DSi

TNG 6.15 Willkommen im Leben nach dem Tode


Tapestry

von Yann-Patrick Schlame

Episodenbeschreibung

Sternzeit: Nicht genannt.
Dr. Crusher bereitet sich auf einen Notfall vor, als ein geschundenes Außenteam zurückkehrt und den schwer verletzten Captain Picard mitbringt. Crushers Wiederbelebungsversuche schlagen fehl, und...

...Picard befindet sich in einer bizarren, konturlosen Umgebung, wo eine Person auf ihn wartet: Q! "Willkommen im Leben nach dem Tode, Jean-Luc, sie sind tot!", begrüßt er den Captain. Er behauptet, dass Picard wegen seines künstlichen Herzens an der Verwundung, die er eben erhielt, stirbt. Nachdem Picard die Tatsache akzeptiert, dass er wohl tot ist, obwohl er sich weigert, Q als Gott anzuerkennen, gibt er zu, dass er einiges von dem, was er in seinen ungestümen, jungen Jahren getan hat, bedauert. Aber Q gewährt ihm eine zweite Chance: Er versetzt Picard in seine Vergangenheit, kurz vor der Schlägerei mit drei Nausicaanern, wo Picard ein Messer quer durchs Herz gerammt wurde, weshalb er seitdem ein künstliches Herz trägt. Q meint, wenn Picard diesmal nicht den Fehler begeht, sich mit den Nausicaanern anzulegen, dann wird er ihn wieder in die Gegenwart zurückbringen, so dass er die Verwundung überlebt.

So ist Picard nun wieder ein frisch von der Akademie der Sternenflotte kommender Fähnrich, der mit seinen Freunden noch einmal einen drauf macht, bevor sie alle zu verschiedenen Posten versetzt werden und sich langsam aus den Augen verlieren. Bald findet die erste Begegnung mit den Nausicaanern statt, die beim Dom-Jot nur durch Betrug gewinnen, worüber sich vor allem Picards Freund Corey Zweller aufregt. Picard versucht Corey zu beschwichtigen, kann ihn aber nur knapp davor bewahren, den Tisch vor der nächsten Party zu seinen eigenen Gunsten zu sabotieren. Picard stößt bei Corey auf Unverständnis, weil er nicht bereit ist, ein Risiko einzugehen, doch es ist Picard ernst damit, den Nausicaanern um jeden Preis aus dem Weg zu gehen.

Schließlich sitzen Picard, Corey und Freundin Marta Batanides, mit der Picard diesmal ein Verhältnis eingeht, erneut in der Spelunke, wo sie auf die Nausicaaner trafen, als jene hereinkommen und offensichtlich auf Streit aus sind. Corey will sich mit ihnen prügeln, doch Picard hält ihn brutal zurück, um die Nausicaaner nicht zu provozieren.

Direkt darauf findet er sich auf der Brücke der Enterprise wieder, zwar in der Gegenwart, doch im Range eines Lieutenant, Junior Grade. Q hat ihn in die Position gebracht, die er nun hätte, nachdem er vor so vielen Jahren dem Streit aus dem Weg ging: Er musste nie dem Tod ins Auge sehen, traf deshalb andere Entscheidungen und ist ein durchschnittlicher Offizier, der es nicht einmal annähernd bis zum Captain bringt.

Picard bittet Q, die ursprüngliche Situation wieder herzustellen: Er möchte lieber als der Mann sterben, der er war, als als der Mann weiterzuleben, der er jetzt ist. Picard sieht ein, dass die bittere und beinahe tödliche Situation mit den Nausicaanern für seine Entwicklung, seinen Werdegang und seine Persönlichkeit von großer Wichtigkeit ist. Er bereut seine Vergangenheit und die Fehler seiner Jugend nicht mehr, sondern akzeptiert, dass sie ihn zu dem gemacht haben, der er ist: Captain der Enterprise, des Flaggschiffes der Föderation.

Im nächsten Augenblick befindet er sich wieder mit Corey und Marta in der Kneipe, kurz vor der Schlägerei. Der Anführer der Nausicaaner beschimpft die drei und lästert über die Föderation. Picard greift ihn an, es kommt zu einer wilden Prügelei, und schließlich wird Picard von hinten ein Messer durch den Körper gerammt. Picard blickt auf die Klinge herab, die aus seinem Brustkorb ragt, und lacht, bevor er bewusstlos zu Boden fällt...

... als er in der Krankenstation der Enterprise erwacht, ist er immer noch am Lachen. Man erfährt, dass sich seine Lebenszeichen stabilisieren und Dr. Crusher ihn retten kann. Q hat die Zeitlinie wiederhergestellt, und Picard erholt sich schnell von der Verwundung. Abschließend berichtet er Riker von seinen Erlebnissen, und meint, dass er Q zu großer Dankbarkeit verpflichtet ist, da ihm Q vor Augen geführt hat, dass er seine Vergangenheit akzeptieren muss.




Bewertung

Vorab: Die Episode ist genial. Q ist perfekt, Picard ist hervorragend, und die Handlung tut ein Übriges, um diesen Eindruck zu vermitteln.

Zur Handlung: Erst einmal erfährt man viel über den jungen Picard. Er hat in früheren Episoden von Zeit zu Zeit über seine Jugend erzählt, meist wenn er mit Wesley geredet hat. Da der junge Picard von Patrick Stewart gespielt wird (Q erklärt, die anderen sehen ihn, wie er damals aussah), ist es umso beeindruckender, dass man ihm die Rolle abnimmt: Dass er mit dem Erfahrungsschatz eines schon recht langen Lebens (zweier Leben, wenn man "Das zweite Leben" berücksichtigt) in die Rolle des jungen Fähnrichs schlüpft. Seine Freunde attestieren ihm, dass er verändert wirkt, sehr ruhig und in gewisser Hinsicht weise. Dem Zuschauer sind die Gründe dafür klar, und so kann man beurteilen, dass es von Stewart gut dargestellt wird.
In diesem zweiten Versuch ändert Picard nicht nur sein Verhalten gegenüber den Nausicaanern, er korrigiert auch das Verhältnis zu Marta, die ihm eine enge Freundin war, indem er diesmal mit ihr eine Beziehung eingeht. Jedoch ist Marta am Morgen danach nicht so überzeugt, dass es eine gute Idee war. Da Picard von Q aus der Situation gerissen wird, nachdem er die Schlägerei verhindert hat, wird das Verhältnis zu Marta nicht weiter erläutert, aber es gibt schon Aufschluss darüber, wie zufrieden Picard mit seiner Vergangenheit ist. Zu den Dingen, die er bereut, gehört auch die versäumte Beziehung zu Marta, obwohl man erfährt, dass der junge Picard ein regelrechter Frauenheld ist, der kaum eine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lässt. Die Sache mit Marta scheint aber aus diesem Rahmen herauszufallen, man könnte sagen, es ist ihm mit Marta ernst, was ihm aber auch erst jetzt, beim zweiten Versuch, klar ist, zumal er "Penny", offensichtlich eine Hure, abblitzen lässt. Man kann mutmaßen, dass er es damals anders hielt: Er bewahrte sich ein unschuldiges Verhältnis zu Marta und ging seinen hormonell bedingten Neigungen mit Gelegenheitsbeziehungen wie Penny nach. Man könnte diese Analyse über Picards Liebesleben wohl noch um Seiten ausweiten, doch kommen wir zur Handlung und den Charakteren zurück:

Nach einem ziemlich schwachen Auftritt in "Eine echte Q" ist John deLancie hier wieder in Höchstform. Es gelingt ihm immer wieder, unerwartet aufzutauchen, und jede seiner Rollen wurde liebevoll mit Details ausgeschmückt: Als Blumenbote spricht er Picards Namen auf Englisch aus ("John-Luck Pickard"), als Barkeeper hat er ein Handtuch in der Hand, mit dem er ein Glas abtrocknet und das er gleich danach Picard zur Verfügung stellt, der so eben Pennys Drink ins Gesicht geschüttet bekam, und als Doktor hat er eine stilechte Ausstattung des frühen 20. Jahrhunderts, um nur einige Beispiele zu nennen.
Q's eigentliches Ansinnen ist es, Picard einen Dienst zu erweisen. Man erfuhr schon früher, dass Picard seine Vergangenheit bereut und sich wünscht, einiges anders zu machen, allem voran die Situation mit den Nausicaanern (vgl. "Das Herz eines Captains", wo er Wesley detailliert die Situation beschreibt). Q greift diesen Wunsch auf und erfüllt ihn Picard. Er gibt ihm die Möglichkeit, alles anders zu gestalten (nachdem er Picard versichert, dass keine Sternensysteme zerstört werden und die Föderation nicht untergeht, wenn Picard in der Zeitlinie handwerkt) und alle Fehler zu vermeiden. Nachdem Picard das getan hat, führt ihm Q die Konsequenzen vor Augen, indem er den Captain wieder in die Gegenwart bringt, jedoch unter der Voraussetzung, dass Picard den Streit vermieden hat. Die kurze Zeit auf der Enterprise, bevor Q ihn wieder zu sich holt, ist für Picard bitter: Er wird von Worf und Geordi herumkommandiert, Riker und Troi attestieren ihm, dass er in der Technik gute Arbeit leistet, aber keine Position im Befehlsbereich erhalten wird.
Mit diesem "was wäre, wenn..." Szenario gelingt es Q, Picards innere Unruhe bezüglich seiner Vergangenheit zu nehmen und ihn abschließend mit gestärktem Charakter wieder ins Leben zu schicken. Wie in "Der Mächtige" versucht Q, Picard eine Lektion zu erteilen und hat damit vollen Erfolg. Dies ist keines von Q's belanglosen Spielchen, kein aussichtsloser Versuch, Riker von den Vorzügen des Qseins zu überzeugen (vgl. "Rikers Versuchung"), sondern es ist Q, wie er leibt und lebt.

Die Episode lebt zu einem guten Teil von der mittlerweile zur Perfektion gereiften Interaktion zwischen Stewart und deLancie. Der Humor ist gut, aber nicht essentiell. Die verschiedenen Situationen, in denen man über Q oder Picard lachen kann, werden gut eingesetzt, um die Atmosphäre aufzulockern, aber der Inhalt der Episode würde, im Gegensatz zu anderen Q-Folgen, auch ohne die Witze auskommen.

Als Picard am Ende zugibt, Q Dank zu schulden, hat er damit vollkommen recht, denn kaum einer erhält die Chance, sich auf diese Weise mit seiner Vergangenheit zu arrangieren.

Noch ein wenig zur Umgebung: Die Erhardt-Basis und die Spelunke sind detailreich gestaltet, die Zimmer wirken bei weitem nicht so steril, wie in anderen Episoden. Man erfährt, dass der Captain der Enterprise in der spekulativen Gegenwart Thomas Halloway heißt.

Noch eine abschließende Bemerkung: Der Kampf mit den Nausicaanern, der hier das erste Mal zu sehen ist, spielt sich ziemlich genau so ab, wie Picard ihn in "Das Herz eines Captains" beschrieb; das Spiel mit der Fantasie des Zuschauers, was in jener Episode betrieben wurde, wird durch die Verbildlichung keineswegs kaputtgemacht. Auch dafür ein großes Lob an die Regie.

Spannung: 4 SFX: 6 Handlung: 6 Gesamt: 6
Zusammenhänge
  • In "Das Herz eines Captains" erfuhr man erstmals von Picards künstlichem Herz und dem Streit mit den Nausicaanern.
  • Mit etwas Fantasie erinnert die Episode an den Film "It's a Wonderful Life" ("Ist das Leben nicht schön?") mit James Steward in der Hauptrolle.
--------------------------------
Ausdruck vom: 22. 11. 2024
Stand des Reviews: 15. 11. 2024
URL: http://www.startrek-index.de/tv/tng6_15.htm