Von der Sekretärin zum Admiral
von Andrej Schwabe, 30.07.2011
Inhalt:
"...wo noch nie eine Frau zuvor gewesen ist..." beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Feminismus und Star Trek. Dabei geht Thomas Herrig chronologisch vor und untersucht anhand jeder Star Trek-Serie von TOS über TNG und DS9 bis hin zum aktuellen elften Kinofilm die weiblichen Charaktere und das gesellschaftliche Rollenverständnis jener Zeit.
Kritik:
Es gibt neben dem Rassismus vermutlich nicht viele andere Star Trek-Themen als den Feminismus, die (zumindest in Fankreisen) so intensiv diskutiert wurden und werden. Sicher am bekanntesten ist die Geschichte um die Uhura-Schauspielerin Nichelle Nichols, die nach der ersten TOS-Staffel wegen Langeweile aus der Serie aussteigen wollte. Nach einem Treffen mit dem schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King konnte sie aber überzeugt werden, weiterhin als Vorbild für viele Frauen am Bildschirm präsent zu sein.
Waren Frauen in TOS oft auf Sekretärinnentätigkeiten beschränkt (Uhura, Janice Rand), so zeichnet sich schon in TNG mit der toughen Sicherheitschefin Tasha Yar, der kompetenten Dr. Crusher und der späteren Commander Troi eine wesentliche Kursänderung ab. Insbesondere in VOY scheint mit Captain Janeway der feministische Traum dann Realität geworden zu sein, trotz zunehmender Körper betonender Tendenzen (Seven of Nine), was aber dem Wunsch nach sexuell attraktiven Figuren entspricht, wie Thomas Höhl ausführlich am Ende anmerkt. Gerade in Bezug auf die neueren Star Trek-Produktionen entwirft Herrig hingegen ein skeptischeres Frauenbild.
Herrig betrachtet nicht nur die Entwicklung des weiblichen Rollenverständnis von Serie zu Serie bzw. innerhalb der Serie (wie bei TNG mit Counselor Troi), sondern erläutert parallel dazu auch die entsprechenden, sich ständig ändernden gesellschaftlichen Realitäten in den USA und in Deutschland. Nicht nur die gesellschaftliche Stellung und Mitbestimmung sind dabei Gradmesser, sondern genauso Themen wie Schwangerschaftsabbruch oder sexuelle Identität.
Besondere Aufmerksamkeit genießt bei ihm die Bestimmung des Verhältnisses zwischen beiden Bereichen. Ist Star Trek nun Vorreiter? Oder bildet es das momentane Rollenverständnis einfach nur ab? Gerade TOS hatte ja mit "Number One" ein geradezu revolutionäres Frauenbild im ersten Pilotfilm "The Cage" präsentiert: eine weibliche erste Offizierin, die keinen Rock trug, dafür aber Männern Befehle erteilte.
Herrig kommt zu dem Schluss, dass Star Trek häufig als Vorreiter angesehen werden kann, der allerdings nicht zu kritisch gegen den Zeitgeist gerichtet ist, dafür jedoch "unter der Oberfläche brodelnde" neuartige Tendenzen integriert.
Herrigs Schreibstil ist sachlich, knapp und dennoch nicht langweilig. Vieler seiner Beispiele und Erkenntnisse sind nicht neu, jedoch gut durchdacht zusammen gestellt. Leider verbirgt er zum Ende immer weniger seine Meinung zu aktuellen Trends, so dass sich seine wissenschaftlichen Folgerungen und eigenen Meinungen und Kommentare mischen und schwer zu trennen sind.
Am Ende findet sich noch ein interessantes Email-Interview mit dem Trek-Experten Thomas Höhl, der dadurch ebenfalls seine (weniger drastischen) Ansichten zum Thema äußern kann.
Insgesamt ein kleines Büchlein, dass durchaus auch für Fans interessant ist, weil es anhand vieler Beispiele verdeutlicht, wie stark Star Trek einerseits den Zeitgeist geprägt hat und andererseits durch ihn geformt wurde.
Infos:
Titel: ...wo noch nie eine Frau zuvor gewesen ist...
Autor: Thomas A. Herrig
Erscheinungsjahr: Deutschland: 2011
Preis: 24,90 €
Tectum Verlag
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Andrej Schwabe.