt Admiral Janeway ihre ganzen diplomatischen Fähigkeiten auf, um einige Planeten zu überzeugen, die vorhaben, die Föderation zu verlassen.

Kritik:
Geistreise 2 Ähnlich wie nach "Heimkehr" ist man als Leser gespannt auf die Fortsetzung und wird von Christie Golden auf mehreren Ebenen bitterlichst enttäuscht. Die Voyager-Besatzung, insbesondere Kim, schöpft viel zu spät Verdacht wegen des falschen Chakotays. Außerdem wird die Geschichte wie in den drei Romanen davor davon am Leben gehalten, dass sich Leute nicht alles erzählen und sogar wichtige Dinge wissentlich verschweigen. In diesem Zusammenhang überreizt Golden beispielsweise die geheime Geheimdiensttätigkeit von Kims Freundin Libby, die auf der einen Seite lieblos motiviert und erzählt ist und auf der anderen Seite aber gerne genutzt wird, um die Handlung in Form von Tippgeben voran zu bringen. Zudem sind Ungereimtheiten und hanebüchene Logikbrüche nicht selten: Warum sollte ein Wechselbalg sieben Jahre darauf hinarbeiten, die Voyager, die in dieser Zeit auch noch im Delta-Quadranten rumfliegt, nach Loran II zu bringen? Warum berichtet Sekaya ihrem Bruder Chakotay oder sonst irgend jemandem nicht davon, dass sie Opfer von Mosets Experimenten gewesen ist? Wieso wechselt Moset am Ende so plötzlich die Seite und wendet sich gegen den Wechselbalg? Wie kann Jarem Kaz den Willen von Moset, dem skrupellosesten cardassianischen Mediziner (im Buch bis zum Überdruss demonstrativ mit Massenmörder oder Schlächter betitelt), mit nur einem Gespräch gebrochen haben?
Besonders unangenehm stößt ein weiteres Mal Goldens offensichtliche Lust an der Inszenierung von Misshandlungen und drastischen Gewaltdarstellungen auf.

Chakotay findet im Laufe der Geschichte heraus, dass Moset an dem Erbe der "Geister des Himmels" (VOY: "Tattoo") interessiert ist, das im Erbgut der indianischen Völker zu finden ist, um damit - Frankenstein und Dr. Moreau lassen grüßen - neuartige Wesen zu erschaffen. Bereits in der Voyager-Episode "Tattoo" war es eine, um es freundlich zu formulieren, kühne Idee, zu zeigen, dass Chakotays Volk in ferner Vergangenheit von Aliens besucht wurde und mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet wurde. Hier ist es der Aufhänger für eine grenzenlos übertriebene und unglaubwürdige Auflösung der Geschichte, in der am Ende auch noch Wesley auftaucht (TNG: "Am Ende der Reise"). Immerhin bietet der Roman Anschluss an den letzten DS9-Roman "Der Seelenschlüssel", in dem die (ebenso grausamen) Experimente cardassianischer Wissenschaftler mit der Loyalität der Jem'Hadar geschildert werden.

Ein Nebenschauplatz ist Janeways Aktivität als augenscheinliche Chefdiplomatin der Föderation; wobei man sich ernsthaft fragen sollte, ob eine militärische Person Verhandlungen im Namen der Föderation führen sollte, insbesondere Austrittsverhandlungen. Außer der stark vereinfachten Darstellung solch wichtiger politischen Prozesse gelingt Golden immerhin ein faszinierender Blick auf Janeways Persönlichkeit. Sie versteht ihre Rolle als Admiral auf ganz andere Weise als Kirk, der auf seine Captain-Rolle abonniert schien. Für Janeway ist es eher eine Pflicht, die sie für die Sternenflotte erfüllt und dabei ihre Fähigkeiten zur Verfügung stellt. Umgekehrt nutzt sie ihre Position offensichtlich, um Prozesse in ihrem Interesse zu lenken. Am Ende macht sie beispielsweise Paris zum Ersten Offizier der Voyager, nachdem der vorherige sich als Wechselbalg herausgestellt hat.

Golden liefert mit "Geistreise 2" einen Roman, der einerseits eifrig kopiert (VOY: "Tattoo", DS9: "Freies Schußfeld") und vor Humbug strotzt, andererseits aber wenigstens verdeutlicht, dass die neue Besatzung ein großes Potential für interessante Geschichten besitzt. Beste Beispiele sind neben Chakotay Counselor Astall und besonders Dr. Kaz mit seiner ruhigen, aber dennoch unkonventionellen und neugierigen Art. Und man sollte nicht vergessen, dass der Wechselbalg nicht gestellt werden konnte und weiterhin sein Unwesen treibt, indem er erste Schritte zum späteren Typhon Pakt initiiert.


Infos:
Star Trek: Voyager
Band 4
Titel: Geistreise 2 - Der Feind meines Feindes (Spirit Walks 2 - Enemy of my Enemy)
Autor: Christie Golden
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2014, USA: 2004
Deutsche Übersetzung von Andrea Bottlinger
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag

Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag

Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie an Andrej Schwabe.

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