DSi

DS9 5.22 Kinder der Zeit


Children of Time

von Gregor Fuchs

Episodenbeschreibung

Die Defiant befindet sich auf dem Rückflug von einer Expedition aus dem Gammaquadranten. Dax entdeckt einen Planeten mit einer ungewöhnlichen Energiebarriere und überzeugt Sisko, gegen den Willen der anderen Besatzungsmitglieder, sich das Phänomen näher anzusehen. Beim Flug durch die Barriere wird das Schiff jedoch beschädigt und Kira wird von einer Energieentladung getroffen und schwer verletzt.

Auf dem Planeten existiert humanoides Leben. Zur großen Überraschung der Crew haben die Planetenbewohner die Defiant bereits erwartet und offenbaren den verblüfften Besuchern, dass sie die Nachfahren der Besatzungsmitglieder der Defiant sind. Die Planetenbewohner erklären, sie seien das Ergebnis eines temporalen Unfalls. Beim Versuch den Planeten, den sie Gaia nennen, wieder zu verlassen, werde die Defiant in eine temporale Anomalie geraten, die das Schiff schwer beschädigen, zu einer weiteren Notlandung auf dem Planeten zwingen und sie gleichzeitig 200 Jahre in der Zeit zurückversetzen wird. Nachdem die zurückversetzte Crew den Planeten nicht mehr verlassen konnte, hat sie sich in den kommenden zwei Jahrhunderten zu der neuen Bevölkerung entwickelt.

Die Angaben der Bewohner stellen sich als wahr heraus. Die Besatzungsmitglieder sehen sich also ihren eigenen Nachfahren gegenüber und stehen gleichzeitig vor einem Dilemma: Einerseits müssen sie schnell nach DS9 zurückkehren um Kira ärztlich zu versorgen, auf der anderen Seite würde aber gerade durch eine erfolgreich Rettung vom Planeten die bestehende Zeitlinie durchbrochen und damit zwangsläufig die gesamte Zivilisation auf Gaia ausgelöscht.

Doch Jedrin Dax, der Nachfahre von Jadzia Dax, hat eine Lösung: Beim Rückflug könnte ein Quantenverdoppelungseffekt innerhalb der Energiebarriere so genutzt werden, dass es zu einer Verdoppelung der Defiant kommt. Dann könnte die eine Defiant heimfliegen, während die andere das bereits beschriebene Schicksal durchlebt. Somit wäre die Defiant gerettet und gleichzeitig auch die Zeitlinie aufrechterhalten.

Damit scheint eine für alle befriedigende Lösung gefunden und die Crew schließt Bekanntschaft mit ihren eigenen Nachfahren. Der Odo der Gaia, der als Formwandler immer noch lebt, nutzt die Gelegenheit, um Kira seine Liebe zu gestehen. Seit 200 Jahren hat er auf diesen Tag gewartet und er hofft, dass sich nach der Rückkehr der Defiant endlich für den DS9-Odo die Hoffung auf eine Beziehung zu Kira verwirklicht.

Doch dann findet Dax heraus, dass ihr Nachkomme Jedrin die alten Logbücher gefälscht hat: Es kann zu überhaupt keiner Quantenverdoppelung kommen und somit auch zu keiner Rettung. Jedrin gesteht die Manipulation ein, rechtfertigt sich aber damit, dass es die einzige Chance für das Weiterbestehen seiner Zivilisation sei.

Doch Sisko bleibt hart: Er wird Kira nicht opfern, die unweigerlich sterben würde. Auf Gaia breitet sich unter der Bevölkerung Niedergeschlagenheit aus, dennoch begehen sie alle noch einmal am vermeintlich letzten Tag ihrer Existenz den rituellen Pflanztag. Sie gehen hinaus um die Felder zu bestellen. Bei dieser alle verbindenden, gemeinschaftlichen Arbeit ändert sich die starre Haltung der Crew und man entschließt sich für den Absturz, da auch Kira sich nun freiwillig opfern will.

Als die Crew jedoch dieses Schicksal erfüllen will und zur Anomalie fliegt, ändert der Autopilot den Kurs und die Defiant passiert unbeschadet die Energiebarriere. Damit ist die Zeitlinie unterbrochen, die Bewohner von Gaia existieren nicht mehr.

Odo eröffnet Kira, dass sein zweites Ich von Gaia für die Kurskorrektur verantwortlich war. Kurz vor dem Aufbruch sei es noch zu einer Großen Verbindung der beiden Odos gekommen. Gaia-Odo habe das getan, damit Odos Liebe zu Kira eine Chance habe weiter zu bestehen und sich zu verwirklichen. Kira ist tief bestürzt.




Bewertung

"Kinder der Zeit" hinterlässt beim Zuschauer einen faden Nachgeschmack. Eigentlich bietet die Episode eine spannend in sich vertrackte Handlung mit vielen interessanten Aspekten, die geschickt das Phänomen eines temporalen Paradoxons mit den menschlichen Komponenten Verantwortung und Entscheidungsfindung verknüpft. Doch am Ende platzt alles wie eine Seifenblase. Man hat geradezu das Gefühl, die Episode drückt sich davor, sich der aufgeworfenen Thematik angemessen zu stellen.

Aber der Reihe nach: Die DS9-Crew hat es mal wieder mit einer temporalen Anomalie zu tun, das ist ja für DS9 und Star Trek nichts Neues - und im Grunde auch immer eine dankbare Thematik. Das Neue daran ist, dass sich die Crew diesmal plötzlich den eigenen Nachkommen gegenübersieht - und nicht wie sonst irgendwelchen Star Trek-Persönlichkeiten aus der Vergangenheit. Im Rahmen der Konstruktion der Handlung ist das soweit auch stimmig erklärt.

Die Handlung erfährt eine stetige Spannungsentwicklung durch eine dreifache Wendung im Storyaufbau: Nach dem ersten Dilemma scheint die Lösung schon da zu sein, diese entpuppt sich jedoch als Täuschung. Der nächste einseitige Lösungsweg (Siskos harter Entschluss zur Rückkehr) verkehrt sich durch das entstehende gegenseitige Gemeinschafts- und Verantwortungsgefühl in die entgegengesetzte Richtung und wird durch Odos eigenmächtiges Eingreifen letztlich wieder umgedreht. Die Auflösung bleibt also bis zum letzten Moment offen.

Dabei wird die Geschichte zunehmend weniger von der äußeren Handlung geprägt als vielmehr durch die Beziehungen und Verknüpfungen, die die beide Gruppen (Crew und Bewohner) immer mehr miteinander verstricken. Im Mittelpunkt steht die Verantwortung, die die Crew einerseits sich und ihren DS9-Familien gegenüber hat, zum Anderen gegenüber den Bewohnern von Gaia, deren Existenz von ihrer Entscheidung abhängt. Diese Thematik wird sorgfältig aufbaut.

Gerade die Beziehung zwischen Kira und Odo hat dabei eine weiterführende Bedeutung. Kira weiß nun, dass Odo in sie verliebt ist. In der Darstellung des Gaia-Odo hat die Episode auch ihren eigentlichen Höhepunkt, da hier wirklich eine sehr gelungene Weiterentwicklung präsentiert wird, sowohl in optischer als auch in charakterlicher Hinsicht. Wirklich bizarr wird die Situation, als Odo Kira zu ihrem eigenen Grab auf Gaia führt.

Doch auch die anderen Begegnungen verlaufen reizvoll und kratzen tiefgründige Aspekte an: Als die Klingonen-Clique im Angesicht des vermeintlichen Endes Worf darum bittet, einen würdigen Tod durch eine ehrenvolle Tötung für sie zu übernehmen, stimmt er zunächst zu. Doch dann kreuzt er mit ihnen beim großen Pflanztag auf und gemeinsam bestellen sie die Felder. Sein Argument: "Wir müssen uns einem anderen Kampf stellen, der Gegner ist die Zeit." Das klingt zwar äußerst ehrenhaft, weil man sich nicht durch Selbstmord einfach aus dem Leben drückt, ist aber letztlich Blödsinn, weil es diesen Kampf gegen die Zeit beim besten Willen so nicht gibt.

Und ein wenig sehr pathetisch ist auch das Ritual des großen Pflanztages im Angesicht des Untergangs: Es erinnert doch irgendwie sehr an Martin Luthers sinngemäßen Ausspruch, dass er heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen würde, selbst wenn er wüsste, dass morgen die Welt untergehe. Gerade im Zusammenspiel mit dem Klingonenplot als Plädoyer gegen die Selbsttötung waren die Autoren hier doch sehr stark vom Handlungsaufbau im Sinne der "Political Correctness" getrieben.

Daneben hat die Geschichte einige ganz banale Durchhänger. So muss man sich schon fragen, wieso für eine gewöhnliche Forschungsexpedition in den Gamma-Quadranten die gesamte DS9-Führungscrew (inkl. Odo und Bashir) mit auf der Defiant ist. Wer kümmert sich denn überhaupt noch um die Station zu Hause? Oder war das Ganze ein als Expedition getarnter Betriebsausflug?

Wirklich schade ist, dass durch eine ziemlich fadenscheinige Begründung (der Defiant-Odo kann seine Form auf Gaia nicht halten) ein direktes Zusammentreffen zwischen den beiden Odos für den Zuschauer verhindert wird. Das wäre allemal sehenswert gewesen, zumal es ja auch laut DS9-Odo wirklich zur Großen Verbindung kam. Doch leider kriegt der Zuschauer davon nichts mit. Man wird ja wohl nicht annehmen, dass das trick- und produktionstechnisch nicht dringewesen wäre.

Auch die beiden erwähnten zukünftigen Partnerinnen von O'Brien und Bashir werden dem Zuschauer nicht im Bild vorgestellt, obwohl sie ja Crew-Mitglieder sind. Schade.

Wie auch immer: Odos Manipulation am Autopiloten beendet alle Spekulationen und Eventualitäten abrupt. So nachvollziehbar Odos Motiv sein mag, so simpel (und schade) ist dann eben auch die Gesamtlösung. Die Crew hatte sich für den ehrenhaften, politisch korrekten Weg (sich zu opfern und Gaia erhalten) entschieden, ist nun also moralisch aus dem Schneider. Alle zukünftigen Komplikationen (und interessanten Anknüpfungen), die sich aus dem Fortbestand der Gaia-Bewohner ergeben hätten, sind ausgeräumt. Die Zeitlinie kann nach Crew-Maßstäben normal weitergehen, Kira kann geheilt werden und auch der Crew-Odo muss sich nicht für das Handeln des Gaia-Odos verantwortlich fühlen. Sisko erwähnt nochmal, dass das Gaia-Volk ja in den Gedanken und Herzen der Crew weiterlebt, und damit ist der Fall erledigt. Im Endeffekt war es halt die einfachste Lösung.

Die Episode leidet schließlich eben gerade darunter, dass zu viele wirklich auch interessante Aspekte in die Geschichte hineingepackt wurden und am Ende einfach die Zeit und die Sorgfalt fehlte, das alles angemessen aufzulösen. Auch andere Dinge, wie die Spezialeffekte, blieben dabei leider auf der Strecke. Und das ist - in Anbetracht der interessanten Ausgangslage und der aufgeworfenen Fragen - einfach schade.

Spannung: 5 SFX: 3 Handlung: 4 Gesamt: 4
Zusammenhänge
  • Zeitreisen und temporale Paradoxien sind bei DS9 nichts Neues: Die letzte Erfahrung mit Zeitreisen und Komplikationen in der Zeitlinie hatte die DS9-Crew in der Jubiläumsfolge "Immer die Last mit den Tribbles" (5.6), zuvor bereits mussten Sisko und Co. die Zeitlinie in "Gefangen in der Vergangenheit" (3.11 + 3.12) wieder in Ordnung bringen.
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Ausdruck vom: 21. 11. 2024
Stand des Reviews: 15. 11. 2024
URL: http://www.startrek-index.de/tv/ds5_22.htm