Das Ende der Koalition
von Andrej Schwabe, 20.05.2015
Inhalt:
Der Romulanische Krieg ist auf seinem Höhepunkt und die Koalition
und insbesondere die Menschheit stehen unter enormem Druck. Die
Romulaner haben mit ihrem Fernkontroll-Trick eine scheinbar
effektive Waffe in der Hand, um fremde Schiffe zu kapern und in
ihren Dienst zu stellen. Außerdem gelingt es ihnen, selbst
aufwendig installierte Sensornetze spielend zu umgehen und eine
Kolonie nach der anderen einzunehmen. Captain Archer kämpft dabei
an mehreren Fronten, denn er muss nebenbei die pazifistischen
Vulkanier zum Eingreifen bewegen und die frisch gegründete
Koalition vor dem Zusammenbruch bewahren.
Kritik:
Der zweite Teil der Reihe bringt wenig Neues. Im Gegenteil: Der
Stil der nüchternen Kriegsberichterstattung dominiert hier noch
stärker als in den Vorgängerromanen. Der Konflikt mit dem Imperium
tritt in eine kritische Phase, aber der Roman pendelt im
Wesentlichen nur zwischen den verschiedenen, irgendwie immer gleich
einfallslosen Schlachten. Die Fernkontroll-Methode ist jetzt auch
nicht unbedingt überzeugend, um die militärische Dominanz der
Romulaner zu erklären, ganz zu schweigen von ihren "Tricks", die
von den Vulkaniern aufgebauten planetaren Sensornetze
auszuschalten. Man hat nicht das Gefühl, dass sich die Koalition
besonders raffiniert oder kreativ anstellt: So drehen sich
beispielsweise die Diskussionen um ominöse "Brückenköpfe" und
anachronistisches Schiffsdesign, anstatt dass der gesunde (pardon)
Menschenverstand benutzt wird, um die doch recht übersichtlichen
Taktiken des Imperiums aufzudecken. Immerhin haben die Vulkanier
inzwischen einen Weg gefunden, den Menschen verdeckt zu helfen.
Problematisch für die Story ist in diesem Zusammenhang ebenfalls,
dass man viel zu viel über die Romulaner und ihre Pläne erfährt,
als dass sich großartig Spannung aufbauen könnte. Die innere
Struktur des Romulanischen Reiches und seiner politischen
Institutionen ist zudem nur ein müder Aufguss früherer Episoden und
Bücher ("Nemesis",
Titan). Hier hätte sich die günstige
Gelegenheit geboten, den blutigen Konflikt in einen größeren
Kontext zu stellen und nicht nur auf komplexe Ränkespiele
zurückzuführen. Das hätte dem ganzen Enterprise-Relaunch auch
insgesamt mehr Fundament verliehen.
Die Nebenhandlung um Trips Erlebnisse als Geheimagent hat wie
gewohnt noch ziemlich Luft nach oben. Der ehemalige Chefingenieur
stolpert durch eine brenzlige Situation nach der anderen und
überlebt nur durch die überraschend rege Tätigkeit des vulkanischen
Geheimdienstes. Der Kontakt mit den spitzohrigen Freunden bringt
ihn dann zügig nach Vulkan, wo er - diesmal als Vulkanier getarnt -
zusammen mit T'Pol einer fatalen Verschwörung nachgeht.
Während dieser Fokuswechsel für die Handlung eher als Bereicherung
zu werten ist, sorgen die vielen romulanischen und vulkanischen
(Doppel-) Agenten, die Trips Wege kreuzen, für permanente
Verwirrung. Und wenn sich Martin für eine solche "unvorhersehbare"
Handlungswendung mal wieder von einer unglaubwürdigen Situation zur
nächsten steigert, kratzt man sich häufiger am Kopf - und liest
dann doch lieber einfach schnell weiter.
Was hingegen ganz interessant dargestellt wird, ist, wie die
Koalition langsam aber sicher zerfällt, wobei offen bleibt, ob am
Ende wirklich deren Auflösung stehen wird. Dass Andor und
Tellar der Menschheit die Hilfe verweigern müssen, um eigene
Verluste zu minimieren und eigene Territorien zu schützen, ist eine
realistische Folge der massiven romulanischen Angriffe. Das
Auseinanderbrechen der Koalition korrespondiert auch schön mit der
Schwächung der Föderation in der Typhon Pakt-Zukunft, die dort als
Folge der vernichtenden Borg-Angriffe eintritt.
Wie schon in den früheren Romanen ist eine weitere große
Schwachstelle die Charakterentwicklung. Archer scheint völlig
unbeeindruckt zu sein von den imperialen Landgewinnen, während sein
früherer Steuermann Mayweather nach seiner Versetzung von der
Enterprise von einem Schiff zum nächsten zieht. Dabei bekommt er
mit jedem Wechsel größere Probleme mit der jeweiligen Besatzung,
obwohl er doch ursprünglich nur mit Archer ein Problem hatte.
Sowohl die Sprunghaftigkeit als auch die Unsouveränität lassen sich
nicht in Einklang mit dem Mayweather aus der TV-Serie bringen.
Zudem degradieren sie die Figur unnötigerweise auf eine
Statistenrolle bei den unzähligen Schlachten. Aus diesem Konflikt
(und dem ganzen Buch) hätte sich eindeutig mehr machen lassen.
"Unter den Schwingen des Raubvogels II" ist nur ein schwache
Fortsetzung eines selbst schon nicht besonders starken
ersten Teils.
Die brennendste Frage ist wahrscheinlich: Ist die Columbia
jetzt "endlich" weg?
Infos:
Star Trek: Enterprise
Band 5
Titel: Der Romulanische Krieg - Unter den Schwingen des Raubvogels II (The Romulan War - Beneath the Raptor's Wing)
Autor: Michael A. Martin
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2014, USA: 2009
Deutsche Übersetzung von Bernd Perplies
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
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Andrej Schwabe.