Schwere Neuanfänge
von Andrej Schwabe, 18.05.2018
Inhalt:
B'Elanna Torres entdeckt in uralten Schriften des Klosters auf
Boreth, dass ihre Tochter Miral die legendäre Kvah'Magh sein soll,
die die Klingonen vor dem Fluch der Götter bewahren soll. Das ist
nicht nur eine überraschende Erkenntnis sondern auch eine
gefährliche: Krieger des Gre'thor-Ordens wollen Miral aus diesem
Grund töten und entführen die beiden. Die USS Voyager startet
zusammen mit Kanzler Martok eine riskante Rettungsaktion, um beide
zu befreien.
Einige Monate später wird Admiral Janeway von den Borg assimiliert,
die einen riesigen Kubus in Richtung Erde geschickt haben und
schließlich noch gestoppt werden können
("Heldentod"). Ihr
plötzlicher Tod lässt Chakotay in einen tiefen Schockzustand
fallen: Die zarte Liebe, die zwischen den beiden Offizieren
aufgeblüht war, scheint damit für immer zerstört zu sein. Der
anschließende verheerende Kampf gegen die Borg
("Destiny"), in dessen Verlauf die
kybernetischen Wesen große Teile der Föderation in Schutt und Asche
legen, tut sein Übriges, um den ehemals stolzen Captain der Voyager
in ein pessimistisches, halsbrecherisches Wrack zu verwandeln.
Als die Sternenflotte nach dem Sieg plant, mit Slipstream
ausgestattete Schiffe in den Delta-Quadranten zu entsenden, soll
sich die Voyager dem Verband anschließen. Doch die Frage stellt
sich, ob die Admiralität einen derart niedergeschlagenen und
unzurechnungsfähig wirkenden Captain für diese Mission an Bord
nehmen möchte.
Kritik:
Die Destiny-Trilogie veränderte die Star
Trek-Welt von Grund auf, zumal mit Janeway zum ersten Mal ein
Hauptcharakter geopfert wurde. "Projekt Full Circle" dreht sich zu
einem großen Teil um die Auswirkungen, die die Ereignisse auf die
ehemalige Voyager-Besatzung gehabt haben. Dafür umspannt der Roman
den langen Zeitraum von drei Jahren und bietet eine Fülle von
Geschichten und neuen Charakteren, die den Boden bereiten für den
zweiten Neustart der Voyager-Romanreihe. Am Ende des Romans steht
die Voyager vor einer neuen, diesmal beabsichtigten Reise in den
Delta-Quadranten.
Doch bevor sich alles um die Borg dreht, wendet sich Kirsten Beyer
in ihrem ersten Voyager-Roman B'Elanna Torres und ihrer Tochter
Miral zu, von der einige annehmen, dass sie eine Art Heilige der
klingonischen Mythologie sein könnte. Daher bekommt es B'Elanna mit
feindseligen Widersachern zu tun, die den beiden nach dem Leben
trachten - mehrere hektische Verfolgungsjagden inklusive.
Schon diese Konstellation, durchsetzt von unklaren Ahnungen, vagen
Prophezeiungen und seltsamen klingonischen Mutationen, von denen
man noch nie vorher gehört hat, ist unglaubwürdig genug. Aber
Beyer setzt noch einen drauf, denn die zu Hilfe eilende Voyager
soll eigentlich noch einen Wechselbalg befragen, der auf
irgendeinem fernen Planeten kurz vor seiner Hinrichtung steht. Naja
- und so verzettelt sich Beyer mit dieser Geschichte in so vielen
Details, dass man sich am Ende am Kopf kratzt und fragt, welchen
Zweck dieser umfangreiche Exkurs denn gehabt haben soll. Ging es
ihr um belanglose Action? Ging es darum, nochmal alle
Voyager-Offiziere zusammen in einer Geschichte zu vereinen?
Egal - am Ende täuscht B'Elanna ihren Tod vor, um sich vor weiteren
Attentaten zu schützen, und sitzt mit Miral in einem Shuttle mit
Kurs auf den Delta-Quadranten. Wahrscheinlich wäre es für sie
einfacher (und sicherer) gewesen, sich einfach gleich der
Voyager-Crew anzuschließen - und hätte uns einige Hundert
überflüssige Seiten erspart.
Glücklicherweise gibt es einen zweiten Teil und dieser greift die
Ereignisse aus "Destiny" gelungen auf. Zugegeben: Es war auch für
die Leser unerwartet, dass Janeway einfach so - immerhin von
Altmeister Peter David - sterben gelassen wurde. In diesem Roman
inszeniert Beyer ihr Ableben hingegen auf umso diabolischere Weise.
Denn zunächst verfolgen wir, wie sich Janeway und Chakotay näher
kommen, einige Male treffen und dabei ihre Zuneigung füreinander
entdecken. Dadurch ergibt sich für den ehemaligen Ersten Offizier
eine entsprechend große Fallhöhe, als er von Janeways unerwartetem
Tod erfährt. Einfühlsam gelingt es Beyer, den Leser teilhaben zu
lassen an Chakotays großem Verlust und seiner im Verlauf immer
weiter zerbrechenden Gefühlswelt.
Chakotays unbändiger Hass auf die Borg ist gelungen dargestellt,
ebenso sein eiskalter Wunsch, sie mit allen Kräften und mit allen
Opfern zu vernichten als Rache für Janeways Tod. Das ist nun
wahrlich kein neues Thema in den weiten Star Trek-Welten
(beispielsweise in
"Star Trek: Erster Kontakt"), Beyer
kann ihm aber neue Aspekte abgewinnen, denn Chakotays traurige Lage
bleibt weiter bestehen und er ist gezwungen mit Janeways Tod
irgendwie umzugehen: Nach dem Sieg über die Borg verlässt er die
Voyager und zieht sich in die Wildnis zurück, um sich selbst zu
finden.
Interessant ist Chakotays Charakterisierung: Er wirkt schnell
überfordert, reagiert sehr emotional und ist vor allem nicht
bereit, fremde Hilfe anzunehmen. Das wirkt zunächst befremdlich für
die sonst so weiterentwickelte Star Trek-Menschheit - aber
vielleicht ist es auch einfach ehrlicher und realistischer. Bei
dieser Gelegenheit führt Beyer den neuen Counselor der Voyager ein,
Hugh Cambridge, der Chakotay auf unkonventionelle und erfrischende
Weise bei seinen Erlebnissen begleitet.
Beyer gibt sich viel Mühe, "Projekt Full Circle" harmonisch in die
Destiny-Handlung einzufügen. Ursprünglich sollte die Full
Circle-Flotte in den Delta-Quadranten reisen, um die Borg zu
erforschen und eine Gegenwaffe zu finden, was Janeway freilich für
zu waghalsig hält und wogegen sie mit allen Mitteln kämpft, bis die
Borg die Föderation dann tatsächlich (zum letzten Mal) angreifen.
Nachdem die Caeliar die Föderation retten und alle Borg
verschwinden oder wie Seven in Menschen verwandelt werden, ändert
sich der Auftrag und man will nun die Überreste der Borg und das
von ihnen hinterlassene Machtvakuum im Delta-Quadranten
untersuchen.
Die Darstellung der Kämpfe gegen die überlegenen Borg gelingt Beyer
sehr gut, wenn zum Beispiel die Voyager an der verheerend endenden
Schlacht beim Azure-Nebel teilnimmt, um mit 7000 anderen Schiffen
die Borg aufzuhalten
("Destiny: Gewöhnliche Sterbliche").
Lässt man den ersten Teil als eher störendes Beiwerk außer Acht,
stellt "Projekt Full Circle" einen bewegenden Neustart der
Voyager-Romanwelt dar, nachdem Janeway (vorerst) in die ewigen
Jagdgründe geschickt wurde (mehr dazu in
"Ewige Gezeiten"). Die
Karten werden ordentlich neu gemischt und die Voyager macht sich
ohne ihre ehemaligen Captains Janeway und Chakotay auf den Weg zu
neuen Abenteuern im Delta-Quadranten.
Infos:
Star Trek: Voyager
Band 5
Titel: Projekt Full Circle (Full Circle)
Autor: Kirsten Beyer
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2014, USA: 2009
Deutsche Übersetzung von Andrea Bottlinger
Preis: 16,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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