Spock + McCoy + Scott = ?
von Andrej Schwabe
und Florian Schwabe, 04.04.2003
Michael Jan Friedman meinte einmal in einem Interview, dass er
sich für die Vergangenheit der Seriencharaktere interessiert
und auch wie sie sich in der Zukunft entwickeln. Das letzte
Buch, das ich von Friedman kritisiert habe, hieß
"Saratoga", drehte
sich um Siskos ehemalige Kollegen von der USS Saratoga und war
eher langweilig. Ob das auch bei "Die andere Seite"
der Fall ist, erfahrt ihr hier...
Handlung:
Dies ist eine Art Fortsetzung zu
"Wiedervereinigung ?"
und spielt nach dem TNG-Serienfinale. Spock ist immer noch im
Romulanischen Reich als Lehrer der vulkanischen Logik aktiv, doch
dann wird er von einem Schüler verraten und mit seinen Schülern
als Geiseln genommen.
Um Spock zu retten, wartet die Föderation nicht nur mit
Picard, sondern auch mit Dr. McCoy auf und ebenso Scotty
macht sich auf den Weg.
Kritik:
Liest man sich einfach nur den kleinen Inhaltsabriss durch,
dann wird einem die Erkenntnis nicht schwer fallen, dass der
Zweck des Romans weniger eine inhaltliche Bereicherung der
TNG-Romanreihe ist, als viel mehr maximalen Profit aus TOS
und TNG zu schlagen, indem man die beliebtesten (noch
lebenden) Charaktere zusammengetrommelt hat und sich irgend
eine Geschichte dazu ausgedacht hat. Dass das grandios
fehlschlagen muss, ist, denke ich, eindeutig.
Viel an dem Roman ist demzufolge auch konstruiert beziehungsweise
arg an den Haaren herbeigezogen.
Scotty klaut einfach so ein Museumsschiff, das natürlich
günstigerweise fehlerlos funktioniert (inklusiver einer
alten Tarnvorrichtung, siehe TOS: "Die unsichtbare Falle")
und hat dann auch keinerlei Probleme, weil kein Föderationsschiff
ihn verfolgt, wo doch die Antriebstechnik in fast einem
Jahrhundert sich doch schon verbessert haben sollte.
Dann wird Dr. McCoy auf Biegen und Brechen von Starfleet auf
die Enterprise-D zurückgeholt. Dass ihm das Flottenkommando
eine echte Chance einräumt, die Situation beeinflussen zu
können, ist schon sehr fragwürdig, weil alles von den
Romulanern abhängt, mit denen selbst Picard mehr Erfahrungen
haben wird als Pille. Und so agil, wie er im Roman auftritt,
wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn McCoy im Rollstuhl
einarmig noch mindestens fünf Romulaner zu Tode gewürgt
hätte.
Überhaupt wirkt McCoy für seine rund 150 Jahre einfach zu
quicklebendig und ist als Admiral der Enterprise natürlich
völlig unglaubwürdig. Genauso unglaubwürdig wie die Reaktion
der Crew, die sich zwar über den guten Doktor aufregt, aber
keiner ihn wirklich von seinem wahnsinnigen Verhalten abbringt -
nicht mal Beverly, die seine körperliche Leistungsfähigkeit
als Kommandant des Raumschiffs durchaus in Frage hätte stellen
können. Und schon im Pilotfilm "Encouters at Farpoint"
sieht Pille stark nach Altersheim aus. Das Beste dabei ist dann
aber noch, dass die Romulaner am Ende aufgeben, weil der
150-jährige McCoy mit Krieg droht!
Außerdem scheint das Romulanische Reich recht klein zu sein,
wenn ein Offizier nur einen Tag von Romulus bis zur Neutralen
Zone braucht.
Und dann ist das Cover natürlich etwas irreführend, weil
das Buch in die TNG-Reihe gehört und nicht in die TOS-Reihe.
Picard zeigt diesmal eine seltsame Lethargie und scheint sich
- das bemerkt selbst McCoy - für die ganze Situation gar nicht
zu interessieren.
Hinderlich für das Buch ist ebenfalls, dass die Geschichte
um Spock genauso langweilig ist, wie sie es schon in
"Wiedervereinigung ?"
war. Spock muss befreit werden und seine zwei alten Kumpels
bringen sich beim Rettungsversuch selbst in tödliche Situationen,
die dann die noch fitten Crewmitglieder der Enterprise-D richten
müssen. Na ja...
Wo will ein Text hin, der die Unterhaltung, die Logik und die
Charaktere sträflichst vernachlässigt? Das ist die Frage, die
ich mir bei diesem Buch gestellt habe. Und es wird die simple
Profitgier des Herausgebers gewesen sein, nicht sein Interesse
am Stoff wie Michael J. Friedman vollmundig im Vorwort angibt.
Einziger Lichtblick sind hier die erfreulich scharfen Scherze
McCoys, die wieder richtig sitzen genau wie das Zusammenspiel
mit Spock.
Fazit: Keine Spannung, keine Charakterentwicklungen, keine
neuen Ideen. Statt dessen 7,95 € für ein Seniorentreffen.
Infos:
STAR TREK - The Next Generation, Band 50
Titel: Die andere Seite (Crossover)
Autor: Michael Jan Friedman
Erscheinungsjahr:Deutschland: vgs
1997/Heyne 2001, USA: 1992
Deutsche Übersetzung von Andreas Brandhorst
Preis: 7,95 € (Heyne)
Wilhelm Heyne Verlag, München