Episodenbeschreibung
Sternzeit: 45349,1
Auf den Planeten Penthara IV ist ein Asteroid
niedergegangen, der einen empfindlichen
Temperaturabfall zur Folge hat, der dem nuklearen
Winter auf der Erde des späten 21. Jahrhunderts
ähnelt. Die Enterprise ist auf dem Weg dorthin, als
Worf eine Raum-Zeit-Verzerrung entdeckt. Picard
lässt sie näher untersuchen, und man entdeckt ein
fünf Meter langes Schiff aus unbekannten
Materialien. Gleich darauf erscheint ein Mann auf der
Brücke. Er sagt, sein Name sei Berlinghoff Rasmussen
und behauptet, aus dem 26. Jahrhundert - fast 300
Jahre aus der Zukunft - zu kommen. Als Historiker ist
sein Spezialgebiet das 22. - 24. Jahrhundert.
Picard beruft zunächst ein Treffen der
Führungsoffiziere ein, wo Rasmussen meint, er will
nur beobachten und kann auf keinen Fall etwas über
die Zukunft sagen, da das die Zeitlinie verändern
könnte. Allerdings würde er gerne Fragebögen
austeilen, die er die Crew auszufüllen bittet. Der
Captain ist einverstanden und weist Rasmussen ein
Quartier zu, während die Enterprise weiterfliegt.
Deanna spürt, dass Rasmussen etwas verbirgt, denkt
dabei aber nicht an das Wissen um die Zukunft.
Geordi hat bereits einen Plan, um den Bewohnern von
Penthara IV, einer Föderationskolonie, zu helfen. Er
schlägt vor, mit den Phasern an bestimmten Stellen
Löcher in die Oberfläche zu brennen, um darunter
befindlichen Kohlenstoff freizusetzen, der
anschließend für eine Erwärmung der Atmosphäre
sorgen soll.
Nach weiteren Vorbereitungen ist es soweit, wobei
Rasmussen Geordi ständig über die Schulter schaut.
Die Phaser werden abgefeuert, und nach wenigen
Minuten sinkt die Temperatur auf dem Planeten nicht
mehr; in einigen Gebieten beginnt sie sogar wieder zu
steigen. Das Schlimmste ist also zunächst abgewendet
und wertvolle Zeit für weitere Maßnahmen gewonnen.
Später besucht Rasmussen Dr. Crusher auf der
Krankenstation und lässt sich, während er ihr
schmeichelt, einen Nervenstimulator zeigen, um die
alte Technik zu analysieren. Deanna, die auch dort
ist, gibt zu, dass sie ihm nicht traut, obwohl er
sich auch bei ihr einzuschmeicheln versucht.
Dann gibt es neue Probleme auf Penthara: Genau von
den Stellen, wo die frischgebohrten Löcher sind,
gehen heftige tektonische Aktivitäten aus, einige
Vulkane brechen auf dem vorher so stabilen Planeten
aus. Offensichtlich wurde die tektonische Stabilität
in der Umgebung der Bohrlöcher überschätzt, doch
Geordi hat bereits neue Ideen, die er aber erst noch
abwägen will.
Bei einem Besuch bei Data stibitzt Rasmussen einen
Tricorder. Data hat ihm auf dem Fragebogen sehr
ausführlich geantwortet, so dass Rasmussen der
Klarheit wegen noch einige Fragen stellt, und bittet
Data um dessen Baupläne, die Data ihm gerne
bereitstellt.
Geordis neuer Plan ist sehr riskant: Er möchte eine
Phaserentladung genau in die gefährdeten Regionen
abgeben, wobei die Enterprise für das entstehende
hochenergetische Plasma als "Blitzableiter"
fungieren soll. Ist die Entladung aber nicht absolut
genau, wird alles Leben auf dem Planeten
ausgelöscht.
Picard bittet Rasmussen in seinen Raum und drängt
den Historiker, ihm zu berichten, wie die Sache
ausgehen wird. Rasmussen meint, er könne Picard das
nicht sagen, da dies die Zeitlinie verändern könnte
und spielt auf die Oberste Direktive an. Picard
erwähnt, dass er gegen die Oberste Direktive
mehrfach verstoßen hat, dabei aber jedes mal mit
reinem Gewissen. Wenn er nun schon seine
Überzeugungen hinterfragt, dann möchte er von
Rasmussen auch die Lösung des Problems kennen, da
von seiner Entscheidung 20 Millionen Leben abhängen,
doch Rasmussen meint, all diese Leute inklusive
Picard sind für ihn schon lange vor seiner Geburt
gestorben, so dass es für ihn egal sei, ob sie jetzt
oder später umkommen. Picard bemerkt, dass
möglicherweise die Konsequenzen einer Rettung ebenso
verheerend sein könnten wie ein Versagen: Der eine
oder andere dieser 20 Millionen könnte, wenn er
durch Picards Hilfe überlebt, zum nächsten Adolf
Hitler oder Khan Singh werden und damit Rasmussens
Gegenwart verändern. Er vermutet, dass Rasmussen
Angst hat, er könnte eine andere Entscheidung
treffen, als es in den Geschichtsbüchern der Zukunft
steht.
Aber er hat seine Entscheidung auch so getroffen und
ist froh darüber, den Erfolg seines Handelns nicht
zu kennen, sondern die Freiheit der Entscheidung zu
haben. Da er noch nie ein Mann war, der auf Nummer
sicher geht, führt er Geordis Plan durch. Natürlich
klappt es, und alle sind gerettet.
Rasmussen verabschiedet sich alsdann, da er meint,
nun das wichtige Ereignis, die Rettung von Penthara
IV, miterlebt zu haben. Doch als er in der
Shuttlerampe sein Schiff betreten will, erwarten ihn
Picard und seine Offiziere bereits. Da mehrere
Gegenstände abhanden gekommen sind, will er das
Schiff zunächst durchsuchen. Rasmussen gibt sich
verärgert, gestattet aber schließlich Data, mit
hineinzugehen. Doch als Data die verschwundenen
Gegenstände - ein Tricorder, ein klingonisches
Messer, der Nervenstimulator und anderes - entdeckt,
bedroht Rasmussen ihn mit einem ebenfalls gestohlenen
Phaser. Rasmussen erklärt, dass er in Wahrheit aus
dem 22. Jh., also aus der Vergangenheit, stammt und
Erfinder ist, kein Historiker. Als Erfinder ist er
allerdings nach eigenem Bekunden "entsetzlich
erfolglos", und so hat er seine Chance genutzt,
als ihm das tatsächlich aus dem 26. Jh. stammende
Zeitschiff in die Hände fiel, um aus der Zukunft
Gegenstände zu organisieren und sie als seine
Erfindungen auszugeben. Ein besonderer Glücksfall
ist Data, den er nun im Schiff mitnehmen kann. Leider
funktioniert der Phaser nicht, und so kann Data ihn
überwältigen und mit herausnehmen, wo er Picard
berichtet, was er erfahren hat. Rasmussen meint, das
wäre alles nur ein dummer Zufall und er müsste nun
endgültig in sein Schiff, das gleich wieder
zurückreisen wird. Picard erklärt ihm zunächst,
dass er alle verschwundenen Gegenstände orten
konnte, als Rasmussen die Tür des Schiffes öffnete
und dass der Computer sie dann deaktivierte, so auch
den Phaser. Anschließend lässt er Rasmussen in eine
Arrestzelle werfen, während das Schiff so plötzlich
verschwindet, wie es auftauchte. Mit einem gewissen
Grinsen wendet er sich noch an Rasmussen:
"Willkommen im 24. Jahrhundert!"
Bewertung
Handlung: "Der zeitreisende Historiker" ist eine
intelligent angelegte Episode, die geschickt Humor
und Spannung miteinander verknüpft. Zum einen gilt
es einen Planeten zu retten, zum anderen das
Geheimnis dieses merkwürdigen Mannes zu ergründen.
Dass der Planet letztlich gerettet wird ist klar,
daher ist die spannendste Szene der Episode die, wo
Picard Rasmussen bittet, ihm zu sagen, wie es
ausgehen wird. Dabei betreibt Picard zum einen
Selbstanalyse bezüglich seiner bisherigen Verstöße
gegen die Oberste Direktive und wägt gleichzeitig
ab, ob ein Verstoß in diesem Fall angebracht ist.
Der Zuschauer fühlt mit der Crew, da er erst spät
in Rasmussens Betrug eingeweiht wird, nämlich beim
Diebstahl des Tricorders in Datas Quartier.
Rasmussens lockere, fröhliche und vor allem
neugierige Art lässt ihn zunächst vertrauensvoll
und sympathisch erscheinen. Höchstens Deannas
schlechtes Gefühl ihm gegenüber lässt einen milden
Verdacht aufkeimen, aber da sein Schiff zweifelsohne
aus der Zukunft stammt, wird man von der Auflösung
doch überrascht.
Dummerweise gibt es dabei viele Ungereimtheiten, die
weder der Crew noch den Produzenten aufgefallen zu
sein scheinen:
-
Zunächst einmal weiß jeder, der "Zurück in
die Zukunft" gesehen hat, dass die bloße
Anwesenheit eines in die Vergangenheit Reisenden
bereits verheerende Auswirkungen auf dessen Gegenwart
haben kann. Daher erscheint es völlig unlogisch,
dass Rasmussen das Ereignis aus nächster Nähe
beobachten will, denn sowohl ihm als auch Picard muss
klar sein, dass seine Anwesenheit alles Kommende
verändern kann.
-
In einem Gespräch bemerkt Rasmussen, dass Data aus
seiner Sicht quasi das "Modell T" (Ford
Modell T: erstes Fließbandauto der Welt) aller
Androiden sei. Später will er aber Datas
Konstruktionspläne haben, da von der Arbeit Dr.
Soongs kaum mehr etwas überliefert sei. Wozu das,
wenn Data weiterentwickelte Nachfolger hat?
-
Nach dem Asteroideneinschlag, den merkwürdigerweise
niemand vorhergesagt zu haben scheint, ist klar, dass
dem Planeten eine Eiszeit bevorsteht. Nachdem durch
die Aktionen der Enterprise die Situation noch
gefährlicher wird, ist klar, dass man schnellstens
etwas unternehmen muss. Aber zu keinem Zeitpunkt wird
auch nur ein Gedanke an eine Evakuierung
verschwendet.
Charaktere: Die Episode wäre wohl nur halb so gut, würde jemand
anders als Matt Frewer Dr. Rasmussen spielen. Er
erweckt tatsächlich den Eindruck eines fanatischen
Historikers, der es gar nicht erwarten kann, ein
berühmtes/wichtiges Ereignis einmal aus nächster
Nähe zu sehen und direkt dabei zu sein, zu sehen,
was die einzelnen Leute tun und wie sie es tun. Sein
Improvisationstalent ermöglicht es Rasmussen, stets
eine passende Antwort parat zu haben, wobei er aber
meist nur erwähnt, nichts preisgeben zu dürfen; das
Verstecken hinter der drohenden Veränderung der
Zeitlinie passt ihm bestens. Die logische Schwäche,
dass seine Anwesenheit bereits eine Beeinflussung
darstellt, haben die Autoren dieser Episode unter den
Tisch gekehrt.
Riker und Worf dürfen einmal mehr ihre Charaktere in
einer Antwort versinnbildlichen, als Rasmussen sie
fragt, was sie für die bedeutendste Erfindung der
letzten 200 Jahre halten. Als Forscher meint Riker,
das wäre für ihn die Warpspule, die eine enorme
Erweiterung des Horizonts ermöglicht hat. Für Worf
ist es - was auch sonst - die Erfindung des Phasers.
Ein wenig enttäuschend ist dafür der Captain. Er
hat im Umgang mit Rasmussen nicht die Stärke, die
sonst für ihn charakteristisch ist, sondern
beantwortet sich seine Fragen häufig selbst, indem
er aufzeigt, wie das Wissen um die Zukunft jene
verändern könnte. Vor allem aber ist er in der
Szene, als er von Rasmussen wissen will, ob er den
Planeten gerettet haben wird, schon beinahe am
Betteln, um das Ergebnis zu erfahren. Wir kennen
Picard als einen entschlussfreudigen Mann, der selten
zögert. Doch hier kann er sich zunächst nicht
entschließen. Das entspricht nicht dem Picard, den
man aus anderen Episode kennt. Dafür weiß man dann
aber, dass die Sache so gut wie überstanden ist, als
Picard sich wieder fasst und mit festem Willen
befiehlt, das riskante Manöver durchzuführen und
damit Alles oder Nichts haben wird.
In der Szene, als Data mehrere klassische Musikstücke auf
einmal hört, gibt es einen Übersetzungsfehler. Als zweites Stück
nennt er in der deutschen Fassung "Brahms' Klavierkonzert Nummer 3",
im Original spricht er hingegen von "Bach's Brandenburg Concerto Number 3".
Das ist nicht zuletzt deshalb unsinnig, weil Brahms nur zwei
Klavierkonzerte komponiert hat, nicht drei. Vielen Dank an unseren Leser
Wolfgang für den Hinweis.
FX: Eine angenehme Überraschung sind die Effekte. Das Schiff aus der
Zukunft ist interessant schlicht gehalten. Vor allem
aber überzeugt die Szene, als Picard die Phaser
erneut abfeuern lässt: In Sekunden wird der ganze
Planet von Plasma überzogen, das dann auf die
Enterprise umgelenkt und vom Hauptdeflektor ins All
geblasen wird. Möglicherweise der beste Effekt, den
TNG bisher zu bieten hatte.
Insgesamt:
Trotz aufgezeigter logischer Schwächen und dem
merkwürdigen Verhalten Picards ist "Der
zeitreisende Historiker" eine brillante Episode,
die großes Vergnügen bereitet.
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