Cardassias schwierige Suche nach Zukunft
von Andrej Schwabe, 02.11.2016
Inhalt:
Cardassia liegt seit dem Ende des Dominion-Krieges in Trümmern
("Das, was du zurücklässt"). Der
Wiederaufbau kommt nur langsam voran, was auch an den
problematischen Hinterlassenschaften des Dominions liegt.
Sandstürme überziehen den Planeten. Eine echte Diskussion über die
alten Machtstrukturen hat noch nicht stattgefunden. Außerdem muss
sich die cardassianische Bevölkerung daran gewöhnen, auf auswärtige
Hilfe angewiesen zu sein.
Nicht alle sind damit einverstanden. Die "Cardassianische Front",
eine radikale Widerstandsbewegung, die sich in die gute alte Zeit
zurücksehnt und die Kontakte zur Föderation abbrechen möchte, nutzt
den Mord an einem Cardassianer aus, um mit allen Mitteln an die
Macht zu gelangen.
Kritik:
Cardassia wird hier noch ein Stück trostloser inszeniert als noch
in Una McCormacks früherem Roman
"Die Welten von DS9: Cardassia - Die Lotusblume",
in dem Keiko O'Brien begann, sich der Landwirtschaft des durch das
Dominion verwüsteten Planeten zu widmen. Er scheint von einem
ewigen roten Sandsturm eingehüllt zu sein, der mit seinem Staub in
alle Ritzen drängt (und damit auch ziemlich stark an den
Narn-Planeten aus Babylon 5 erinnert, nachdem ihn die Centauri
ebenfalls in Schutt und Asche gebombt haben).
Una McCormack zeigt dabei deutlich, dass die cardassianische
Gesellschaft ebenso stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Vordergründig existiert zwar eine gute Zusammenarbeit mit den
Sternenflotten-Besatzern. Sich das vorzustellen ist mit den
Erfahrungen aus der TV-Serie vor Augen, in der die blasshäutigen
Aliens häufig als aggressive, arrogante Großmacht auftraten,
klarerweise schwierig. Zarte Anfänge konnte man dennoch bereits im
DS9-Roman-Relaunch beobachten
("Mission Gamma").
Tatsächlich ist die Stimmung in einem Großteil der Bevölkerung aber
nicht so zukunftszugewandt: Es gärt der Frust über den schleppenden
Wiederaufbau und den verlorenen Stolz.
Die Beziehungen zur Föderation bekommen einen herben Rückschlag,
als Präsidentin Bacco unerwartet einem Attentat zum Opfer fällt
("Erkenntnisse aus Ruinen").
Sie war ein starker Fürsprecher einer neuen Zukunft der Union an
der Seite der Föderation. Als dann auch noch ein Cardassianer
offenbar durch ein Sternenflottenmitglied ermordet wird, bahnen
sich Ärger und Ängste ihren Weg. Gekonnt nutzen die Anführer der
Cardassianischen Front die unübersichtliche Situation aus, um die
Bevölkerung gegen die Sternenflotte aufzubringen. Ihr Ziel ist es,
die Besatzer so schnell wie möglich vom Planeten zu vertreiben.
Auf Seiten der Föderation gibt es genauso Gestrige, nämlich in Form
des Interimpräsidenten Ishan Anjar, der passenderweise von Bajor
stammt. Er fährt einen unerbittlichen Konfrontationskurs mit den
Cardassianern, indem er wegen der unsicheren Lage die
Sternenflotten-Besatzung auf unbegrenzte Zeit verlängert. Das führt
in dem angespannten Klima zu schweren politischen Verwerfungen auf
Cardassia und heizt die Proteste der "Cardassianischen Front" noch
weiter an.
Doch der Roman dreht sich nicht nur um den roten Schatten, den
diese Konflikte werfen, sondern auch um einen ganz anderen
Schatten: Elim Garak. Das Buch kann sogar als Fortsetzung von
"Ein Stich zur rechten Zeit" angesehen
werden, denn Garak schreibt weiterhin seine traditionellen Briefe
an seinen engen Freund Julian Bashir auf DS9.
Der zwielichtige Ex-Agent ist inzwischen cardassianischer
Botschafter auf der Erde, kehrt aber schließlich in seine Heimat
zurück, um bei der Bewältigung der drängenden Probleme zu helfen.
Als überzeugter Anhänger der engen Verbindungen zur Föderation (und
immer noch sehr effektiver Stratege) wird er zu einer Art
Berater der obersten politischen Anführerin der Cardassianer, der
Kastellanin Garan.
In dieser verfahrenen Lage versuchen beide zusammen mit der Crew
der Enterprise, die in Cardassias Orbit weilt, soviel vom
gemeinsamen Aufbruch in eine neue Zukunft zu retten wie möglich.
Dabei liegt der Fokus größtenteils auf den Entwicklungen auf
Cardassia: Picard und die Enterprise-Crew bleiben eher im
Hintergrund und sind oft nur Beobachter und Kommentatoren der
Geschehnisse. Im Vordergrund steht dafür Garak oder noch viel mehr
Cardassia.
Una McCormacks Sprache ist wie in ihren anderen Romanen ruhig und
wortreich. Ihre ausführlichen und aufmerksamen Beschreibungen der
Landschaften und der Bewohner des Planeten tragen zum besonderen
Charme des Buches bei.
Und owbohl die Analyse der Probleme wie gewohnt etwas oberflächlich
und stereotyp daherkommt, bemüht sich Una McCormack um eine
halbwegs realistische Atmosphäre.
Nach dem misslungenen Start
"Erkenntnisse aus Ruinen"
kann "Der kaminrote Schatten" eigentlich nur punkten. Es wird ein
reichhaltiges und außergewöhnliches Bild von einem Planeten
gezeichnet, der an einem wichtigen Punkt in seiner Geschichte
steht.
Infos:
Star Trek: The Fall
Band 2
Titel: Der kaminrote Schatten (The crimson Shadow)
Autor: Una McCormack
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2015, USA: 2013
Deutsche Übersetzung von Christian Humberg
Preis: 12,99 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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