Zwei Künstliche gegen eine Maschine
von Andrej Schwabe, 02.01.2022
Inhalt:
Plötzlich erscheint Wesley Crusher auf der Enterprise und stellt
sich als einer der Reisenden vor. Er berichtet von einer riesigen
Maschine im Zentrum der Galaxis, die zahlreiche Sternensysteme
verschlingt, was Erinnerungen an V'ger aus Star Trek The Motion
Picture aufkommen lässt. Wesley bringt das Schiff mit seinen
speziellen Fähigkeiten zu der Maschine, die sich selbst
Elektrischer Körper nennt. Man findet heraus, dass sie ein Wurmloch
erzeugen möchte, um zu einer Nachbargalaxie reisen zu können. Hätte
sie Erfolg, gäbe es die unschönen Konsequenzen, dass das Leben in
unserer Galaxis in Zehntausenden Jahren ausgelöscht würde und
Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit sofort unmöglich würden. Die
Maschine verkündet, dass sie nur mit einer anderen künstlichen
Lebensform verhandeln möchte. Man begibt sich auf die Suche nach
Data, der wiederum den Uralten Akharin verfolgt
(TOS "Requiem for Methuselah").
Er soll ihm helfen, seine Tochter Lal wiederzubeleben, die kurz
nach ihrer Geburt verstarb
(TNG "The Offspring").
Kritik:
Wesley Crusher - zurück auf der Enterprise? Was für eine
Überraschung! Dass er von der Gesellschaft der Reisenden
zurückkehren kann, hat er zwar schon im TNG-Film
"Nemesis"
bewiesen. Hier bietet ihm Autor David Mack eine bedeutend größere
Bühne. Er beschreibt ihn lebendiger und zynischer als je zuvor, mit
passendem grauen Bart versehen. Schade (oder konsistent mit TNG?),
dass es die Besatzung wiederum nicht sonderlich interessiert, was
Wesley inzwischen auf seinen sicherlich spektakulären Reisen erlebt
hat.
Offenbar hat sich Mack für den letzten Roman der "Kalte
Berechnung"-Trilogie ein abgedrehtes Action-Spektakel vorgenommen.
Anders ist diese bizarre Mischung aus Effektfeuerwerk und
überdimensionaler Bedrohung nicht zu erklären: Eine Maschine, die
reihenweise Sternensysteme vernichtet und nicht nur für unsere
Galaxis gefährlich ist, der altbekannte Q und ein verrückter Mix
aus Action, weitreichender Zerstörung und seltsamem Humor. Im
Gegensatz zu anderen Autoren mit ähnlichen Vorhaben (wie
beispielsweise Peter David) ist das Ergebnis leider eher
langweilig. Mack spult seitenweise die immer gleichen stereotypen
Action-Szenen ab. Von der erwartbaren und unbefriedigenden
Auflösung ganz zu schweigen (Picard gewinnt das Rededuell mit der
Maschine, nachdem Data und Wesley ihr mit ihren besonderen
Fähigkeiten aushelfen und das Unglück verhindern).
Langatmige Teile der anderen Art erwarten den Leser bei der
Data-Handlung. Sie geben mehr Einblick in die Gemeinschaft
künstlicher Lebensformen und werden zugleich leider auch wieder
erwartbar erzählt. Und wenn man sich zwischendurch fragt, wie
passen Maschinen- und Data-Story zusammen? Mack erfindet den
kreativen "Kniff", dass die Maschine nach gutem Zureden nur mit
künstlichen Lebewesen verhandeln möchte. Das bringt unseren
Lieblingsandroiden ins Spiel.
Der hat eigentlich andere Dinge vor, als seinen Kollegen zu helfen.
Wir erfahren endlich mehr über Datas Ziele, nachdem er mit seinem
Vater "verschmolzen" ist. Wir erleben mit, wie er nach langer Suche
seine Mutter auf einem entlegenen Planeten vorfindet. Sie teilt ihm
verängstigt mit, dass die Gemeinschaft Künstlicher Intelligenzen
ihren Geliebten, den Uralten Akharin (der mysteriöse Emil
Wasloswki, der der unsterbliche Mr. Flint in
TOS "Requiem for Methuselah"
war und der Soongs Mentor gewesen sein soll), abgeholt hat. Das
trifft Data zunächst schwer, denn er möchte seine Tochter
wiederbeleben, bevor ihr positronisches Gehirn endgültig stirbt.
Akharin scheint das Geheimnis entdeckt zu haben, wie Leben von
Androiden wiedererweckt werden kann. Schweren Herzens setzt sich
Data deshalb mit der mysteriösen Gemeinschaft in Verbindung, die
ihm von Anfang an nicht geheuer ist.
Nicht ganz unerwartet kommt es, wie es kommen muss. Auch Data wird
von einer gewaltbereiten Splittergruppe der Gemeinschaft gefangen
genommen. Diese Gruppe zelebriert ihre Überlegenheit und bringt bei
einem Fluchtversuch Akharins Tochter Rhea um. Dass es diese Gruppe
überhaupt gibt, scheint daran zu liegen, dass Mack Datas Geschichte
auf drei Romane strecken kann. Dass sich künstliche Lebensformen
überlegen fühlen, gab es in Star Trek jedenfalls davor und danach
immer wieder. Selbst in diesem Roman gibt es mit der Welten
zerstörenden Maschine ein weiteres Beispiel.
Interessant ist dann noch, dass Data sich am Ende ein weiteres Mal
entscheidet, die Enterprise und seine Kollegen zu verlassen und
seinen eigenen Geschäften nachzugehen. Diese Entscheidung
unterstreicht noch einmal, wie sehr sich Data von dem früheren
TNG-Data unterscheidet. Bereits der nächste Roman "Das Licht der
Fantasie" zeigt jedoch, dass es weiterhin gemeinsame Abenteuer
geben kann.
Sträflichst finde ich, wie mit Worfs Verlust umgegangen wird. Zwar
erbarmt sich Mack und schneidet kurz an, dass Worf um seine
verlorene Freundin trauert, die vor zwei Büchern ermordet wurde.
Hier lehnt er wegen seiner Trauer sogar das Kommando über ein
Schiff ab, das ihm angeboten wird. Seine Kollegen scheinen das aber
eher als privates Problem zu sehen, denn es scheint sich niemand
für seinen Verlust zu interessieren. Ganz im Gegensatz zu DS9, wo
wir sehr detailliert Worfs Trauerphase nach Jadzia Dax' Tod erleben
konnten
(DS9 "Das Gesicht im Sand").
Infos:
Star Trek: The Next Generation
Band 10
Titel: Kalte Berechnung, Buch III - Diabolus Ex Machina (Cold Equations - The Body Electric)
Autor: David Mack
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2015, USA: 2013
Deutsche Übersetzung von Wibke Sawatzki
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.