Deutscher StarTrek-Index  

Affären, Sexualität und Voyager

von Andrej Schwabe, 17.10.2000

Nachdem Peter David sich beim letzten Mal ausgiebig der Grundsituation und Calhoun gewidmet hat, weitet sich jetzt sein Blick und ein Teil der restlichen Charaktere treten in sein Blickfeld. Spätestens jetzt wird klar, dass die ersten vier Romane (in Deutschland die ersten zwei) der Etablierung der Charaktere und Handlungsorte dienen. Dass der Leser dabei nicht zwangsläufig auf ein Stück Handlung verzichten muss, beweist dieser Roman ebenfalls.

Nebenbei sei noch gesagt, dass Heyne die ersten vier Bücher in zwei Doppelbänden herausbringt. Das ist zwar für den Leser preiswerter, leider gehen dabei aber zwei Cover hopps und die Romantitel sind entsprechend anspruchslos übersetzt. Aber immer noch besser als gar nicht...

Handlung:
Die USS Excalibur nimmt Kurs auf Thallon, Calhoun entdeckt einen blinden Passagier und die Crew stößt auf ein Schiff voller Flüchtlinge.

Kritik:
Captain Calhoun: Ins Leere Kartenhaus Wie schon erwähnt spielen persönliche Konflikte eine zentrale Rolle, wobei sicher der zwischen Calhoun und seiner Ersten Offizierin Shelby ("In den Händen der Borg") der bemerkenswerteste ist. Nicht nur dass die beiden offensichtlich eine Affäre hatten, die jetzt nach außen hin für emotionelle Kühle sorgt, auch der teils sarkastische Humor zwischen beiden ist erfrischend originell.

Die neuen Charaktere lassen an die Romane von Diane Duane denken, in denen Glasspinnen, denkende Computer und in Idiomen redende Aliens Hochkonjunktur haben. Im Gegensatz zu ihnen stattet David seine Aliens aber mit so ziemlich allen Ecken und Kanten (OK, vielleicht ein paar weniger) aus, die man sich vorstellen kann. Dabei sticht Burgoyne 172 hervor: Er/Sie ist ein(e) Hermat und damit ein Zwitterwesen, was Star Trek endlich mal auch vor seinen sexuellen Spiegel zerrt und fragt, wo man im 24. Jahrhundert angekommen ist.

Mir sei verziehen, wenn ich hier ein wenig ausschweifend werde und eineinhalb Worte verliere, aber ich halte die Kombination von Star Trek und Sexualität zumindest für interessant. Seit dem klassischen Trek sind nun schon dreieinhalb Jahrzehnte ins Land gezogen und im gleichen Maße hat sich auch die Sicht des Begriffs Sexualität gewandelt; was früher mitunter als pervers etc. gehandelt wurde, ist heute gesellschaftlich akzeptiert. Das wirft natürlich die Frage auf, warum Star Trek "seine" Ansicht von Sexualität größtenteils konserviert hat: Der Zuschauer wird in den meisten Fällen Zeuge heterosexueller Beziehungen, und wenn dann doch mal eine bisexuelle dargestellt wird, dann durch die Bank nur über negativ belegte Gegenspieler (siehe die Spiegeluniversumfolgen von DS9) - einzige (gut geratene) Ausnahme ist Dax' Beziehung zu einer früheren Ehegattin ("Wiedervereint"). Auffallend ist auch, dass es sich dabei grundsätzlich um weibliche Charaktere handelt, wohl um die wackligen Einschaltquoten nicht zu gefährden. Ich vermute mal, dass das auch mit der neuen Fernsehserie nicht anders wird, ein lesbischer/schwuler Captain ist halt doch für das sich sonst so fortschrittlich feiernde Star Trek zu fortschrittlich. Ich hoffe nur, dass David diese längst überfällige Idee nicht verwässert und sie mehr als nur lesbische Liebesspielchen (für die zahlungskräftige junge, männliche Leserschaft) erfahren lässt.

Wie auch in seinen anderen Romanen finden sich wieder passende Querverweise auf andere Serien: Die Figur des Sicherheitschefs Kebron (ein Brikar) stammt aus Davids Kadettenroman "Worfs erstes Abenteuer", in dem dieser sich mit Worf angelegt und beide sich schließlich ein Quartier teilen müssen.

Noch eine kleine Notiz am Rande: Si Cwan bietet Captain Calhoun die Dienste eines Botschafters an, da er mit dem Thallonischen Machtbereich vertraut ist, woraufhin ihm der wütende Calhoun mehrmals mit dem Job des Schiffkochs droht. An welche Serie mit einem überaus nervenden Chefkoch (im Gegensatz zu seinem Schauspieler) erinnert uns das?

Fazit: Passende Fortsetzung, die die Excalibur-Crew charakterlich vervollständigt und endlich auch mit der Handlung beginnt. Der Titel ist überings leicht irreführend; es geht überhaupt nicht "Into The Void".

(gandalf)


Infos:
Star Trek: New Frontier/Die neue Grenze
Band 1.2
Neu aufgelegt 2011
Titel: Captain Calhoun: Ins Leere bzw. Kartenhaus (Into the Void)
Autor: Peter David
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2000 bzw. 2011, USA: 1997
Deutsche Übersetzung von Bernhard Kempen
Preis: 15 DM bzw. 12,80 €
Wilhelm Heyne Verlag, München bzw. Cross Cult Verlag
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