Schiff der verpassten Chancen
von Andrej Schwabe, 27.11.2024
Inhalt:
Die Serie Star Trek: Voyager wird besprochen, wobei es um
Serienhintergründe, Episoden, Hauptfiguren, politische Themen wie
den Maquis und außerdem um die fiktive Fortsetzung der Serie nach
ihrem Ende geht.
Kritik:
Natürlich darf die Kaffeetasse nicht fehlen! Mit diesem ikonischen
Requisit und einer der typischen Janeway-Reden, in denen sie mit
markigen Worten ihre Verantwortung für ihre Crew unterstreicht,
beginnt Julian Wangler sein lesenswertes Buch.
Es startet mit den Serienhintergründen, die neben den üblichen
Details zu Produktion, Schauspielern und Einschaltquoten auch eine
Zählung der Crewmitglieder über die gesamte Serienzeit enthält. So
detailverliebt muss man erstmal sein!
Begleitet wird die obligatorische Episodenübersicht von den gewohnt
unterhaltsam geschriebenen Staffeleinschätzungen, einer Übersicht
der wichtigsten Story-Arcs und Einzelbewertungen der Episoden.
Die Serie Voyager wird in Fankreisen durchaus kontrovers
diskutiert. Wie sieht der Autor Voyager? Trotz des positiv
bewerteten Kurswechsels ab der vierten Staffel, als die Borg
endgültig die Serienbühne betraten und für publikumswirksame Action
und starke Figurenentwicklung sorgten, wohl insgesamt als eine
Serie der verpassten Chancen.
Er macht dafür verschiedene Punkte aus und betrachtet gleichzeitig
Alternativen zum Serienkonzept mit grundlegenden Änderungen. Zum
Beispiel passt für ihn eine als Anthologie ausgerichtete Serie viel
besser zur Serienprämisse eines verschollenen Raumschiffs. Eine
reizvolle Komponente hätte darin bestanden, dass die
jahrzehntelange Rückreise in verschiedenen Abschnitten erzählt
worden wäre. Dabei könnten zwischen den Abschnitten ähnliche
Zeitsprünge auftreten wie bei dem Sprung um jeweils eine Dekade
zwischen den Staffeln der Serie "For all Mankind". Die Serie hätte
auch viel rücksichtsloser sein können wie im Zweiteiler
"Ein Jahr Hölle" angeklungen, als
sich die Voyager über mehrere Monate gegen die Krenim zur Wehr setzt.
Mitfahrende Gäste hätten die Voyager zeitweise begleiten können,
ähnlich wie Neelix, um damit für willkommene Abwechslung zu sorgen.
Alienvölker hätten durch die Konzentration auf einzelne
Abschnitte stärker beleuchtet werden können.
Spannend finde ich die Analyse der Situation der Maquis auf dem
Schiff. Aus heutiger Sicht wurde der Konflikt zu Beginn der Serie
sicherlich zu schnell und zu sang- und klanglos eingestellt. Der
Autor beleuchtet hier verschiedene Perspektiven. Die eine Seite,
die den Konflikt gerne bedingungs- und kompromissloser ausgetragen
hätte, z.B. indem Chakotay Janeways Autorität herausfordert und
hart um seine Macht verhandelt. Und die andere Seite, die die Frage
nach Realismus und Glaubwürdigkeit stellt angesichts der Isolation
der Voyager und der Aussichtslosigkeit der Situation, was von
selbst für den Drang zur Zusammenarbeit sorgt. Letztlich plädiert
er dafür, dass die Beilegung des Konflikts nachvollziehbarer hätte
erzählt werden sollen. Um das zu illustrieren, präsentiert er ein
fiktives Gespräch zwischen Janeway und Chakotay, in dem sie
übereinkommen, wie sie nach der Strandung im Delta-Quadranten
weitermachen wollen. Das harte Verhandeln und das Gewinnen des
gegenseitigen Vertrauens lässt sich tatsächlich besser verdauen als
der Übergang zum Tagesgeschäft bereits zu Beginn der ersten
Staffel.
Insgesamt muss man sich wahrscheinlich auch fragen, wie Star Trek
mit seiner zu diesem Zeitpunkt eher konservativen Erzählweise in
der Lage gewesen ist, diese vergleichsweise unkonventionellen
Punkte umzusetzen. Dass jedenfalls mehr möglich gewesen ist, konnte
man problemlos bei der parallel laufenden Serie Deep Space Nine
miterleben.
Zur Geschichte und Politik gibt es ein aufschlussreiches Kapitel
über den Maquis und seine Entstehung, der zugleich in dieser Form
bereits in "Star Trek:
Deep Space Nine - Welt zwischen Politik, Krieg, Glaube und Hoffnung"
erschienen ist. Angesichts ihrer herausgehobenen Bedeutung hätte
ich mir noch ein eigenes Kapitel zu den Borg gewünscht mit
Einblicken zu ihrem Aufbau und der Entwicklung über die Serien
hinweg, wie in "Der Himmel ist das
Limit" desselben Autors. Eine Übersicht über wichtige Völker im
Delta-Quadranten wie beispielsweise Vidiianer, Hirogen und
Kazon würde das Kapitel abrunden.
Gelungen ist das Abschlusskapitel zum Voyager-Relaunch im
Romanuniversum mit interessanten Einblicken der Autorin Kirsten
Beyer, die für alle späteren Relaunch-Romane verantwortlich war.
Hinweis: Diese Buchbesprechung bezieht sich auf die erste Auflage
des Buches. Inzwischen liegt die dritte Auflage vor.
Infos:
Titel (erste Auflage): Star Trek: Voyager - Überblicke, Gedanken und Analysen 20 Jahre nach Serienende
Titel (dritte Auflage): Star Trek: Voyager - Eine Odyssee durch die Nacht
Autor: Julian Wangler
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2021
BoD - Books on Demand
Mit freundlicher Unterstützung von Julian Wangler
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Andrej Schwabe.