Plaudereien aus dem Nähkästchen
von Andrej Schwabe, 26.01.2001
Nachdem ich das letzte Mal auch schon John DeLancies
"Ich, Q" besprochen habe,
folgt hier nun wieder ein Buch aus der Feder eines
Trek-Schauspielers - diesmal von Andrew J. Robinson alias
Garak. Leser mit anglophoben Neigungen müssen noch ein, zwei
Jährchen der deutschen Übersetzung harren.
Handlung:
Nach dem Ende des Dominion-Krieges steht Garak vor den
Trümmern seiner einstigen Heimat; der Wiederaufbau fällt
nicht nur wegen der vielen körperlichen Entbehrungen schwer,
sondern erscheint angesichts politischer Streitigkeiten auch
unmöglich. Ein Brief an Dr. Julian Bashir veranlasst Garak
noch einmal auf sein Leben zurückzublicken, als Schüler,
als Gärtner, als Spion und Schneider.
Kritik:
Garak ist zu Recht einer
der beliebsten Charaktere aus DS9, vor allem seine
Undurchsichtigkeit und sein Auftreten findet man so bei
anderen Trek-Figuren nicht. Hinzu kommt, dass DS9 zwar näher
an Bajor als an Cardassia lag, sich die Schreiber jedoch
wesentlich öfter der Situation in der Cardassianischen Union
zuwandten, sodass Andrew J. Robinson viele Möglichkeiten
hatte, vorhandene Figuren und Handlungsfäden in die Story
einfließen zu lassen. Und tatsächlich trifft man auf viele
bekannte Figuren, die aber stets am Rande bleiben, da neue
Charaktere die Handlung dominieren.
Um es vorwegzunehmen: Der
Roman hat so seine Probleme; so plätschert die Handlung
fröhlich vor sich hin, was eigentlich auch nicht schlimm
ist, da es sich offensichtlich um eine Art Biographie
handelt. Dennoch versucht Robinson am Ende krampfhaft noch
ein bisschen mehr Spannung herauszuquetschen und das stört.
Der Roman selbst ist in drei Teile geteilt, die abwechselnd
erzählt werden: Ein Strang kümmert sich um Garaks
Werdegang, ein anderer beschäftigt sich mit seiner Situation
vor der alles entscheidenden Schlacht und ein letzter spielt
in der Gegenwart nach der Befreiung Cardassias. Leider kann
der umfangreichste Teil, nämlich der erste, wenig glänzen
und wälzt sich in den typischen Klischees von
Ausbildungscamps.
Wenn man sich als Leser aber
durch diese Teile gequält hat, gewinnt auch die Story an
Fahrt und Spannung. Am interessantesten erscheinen wohl
Garaks Exil auf Terok Nor/DS9 und seine Stellung im
Postdominion-Cardassia. Die politischen Wirren sind glaubwürdig
und interessant dargestellt und manche Betrachtungen
sind weit über dem üblichen Trek-Niveau. Es ist einfach
genial, wenn Robinson Garak - Sohn des alten imperialen
Systems - miterleben lässt, wie das alte System fällt und
dieser erkennt, dass ein Umbruch stattfinden muss, dass für
Cardassia so oder so ein neues Zeitalter beginnt. Gelungen
sind die Passagen, in denen Garak von seiner Einsamkeit im
Exil auf Terok Nor oder von seiner großen und unerreichten
Liebe Paladine (darf in keiner Biographie fehlen) berichtet.
Zwar verheddert sich Robinson
bei der Handlung, aber mit der Charakterentwicklung der
Figur, die er sieben Jahre lang verkörperte, kann sein Buch
wirklich auftrumpfen. Der Leser bekommt Einblick in eine
grundverschiedene Gedankenwelt, was man hier auch viel mehr
mitbekommt als zu irgendeinem Zeitpunkt der Serie. Der junge
Garak wirkt noch sehr passiv und ergeben, währenddessen der
ältere aktiver, verwinkelter, unzugänglicher ist und seine
Stellung einzufordern weiß . Am Anfang habe ich vor dem Buch
zurückgeschreckt, da ich Angst hatte, dass ich nun alle
Geheimnisse und Erlebnisse Garaks zwischen zwei Buchdeckeln
halten konnte. Aber Robinson hat es verstanden, nur bestimmte
Situationen herauszupicken, die dem Leser genug, aber nicht
zuviel von der bekannten Fassade Garaks nehmen, um ihn
\endash zumindest teilweise \endash verstehen zu können.
Dabei verliert Garak nicht an Rätselhaftigkeit, wird nicht
"nackt", sondern gewinnt im Gegenteil eher neue
Qualitäten, die ihn noch interessanter machen.
Eigentlicher Anlass des Buches
ist ja ein Brief an Dr. Julian Bashir, der weiterhin auf DS9
arbeitet, während Garak auf Cardassia beim moralischen,
materiellen und politischen Wiederaufbau hilft. Auch in
dieser Hinsicht hält das Buch, was es verspricht: Es wird
nicht zu detailliert, knüpft an die Gespräche beider
Charaktere bei den traditionellen Mittagessen an und versucht
auch (erfolgreich), die Beziehung zwischen Bashir und Garak
zu klären. Gespannt sein darf man auf die geplante
Fortsetzung, in der Bashir einen Antwortbrief verfasst...
Unterm Strich also eine gute,
wenn auch aufgeblähte Erzählung aus dem Leben von Garak,
mit einigen Handlungsschwächen, die aber mit dem Blick
hinter Garaks Stirn und in sein Herz durchaus ausgeglichen
werden. Nicht nur für DS9-Freaks empfehlenswert.
(gandalf)
Infos:
Star Trek: Deep Space Nine
Titel: Ein Stich zur rechten Zeit (A Stitch in Time)
Autor: Andrew J. Robinson
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2011, USA: 1999
Deutsche Übersetzung von Anika Klüver
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
(Daten zur deutschen Ausgabe ergänzt am 27.04.2011)
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Andrej Schwabe.