Neue Grenzen für Star Trek
von Andrej Schwabe, 17.10.2000
Mit dem "Invasion!"-Zyklus fing es an. Auf seinen großen Erfolg folgten
und folgen immer noch weitere Buchreihen, die die starre Struktur bei den
Romanen etwas auflockern sollen und natürlich auch neuen Lesern die
Romane schmackhaft machen wollen. Der Verlag Pocket Books, bei dem die
Bücher in den USA erscheinen, ging aber noch weiter: Im Jahre 1997
setzten sich John Ordover, der STAR TREK-verantwortliche Redakteur bei
Pocket Books, und Peter David zusammen und erdachten eine eigene,
print-only Buchserie im STAR TREK-Format.
Gerade Peter Davids Name
hat in der STAR TREK-Romanwelt einen enormen Wert und das kommt nicht von
ungefähr; viele seiner Bücher sind Bestseller und gleichzeitig von meist
gutem Niveau. Seine Konzentration lag schriftstellerisch immer bei TNG,
trotz einiger Ausflüge zu Classic und DS9, und so lehnt sich auch seine
neue Serie von Charakteren bis hin zu den Handlungsorten an die
erfolgreiche Fernsehserie an.
Handlung:
Das erste Buch der Reihe beschäftigt sich mit Mackenzie Calhoun, dem
späteren Captain der umgebauten USS Excalibur. Beschrieben wird seine
Jugend, in der er zum Revolutionär wird und sich mit seinem Volk gegen
die Danteri auflehnt, die seinen Heimatplaneten Xenex beherrschen.
In einem zweiten Teil
widmet sich der Roman Soleta, die auf dem Zentralplaneten des
Thallonischen Imperiums Thallon reichlich merkwürdige Dinge beobachtet.
Kritik:
Im ersten Band "House of Cards" (Captain Calhoun 1) macht Peter David uns mit dem künftigen Captain
bekannt, der sich deutlich von den anderen Trek-Captains unterscheidet,
ist doch nun zum ersten Mal kein Mensch an erster Stelle. Auch
seine Vorgeschichte als Freiheitskämpfer ist ungewöhnlich, sein
Charakter so unterschiedlich von der Starfleet-Philosophie wie kein
anderer Trek-Captain. Aber er ist nicht ungewöhnlich genug, als dass wir
nicht schon bald sein Heldentum unter der kratzigen Oberfläche
hervorblubbern sehen würden. Kritisch sei noch angemerkt, dass David es
sich bei dieser tragenden Figur doch etwas zu leicht macht - oder
zumindest scheint es noch so. Calhoun hat zwar eine bewegte Vergangenheit
und unterscheidet sich deshalb in seiner Handlungsweise auch stark von den
anderen Captains, aber David verzerrt dieses Kämpferische für meinen
Geschmack doch stark ins routinemäßige Brutale.
Und wo wir gerade bei der
Kritik sind: Die wirklich intensive Konzentration auf Mackenzie Calhoun,
den neuen Captain strapaziert schon arg die Nerven (was bei nur 170 Seiten
auch kein großes Wunder ist), und die gezwungen wirkenden Einbindungen
von bekannten Charakteren (z.B. Spock).
Ebenfalls im ersten Band
eingeführt werden Soleta, eine vulkanisch-romulanische Akademie-Lehrerin,
und Si Cwan, der Thallonische Botschafter. In beiden Figuren deuten sich
bereits jetzt am Anfang Konflikte an; bei Soleta schon allein ihre
doppelte Herkunft, bei Si Cwan die Erfahrungen im Thallonischen Imperium.
Gelungen sind auch die
Verweise aufs TNG-Universum. David gelingt es, sich dort Figuren zu "stehlen"
und sie in seinem Frontier-Universum zu platzieren, ohne dabei
Unglaubwürdigkeit zu provozieren. Lachtränen treibt einem der Abschnitt
in die Augen, in dem die Crew der Enterprise-E über Rikers Gang
diskutiert.
Beim Ende war der "Babylon 5"-Stil unverkennbar und lässt darauf hoffen, dass die anderen
Charaktere - wie bei David zu vermuten - mit derselben Geschicklichkeit
wie Calhoun behandelt werden.
Fazit: Ein gelungener Einstieg (vor allem,
wenn man mal an eine gewisse STAR TREK-Fernsehserie mit argen
Startproblemen denkt), der den Erwartungen an die neue Buchserie durchaus
gerecht wird. Ganz mangelfrei bleibt er trotzdem nicht, dennoch weiß er
aber durch seine interessante Ausgangslage zu überzeugen.
(gandalf)
Infos:
Star Trek: New Frontier/Die neue Grenze
Band 1.1
Neu aufgelegt 2011
Titel: Captain Calhoun: Kartenhaus bzw. Kartenhaus (House of Cards)
Autor: Peter David
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2000 bzw. 2011, USA: 1997
Deutsche Übersetzung von Anika Klüver bzw. Bernhard Kempen
Preis: 15 DM bzw. 12,80 €
Wilhelm Heyne Verlag, München bzw. Cross Cult Verlag