Was macht Androiden glücklich?
von Andrej Schwabe, 08.06.2003
Jeffrey Lang hat für Star Trek bereits am
DS9-Roman "Sektion 31: Der Schatten" mitgeschrieben.
Commander Maddox (wollte Data in
TNG: "Wem gehört Data?" demontieren lassen) hat einen neuartigen Androidentyp entwickelt. Bei dem ersten Test kommt es jedoch zu einer Katastrophe: Das Labor stürzt ein und begräbt Maddox und den Prototyp unter sich. Als die Enterprise zur Untersuchung des Vorfalls beordert wird, deckt Data auf, dass es sich um einen sorgfältig geplanten Anschlag gehandelt haben muss.
Handlung:
Der Planet Chiaros IV ist die einzige bewohnbare Welt in der
Geminus-Kluft. Die Regierung der Chiarosaner strebt eine
Mitgliedschaft in der Föderation an. Doch pro-romulanische
Guerilla-Gruppen versuchen, diese Pläne zu sabotieren.
Kritik:
Jeffrey Lang hat mit "Das Unsterblichkeitsprinzip" (wieder) einen Volltreffer gelandet. Ihm gelingt grandios die schwierige Gratwanderung zwischen spannender Handlungsführung, interessanter Charakterentwicklung und nachdenklicher Atmosphäre.
Das Buch besteht aus drei Teilen, an denen sich die Erkenntnisentwicklung für Data orientiert. Jeder Teil löst Rätsel auf, wirft aber genauso viele wieder auf. Dreh- und Angelpunkt bleibt dabei immer Data und seine Androidennatur, die immer intensiver beleuchtet wird. Schließlich klärt sich noch vieles aus der Vergangenheit seines Vater Dr. Soongh. Lang hat stets darauf geachtet, die Spannung weder zu vernachlässigen noch sie zu deutlich zu betonen. Dabei kommt ihm die Dreiteilung sehr zugute, weil immer neue Dinge offenbar werden, die einem quasi den Atem nehmen.
Doch nicht nur für Data, sondern auch für den Leser (und damit den interessierten Trek-Fan) gibt es viele Geheimnisse aufzudecken. Reichlich erfahren wir über Datas Vater und seine Anstrengungen, Data zu konstruieren. Und es treten (ohne jetzt zu viel verraten zu wollen) folgenschwere Bezüge zu den TOS-Episoden
"Der alte Traum",
"Fast unsterblich" und
"Computer M5" ans Tageslicht, die viele kleine Geschichten von TOS und TNG in einen größeren Kontext (nämlich den der Unsterblichkeit) rücken. Ein bisschen wirkt das aber leider wie in den Q-Büchern, in denen plötzlich alle übernatürlichen Wesen aus TOS Q waren. Aber das nur am Rande.
Sinnvoll sind die Bezüge aber trotzdem, weil sie nämlich das Thema "Unsterblichkeit" besser umreißen. Von Data wissen wir ja, dass er durchaus mit seiner Unsterblichkeit ringt, wenn er den Emotionschip aktiviert (so weint er sogar an einer Stelle des Buches), der unsterbliche Mr. Flint aus
"Fast unsterblich" hingegen kompensiert dies durch den Bau menschlicher Androiden und dann kennen wir ja noch die zahlreichen Computer-Intelligenzen wie M5, die Naniten
(TNG "Die Macht der Naniten") oder die Exocomps
(TNG "Datas Hypothese"), die gar nicht mit solchen Themen beschäftigt sind. Lang kommt in seinen zahllosen Vergleichen und inneren Monologen Datas zu der These, dass Unsterblichkeit als Problem eher zweitrangig ist und es letztlich wichtiger ist, jeden Augenblick zu genießen unabhängig der physischen Beschaffenheit. Und natürlich findet unser Lieblingsandroide in diesem Roman auch eine attraktive Androidin...
In keinem anderen Buch oder Episode macht Data eine derartige Charakterentwicklung durch als in diesem. Er lernt die Probleme menschlichen Lebens kennen, erfährt am eigenen Leib den bevorstehenden Tod, liebt, hat Angst, döst und lacht. Ohne dabei kitschig zu wirken. Die Bandbreite seiner Emotionen ist diesmal viel größer und mit der Identifikation klappt es dadurch auch viel besser.
Ein zweiter Bestandteil des Buches stellt die Konfrontation mit den anderen Unsterblichen und ihren verschiedenen Konzepten und Motivationen dar, die ebenfalls den Reiz von "Das Unsterblichkeitsprinzip" ausmachen. Dabei muss Data nämlich oft Entscheidungen fällen oder sich klar positionieren. Auch für seine Gedanken zu Sterblichen nimmt sich Lang Zeit und weit detaillierter als in der Serie.
Jeffrey Lang lässt diesmal die anderen TNG-Charaktere gegenüber Data zurücktreten (es ist schließlich ein Data-Roman), behandelt sie jedoch immer noch würdevoll.
Die Handlung beherrscht er vortrefflich, stets hat er die Kontrolle über alle Charaktere, alle Ereignisse, lässt aber dennoch ausreichend Raum, um Emotionen und Gedanken zu transportieren und vergangene Ereignisse im richtigen Tempo einfließen zu lassen. Spannung ergibt sich oft nicht aus der üblichen Mischung aus konstruierter Handlung und schablonenhaften Charakteren, sondern aus gut komponierten "Klein-Ereignissen", die alle auf die "große Erkenntnis" am Ende ausgerichtet sind.
Zwei kleine Ungereimtheiten möchte ich noch anmerken: In diesem Roman funktioniert Datas Emotionschip im Gegensatz zu Diane Careys Romanadaption zu
"Nemesis" wunderbar. Und Worf ist ebenfalls im Gegensatz zum zehnten Kinofilm immer noch klingonischer Botschafter bei der Föderation. Beides lässt sich aber leicht mit den zahllosen anderen Ungereimtheiten in "Nemesis" verrechnen.
Fazit: Unbedingt lesen!
Infos:
STAR TREK - The Next Generation, Band 76
Titel: Das Unsterblichkeitsprinzip (Immortal Coil)
Autor: Jeffrey Lang
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2002, USA: 2002
Deutsche Übersetzung von Andreas Brandhorst
Preis: 7,95 €
Wilhelm Heyne Verlag, München