Andors Rettung
von Andrej Schwabe, 06.01.2017
Inhalt:
Die andorianische Fruchtbarkeitskrise ist trotz der Hilfe der
Tholianer ("Zwietracht")
immer noch nicht gelöst. Selbst Dr. Julian Bashir bleibt auf der
Suche nach einer medizinischen Therapie erfolglos, ahnt aber, dass
ihm Daten aus dem Meta-Genom helfen könnten. Die Sternenflotte kam
während der Vanguard-Mission ein Jahrhundert zuvor in Kontakt mit
dem hochentwickelten Genom und seinem scheinbar unerschöpflichen
Potential.
Ungünstigerweise rückt der Föderationsrat mit den streng geheimen
Informationen nicht heraus, so dass sich Bashir gezwungen sieht,
mit Kräften ein Bündnis einzugehen, die lieber im Verborgenen
agieren. Das wiederum bringt Dinge ins Rollen, die sich nicht mehr
stoppen lassen.
Kritik:
Seitdem die Fortpflanzungsprobleme der Andorianer während des
DS9-Relaunchs publik wurden
("Mission Gamma II - Dieser graue Geist"),
erwiesen sie sich selbst für die raffiniertesten Wissenschaftler
als harte Nuss. Eine bittere Folge waren starke politische
Verwerfungen, als sich Andor den Tholianern und damit dem
verfeindeten Typhon-Pakt zuwandte
("Zwietracht").
Dieser Handlungsfaden wird gekonnt wieder aufgegriffen und "Auf
verlorenem Posten" kann auf das detailreiche Bild von Andor aus
früheren Romanen und viele bekannte Charaktere wie den ehemaligen,
andorianischen DS9-Offizier Shar zurückgreifen.
Letztlich sorgt aber die Schwere der Krankheit zusammen mit einem
Embargo, das die Sternenflotte rigoros durchsetzt, dafür, dass die
Andorianer bei der Lösung auf Hilfe von außerhalb angewiesen sind.
Julian Bashir kommt damit die Rolle des zentralen Charakters zu,
und er wäre nicht Julian Bashir, wenn er nicht Lösungen finden
würde, die kein anderer vor ihm gefunden hat.
Leider gehört zu den größten Schwächen des Romans, dass diese
Prämisse übermäßig auf die Spitze getrieben wird. Bashir holt sich
zwar Hilfe von den besten Köpfen der Föderation und gelangt auch
trickreich an die entscheidenden Meta-Genom-Daten, aber die
Zeitspanne, in der das Rätsel am Ende geknackt wird, ist dann doch
verblüffend kurz. An vielen Stellen wirkt der Doktor zudem
untypisch wie ein wandelnder Computer, der dem Androiden Data alle
Ehre machen würde.
Akzeptiert man diese Schwächen, wird man jedoch mit einer
spannenden und rasant erzählten Geschichte nach Mack-Art
belohnt.
Obwohl Bashir sich von Anfang an der Gefahren bewusst ist und sehr
vorsichtig vorgeht, kriegt der Geheimdienst schnell Wind von seinem
Vorhaben und seinen schnellen Erfolgen. Im letzten Augenblick
findet er gegen alle Wahrscheinlichkeiten die rettende Therapie,
die den Andorianern die Fruchtbarkeit zurückgeben wird.
Verfolgt von der Sternenflotten-Sicherheit setzt er zu einer
dramatischen Flucht nach Andor an, was angesichts des Embargos
schwieriger ist als gedacht, aber auch für viel Action sorgt. Etwas
störend sind dabei die sprichwörtlichen Kaninchen, die Mack immer
wieder aus dem Hut zaubert, um Spannung zu erzeugen oder um Bashirs
Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Bemerkenswert - und an manchen Stellen auch unrealistisch - sind
die Reaktionen vieler Sternenflotten-Mitglieder auf Bashirs
Bemühungen. Beverly Crusher beispielsweise, die bei anderen
Gelegenheiten nicht um eigenwillige Entscheidungen verlegen war
(TNG: "Verdächtigungen"), rückt
nur zögerlich mit ihrem Wissen um das Meta-Genom heraus und
verweigert ihm schließlich ganz die Hilfe. Ein anderes Beispiel ist
Ezri Dax, die das Andor-Embargo durchsetzen soll und Bashir ohne
Gewissensbisse verfolgt. Sie kann erst nach flammender Rede ihres
ehemaligen Liebhabers dazu gebracht werden, die Situation mit
eigenen Augen zu betrachten.
Das steht in klarem Kontrast zu der Handvoll Leute, unter ihnen
sogar Quark, die dem Doktor selbstlos Hilfe anbieten. Der
Frachter-Kapitän Harris lässt sogar sein Leben, um Bashir nach
Andor zu bringen.
Die passive und geradezu desinteressierte Art vieler Offiziere
entwirft ein recht verstörendes Bild vom moralischen Zustand der
Sternenflotte: Mack stellt die Offiziere als mehr oder weniger
willenlose Befehlsempfänger dar.
Eine wesentliche Triebfeder dafür stellt Föderationspräsident Ishan
dar, der das Amt interimsweise nach dem Tod seiner Vorgängerin
Bacco inne hat. Andors "Loyalitätsbruch" liefert ihm die Erklärung
für eine maximal konfrontative und radikale Haltung, bei der jede
Abweichung von Ishans Vorstellungen gnadenlos sanktioniert wird,
eingeschlossen von Bashirs rettender Hilfe für Andor.
So richtig wird zwar nicht klar, ob Präsident Ishan in seinem
unbändigen Zorn noch innerhalb der Grenzen der Föderationsgesetze
agiert. Dennoch strotzt dieser Handlungsstrang nur so vor
Konflikten und zukünftigen Konfrontationen, mit denen sich die
folgenden zwei Bände näher beschäftigen werden.
David Mack liefert mit "Auf verlorenem Posten" einen spannenden
Roman ab, der es leider manchmal für mehr Dramatik an
Glaubwürdigkeit vermissen lässt.
Infos:
Star Trek: The Fall
Band 3
Titel: Auf verlorenem Posten (A Ceremony of Losses)
Autor: David Mack
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2015, USA: 2013
Deutsche Übersetzung von Christian Humberg
Preis: 12,99 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.