Unruhe in der Föderation
von Andrej Schwabe, 24.05.2011
Inhalt:
"Den Frieden verlieren" schließt an die Ereignisse der Destiny-Trilogie an und beteiligt sich am "Aufräumen von Macks Durcheinander", wie es Leisner in seinen Danksagungen formuliert. Nach dem Verlust reichen Sieg über die Borg ist die Föderation schwer verwundet: wichtige Planeten wie Vulkan oder Risa sind verwüstet oder unbewohnbar, Milliarden Lebewesen plötzlich Flüchtlinge.
Nach einer Generalüberholung im Erd-Sonnensystem hilft die Enterprise aus, wo sie kann. Während sie herum irrende Flüchtlingsschiffe rettet, wird Beverly Crusher nach Pacifica geschickt, um die dramatische medizinische Situation in einem großen Flüchtlingslager zu verbessern. Picard muss derweil mit der Sorge der Sternenflotte kämpfen, dass die Borg doch noch eine Gefahr darstellen könnten.
Kritik:
Die Enterprise ist zur Erde zurückgekehrt, eine Gelegenheit für Landurlaub nach der vergangenen, Nerven aufreibenden Zeit: Während Geordi seine Verwandten in Afrika besucht, schaut Picard in Frankreich nach dem rechten. Dort übernachtet er bei seiner verwitweten Schwägerin, die die schwangere Beverly endlich persönlich kennen lernt. Leisner orientiert sich insgesamt ein wenig an der TNG-Episode "Familienbegegnung", und so drehen sich die Gespräche und Gedanken zwar weiterhin um die Borg, werden aber durch Humor und einen aufmerksamen tieferen Einblick in die Picard-Familie aufgelockert.
Aber schon einige Seiten später muss sich Beverly dann auf den Weg nach Pacifica machen. Ziemlich sicher entwirft Leisner hier die Situation nach den Zerstörungen und Verwüstungen der Borg. Föderationsbürger, denen es früher an nichts gefehlt hat, müssen plötzlich in überfüllten, schlecht organisierten Flüchtlingslagern unterkommen, sind von Hunger und Krankheit bedroht, werden eingesperrt. Wie schwer das zu ertragen sein muss, während viele gleichzeitig um ihre verlorenen Geliebten trauern und traumatisiert sind, wird einem erst beim Lesen der Beschreibung des Lagers bewusst. Das Bild wird vervollständigt durch das Misstrauen der ansässigen Selkie-Bevölkerung auf Pacifica, das später durch Überforderung auf beiden Seiten in Ablehnung und Hass umschlägt. Auch die soziale Sicherheit beginnt zu bröckeln: Auf Alpha Centauri brechen sogar Kämpfe zwischen Bewohnern und Flüchtlingen aus.
Nicht umsonst weist Leisner darauf hin, dass er sich heutige Flüchtlingslager zum Vorbild genommen hat. Obwohl seine Übersetzung in die Star Trek-Zukunft den heutigen dramatischen Gegebenheiten nicht annähernd gerecht wird, fühlt man sich unweigerlich an die brisante Situation an vielen anderen Orten der Erde erinnert.
Den Frieden verlieren nicht nur die vielen armen Seelen in den Flüchtlingslagern, auch die Enterprise soll nicht von Trauer verschont bleiben. Geordi beklagt noch immer den Verlust seines engsten Freundes Data. Sicherheitschefin Choudhury muss hingegen mit dem wahrscheinlichen Verlust ihrer Familie auf Deneva klar kommen. Und erst im Verlauf des Romans erfährt die recht aufgeweckte Halbvulkanierin T'Ryssa Chen vom Tod ihrer Mutter. Welchen Einfluss diese überraschende Nachricht auf ihren Charakter hat, wird hoffentlich in den folgenden Romanen thematisiert.
Ingesamt kann man Leisner nicht vorwerfen, dass er kein interessantes Thema bearbeitet. Die Darstellung der Flüchtlingssituation ist glaubwürdig, ebenso erhält der Leser neben den Titan-Romanen einen weiteren interessanten Blick auf Pacifica und seine Meeresbewohner. Zudem sind die Charaktere gut ausgearbeitet und lassen den Vernichtungsterror der Borg bzw. dessen Folgen durchaus spürbar werden. Obwohl hier noch festgehalten werden muss, dass Geordis Heimatbesuch zu den unwürdigsten Passagen (vor allem im Vergleich zu denen von Picard und Crusher) gehört, die sich im Rahmen der Trek-Romane angesammelt haben.
Als problematisch stellt sich die Handlung heraus. Es zeichnet sich kein klarer Spannungsfaden ab, es fehlt ein Höhepunkt. Die Geschichte plätschert vor sich, eine Rettungsgeschichte reiht sich unmotiviert an die nächste. Mal fliegt die Enterprise nach Deneva, dann nach Alpha Centauri, um dann nochmal bei Pacifica vorbei zu schauen usw.
Und was Jack Crusher in diesem Roman verloren hat, bleibt bis zum Ende ein Rätsel.
Insgesamt ein durchaus passender Roman mit einigen Tiefen, der als Anschluss an die Destiny-Trilogie und als Brücke in die neue ungewisse Typhon-Pakt-Zeit fungiert.
Infos:
Star Trek: The Next Generation
Band 6
Titel: Den Frieden verlieren (Losing the Peace)
Autor: William Leisner
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2011, USA: 2009
Deutsche Übersetzung von Bernd Perplies
Preis: 12,80 €
Cross Cult Verlag
Mit freundlicher Unterstützung vom Cross Cult Verlag
Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie an
Andrej Schwabe.