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Episodenbeschreibung
Sisko, Odo, Dax und Garak befinden sich auf dem Rückflug von einer
Konferenz auf Bajor, bei der es um die cardassianische Besatzungszeit ging.
Während Garak sich darüber beklagt, dass die Bajoraner die Geschichte nicht
mehr neutral bewerten könnten, ist Odo seltsam ruhig und zurückhaltend.
Dabei wurde gerade er bei der Konferenz als leuchtendes Beispiel der
Gerechtigkeit in dieser schwierigen Zeit gewürdigt.
Als sich das Shuttle DS9 nähert, liegen plötzlich alle vier
Besatzungsmitglieder im Koma. Sie werden auf die Krankenstation gebracht,
doch Dr. Bashir und Worf können sich den Zustand der vier nicht erklären.
Äußerlich im Koma erwachen die vier, in einer Art gemeinsamer Traumphase,
auf Terok Nor, wie DS9 zur Zeit der cardassianischen Besatzung hieß.
Offensichtlich haben sie alle in dieser Wirklichkeit bajoranische
Identitäten, da sie von den anderen Personen nicht als Fremde oder
Neuankömmlinge wahrgenommen werden. Sie selber wissen allerdings sehr
wohl, dass sie fehl am Platz sind und machen sich auf die Suche nach
einer Erklärung. Da Thrax, Odos cardassianischer Vorgänger als Constable,
noch aktiv ist, müssen sie sich in einer Zeit rund neun Jahre vor der
Gegenwart befinden.
Die vier erleben den tyrannischen Herrschaftsstil der Cardassianer auf
Terok Nor: Die Bajoraner werden willkürlich verhaftet, verhört und
bestraft. Auch Dax wird verhaftet und zu Gul Dukat gebracht. Der erklärt
allerdings, nichts Schlimmes mit ihr vorzuhaben, sondern lediglich eine
Person zum Reden zu suchen.
Währenddessen finden Sisko, Odo und Garak heraus, welche Identitäten sie in
dieser Traum-Realität besitzen. Sie sind drei Bajoraner, die unschuldig
eines Attentats auf Gul Dukat angeklagt und hingerichtet worden waren.
Um diesem Schicksal zu entgehen, versuchen sie mit Hilfe des bajoranischen
Widerstands von der Station zu fliehen. Doch während des Treffens mit einem
Vertreter der Resistance ereignet sich in unmittelbarer Nähe das Attentat
auf Gul Dukat. Sisko, Odo und Garak werden von den Sicherheitskräften
inhaftiert.
Sie werden bezichtigt, für das Attentat verantwortlich zu sein und ohne
weitere Untersuchung für schuldig erklärt. Doch Dax gelingt es, die anderen
zu befreien und mit ihnen zu fliehen. Aber diese Flucht endet unvermittelt
wieder in einer Zelle und zu aller Überraschung entpuppt sich Thrax auch
noch als Formwandler.
Bei einer Einzelunterredung zwischen Odo und Thrax versucht Odo
verzweifelt seinen Vorgänger davon zu überzeugen, den Fall genau zu
untersuchen und allen verfügbaren Indizien nachzugehen, die beweisen, dass
sie nicht die Bombe gelegt haben. Thrax beruft sich allerdings darauf,
strikt nach den Vorschriften gehandelt zu haben. Als Odo zuletzt
offenbart, dass er und die anderen gar nicht in diese Zeit gehören,
erklärt Thrax, dass er das wisse, doch er selbst nichts mehr unternehmen
könne.
Als es zur Hinrichtung von Sisko, Dax und Garak kommen soll, versucht Odo
dies mit allen Mitteln zu verhindern. Dabei verschwimmen die Bilder und die
vier erleben nun als Zuschauer die Hinrichtung der richtigen drei
Bajoraner mit.
Jetzt erst gesteht Odo, dass er selbst damals die Rolle von Thrax innehatte
und er für die Hinrichtung verantwortlich war. Damit ist der Spuk zu Ende
und alle vier erwachen auf DS9 aus ihrem Koma-Zustand.
Dr. Bashir erklärt, dass - ausgelöst durch die Kollision des Shuttles mit
einer Plasmawolke - Odos noch vorhandene Formwandler-Eigenschaften ihn und
die anderen in den Zustand einer "Großen Verbindung" versetzt hätten und
sie so alle noch einmal Odos Geschichte erlebten.
Als Major Kira von der Geschichte erfährt, ist sie schwer verunsichert und
stellt Odo zur Rede. Doch dieser kann seine Schuld nur nochmals zugeben.
Bewertung
"Die Schuld" ist eine gut gelungene, facettenreiche und tiefgründige
Odo-Folge. Der Ex-Formwandler steht klar im Mittelpunkt der Episode, ohne
dass dabei die anderen zu teilnahmslosen Statisten verkommen. Insbesondere
Garak spielt eine tragende Rolle als skeptischer Geist und Kenner der alten
Station. Die Charakterentwicklung Odos spielt sich in einer spannenden
Handlung ab, die den Zuschauer bis zum Ende fesselt, auch wenn das Kernthema
der Geschichte, die Schuld, bereits durch den deutschen Titel der Episode
vorweggenommen wird.
Es geht also um Odos Schuld, sein Fehlverhalten, das zum Tod von drei
unschuldigen Bajoranern geführt hat. An dieser Tatsache gibt es nichts zu
beschönigen - und das zeichnet diese Episode und DS9 insgesamt aus. Die
Charaktere sind eben nicht stur eindimensional gut oder schlecht, sie haben
Ecken und Kanten, sie sind teilweise gebrochen. Dass man über diese Schuld
auch nicht ohne weiteres hinweggehen kann, zeigt auch Kiras tiefe
Bestürzung und Verwirrung, als sie von der Geschichte erfährt. Die
Freundschaft der beiden wird einer ernsthaften Belastung ausgesetzt und die
Weiterentwicklung bleibt offen.
In persönlicher Hinsicht erweist sich Odo durch diese Vorkommnisse nun eben
nicht mehr als unfehlbar, er zeigt Schwäche und wird somit menschlich. Und
das zu einer Zeit, als er noch reiner Formwandler war.
Darüber hinaus wirft die Handlung auch die Frage nach der Unterscheidung
zwischen Rechtstaatlichkeit und Gerechtigkeit auf. Es ist eben nicht damit
getan, blind die Vorschriften eines Systems zu befolgen und Ordnung und
Disziplin vor Gerechtigkeit und die individuelle Verantwortung zu stellen.
Dieses Motiv tritt sehr schön bei der Diskussion zwischen Odo und seinem
Alter Ego Thrax zu Tage. Sie bringt Odos Entwicklung auf den Punkt.
Auch das Bild von Gul Dukat bekommt eine neue Facette. Er stellt sich Dax
gegenüber nicht als der bloße Tyrann dar sondern beteuert, dass
Verantwortung der zentrale Beweggrund für sein Handeln und seine
Einstellung den Bajoranern gegenüber ist. Wie ernst und aufrichtig er das
allerdings meint, wird nicht ganz klar.
Doch an dieser Stelle beginnen auch einige Ungereimtheiten. Wie man am Ende
erfährt, resultiert der ganze Vorfall aus der "Großen Verbindung", die
durch Odo unfreiwillig ausgelöst wird. Sisko, Garak und Dax spielen also
Rollen in einer Traum-Realität, die auf Odos Erinnerungen basiert. Wie
kann es aus dieser Perspektive jedoch sein, dass Dax eine eigene Geschichte
durchlebt und von Odo unabhängige Erfahrungen macht? Oder handelt es sich
dabei um Odos Erinnerungen und seine Auffassung, dass Gul Dukat im Herzen
eigentlich ein netter Kerl war? War die Rolle, die Dax einnimmt, auch
historisch oder wird sie nur in die Geschichte eingewoben, weil sie zufällig
an Bord des Shuttles war?
Auch die eigentliche Erklärung für den Vorfall, die zufällig ausgelöste
Große Verbindung, die Odo als Solid, was er ja nun ist, eigentlich gar
nicht mehr durchleben dürfte, ist nur mit einer großen Portion guten
Willens nachvollziehbar.
Doch diese Umständlichkeiten nimmt man gern einmal in Kauf, wenn man dadurch
einen tieferen Einblick in das Leben und Sterben auf Terok Nor erhält. Die
alte Station wirkt sehr düster und bedrohlich. Insgesamt ist das also eine
starke DS9-Episode.
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